In der Steuerberatung gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Unternehmen, doch die Branche ist per se nicht darauf ausgerichtet, unternehmerisch zu handeln. Sie kann als eine Art verlängerter freiberuflicher Arm der Finanzverwaltung betrachtet werden – mit dem gesellschaftlichen Zweck, die Steuererhebung korrekt durchzuführen und zugleich die Interessen der Steuerpflichtigen zu vertreten.

In dieser Folge von „Steuerberatung innovativ” spricht Ulf Hausmann mit Dr. Martin Heyes, Managing Partner bei khbt, über Unternehmertum in der Steuerberatung. Wir beleuchten, wie sich das Rollenverständnis von Steuerberater:innen verändert – vom Freiberufler zum echten Unternehmer – und was das für Kanzleien in Zeiten von Digitalisierung, Fachkräftemangel und Künstlicher Intelligenz bedeutet.

Vom Finanzbeamten zum Unternehmer

„Dieser Aspekt mit Steuerberater als verlängerter Arm der Finanzverwaltung ist etwas, wo ich in totalen Widerstand gehe“, fängt Dr. Heyes an. „Also dieses Selbstverständnis, dass du als Steuerberater eigentlich nur derjenige bist, der dafür sorgt, dass der Staat seine Steuern richtig bekommt, ist etwas, was sich mit meinem Berufsverständnis als Steuerberater in keinster Weise irgendwo deckt.“

Dr. Martin Heyes begann seinen beruflichen Weg in der Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalen. Schon damals merkte er, dass ihn die dortige Struktur nicht erfüllte. Er wechselte daher bewusst die Seite, weil er sein Schicksal „in die eigene Hand nehmen und in eine Struktur kommen wollte, in der man Umstände verändern kann“.

Nach seinem Wechsel in die Beratung bei Warth & Klein hat er in zwölfeinhalb Jahren alles durchlaufen, was man in einer Corporate-Tax-Abteilung erleben kann, und ein tiefes Verständnis dafür entwickelt, wie man dieses Geschäft erfolgreich betreibt. Als ihm nach langer Betriebszugehörigkeit ein Partnerentwicklungsprogramm angeboten wurde, fühlte er sich nicht ernst genommen – der Entschluss, zu wechseln, fiel schnell. Das Motto, das ihn bis heute begleitet: „Love it, change it or leave it.“

Dr. Heyes wechselte schließlich zu khbt und stieg dort als Partner ein. Die Partner:innen von khbt, 1991 gegründet, wollten keine Big-Four-Struktur aufbauen, verfügten aber bereits über große Mandate und internationale Geschäftsbeziehungen. Heute beschäftigt die Kanzlei mehr als 200 Mitarbeitende. Die Partner:innen sind Gesellschafter:innen und zugleich im Unternehmen aktiv – das schafft Verantwortung, auch finanziell. Entscheidungen werden nicht politisch, sondern wirtschaftlich getroffen: „Ich baue mir konstant etwas auf, von dem ich in den nächsten Jahren profitieren werde.“

Führung und Struktur in der Kanzlei

Bei khbt steuert ein Managing-Partner-Board die Kanzlei mit klaren Zuständigkeiten. Martin Heyes wurde 2015 Managing Partner und in dieses Board aufgenommen. Seit 2019 wird zwischen Equity- und Non-Equity-Partner:innen unterschieden. „Die meisten wählen diesen Beruf, weil sie das fachlich mögen, was wir tun. Aber viele mögen auch die Unternehmerrolle nicht.“

Eine klare Unternehmensstruktur hilft dabei, Verantwortung sinnvoll zu verteilen – nicht in jedem Einzelfall konsensorientiert nach einer Lösung zu suchen, sondern jedem die Möglichkeit zu geben, seine Stärken optimal einzubringen. So ist es auch bei khbt: Ein Teil der Partner:innen konzentriert sich stark auf den Vertrieb, ein anderer auf die interne Organisation. „Je spezialisierter du bist, desto besser bist du in dem, was du tust – und je stärker du dich spezialisieren kannst in einer gut organisierten Einheit, desto erfolgreicher wirst du als Einheit sein.“

Hierarchische Führung passt für Heyes nicht zu einer komplexen Wissensorganisation. Er versteht seine Rolle als „dienende Führung“: „Unser Job ist es, dafür zu sorgen, dass alle anderen gut arbeiten und erfolgreich ihren Job machen können.“

Ein Beispiel: Die Einführung eines transparenten Controllings. Eine ABC-Analyse zeigte, mit welchen 20 Prozent der Mandant:innen khbt 80 Prozent des Gewinns erzielt – und bei welchen Mandaten Geld verloren wurde. Die Transparenz veränderte das Verhalten: „Jeder Partner:innen wusste, wenn ich das so weiterlaufen lasse, muss ich mich nächstes Jahr wieder rechtfertigen.“

Das Ziel war nicht Kontrolle, sondern Bewusstsein: Steuerberatung ist auch ein Geschäft. „Je profitabler wir sind, desto besser können wir Gehälter zahlen, investieren und uns am Markt entwickeln.“

Der Wandel vom Freiberufler zum Unternehmer

Die technologische Entwicklung sieht Dr. Heyes als eine der größten Herausforderungen des Berufsstands – und zugleich als Schlüssel für künftigen Erfolg. Die Anforderungen, die von außen kommen – vom Markt und durch neue Entwicklungen –, führen häufig zu einer Überforderung kleinerer Einheiten. Auf der einen Seite gibt es enorme technische Fortschritte, auf der anderen eine große Nachfrage. Viele wollen noch immer mit Papier arbeiten. Trotzdem sollte man auf den demografischen Wandel vorbereitet sein.

Auch das Personalthema spielt eine zentrale Rolle – und überfordert viele klassische Steuerkanzleien, weil sie strukturell gar nicht darauf eingestellt sind. Früher galt die Erkenntnis, dass sich eine Kanzlei mit einem Drei-Monats-Blick nach vorne gut steuern lässt. Doch durch den Personalmangel funktioniert das heute nicht mehr in gleichem Maße.

„Je kleiner die Einheit wird, umso mehr arbeiten die Menschen in ihrem Unternehmen und nicht am Unternehmen.“ Das ist laut Dr. Heyes der Bogen hin zum Freiberufler. Ein Unternehmer hingegen betreibt das Unternehmen mit dem Ziel, sich idealerweise aus der operativen Arbeit entbehrlich zu machen – den Laden also so zu organisieren, dass man nicht ständig kontrollieren muss, wie die tägliche Arbeit läuft.

Die Zukunft der Steuerberatung

Heyes ist überzeugt: Die Branche steht vor einem tiefgreifenden Strukturwandel. In fünf Jahren werde ein Großteil der Finanzbuchhaltung automatisiert sein. „Dann schauen Menschen nur noch drauf und steuern. Für viele Tätigkeiten, die heute noch ganze Teams ausfüllen, wird es keine Arbeit mehr geben.“

Daraus ergeben sich für ihn zwei strategische Optionen: Wachstum oder Kooperation. „Wenn du Prozesse und Technologien einmal entwickelt hast, kannst du sie für 50 oder für 1.000 Leute nutzen. Der Trend geht entweder zu größeren Einheiten – oder zu Netzwerken, die gemeinsam Lösungen entwickeln.“

khbt setzt auf eigene Stärke und Kooperationen und hat früh reagiert: Zunächst mit ISO-Zertifizierung und festen Prozessen als Grundlage für Automatisierung, dann mit dem Aufbau eines internen IT-Teams. „Wir wollten nicht abhängig sein von externen Entwicklern, sondern selbst Lösungen programmieren können – vor allem im Microsoft-Umfeld.“ Das sei notwendig, weil den meisten Kanzleien schlicht das Knowhow fehle, IT-Projekte zu definieren und zu steuern. „Wenn du ein Projekt rausgibst, aber nicht verstehst, wie man es führt, hast du ein ungutes Gefühl“ – und oft kein gutes Ergebnis.

Fazit

Was Heyes antreibt, ist der Gedanke, dass Steuerberatung mehr ist als Verwaltung. „Viele Berater fremdeln mit Unternehmertum. Aber wie will man Unternehmen beraten, wenn man selbst keins führt?“ Der Schlüssel liegt für ihn in der Gestaltung statt Reaktion: „Aus meiner unternehmerischen Brille ist eine der wesentlichen Aufgaben, dafür vorbereitet zu sein, dass wir dann nicht vom Markt verschwinden, weil wir keine Antworten haben, sondern dass wir selber weiterhin gestalten können.“

Podcast Steuerberatung innovativ

Der Podcast für Steuerberater:innen: Steuerberatung innovativ

Strategieberater Ulf Hausmann spricht mit Steuerprofis über zukunftsweisende Kanzleiführung. Erfahren Sie, welche Innovationen die Branche verändern und welche Strategien zum Erfolg führen.

Weitere Beiträge

Ulf Hausmann, MBA, ist geschäftsführender Gesellschafter der Kanzleipakt GmbH, einer Entwicklungsgemeinschaft mittelgroßer Steuerkanzleien, die als Inkubator für Automatisierung und KI in der Steuerberatung wirkt. Er begleitet Kanzleien bei der strategischen Neuausrichtung und unterstützt sie beim gezielten Einsatz von Künstlicher Intelligenz in Kanzleiprozessen. Er ist Mitglied im KI-Ausschuss der Steuerberaterkammer Niedersachsen und Mitbegründer der Tax KI Community.

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