Digitale Transformation

Von Ulf Hausmann

Digitalisierung verändert grundlegend, nach welchen Regeln unsere Wirtschaft funktioniert. Datenkapitalismus und Plattform Economy lösen die Dienstleistungs- und Industriegesellschaft ab. Welche Konsequenzen andere Branchen und Unternehmen und eben auch die Steuerberatung erfahren werden, wird sich noch zeigen.
Die Richtung ist klar – viele Details lassen sich aber erst auf dem Weg in die „digitale Kanzlei der Zukunft“ erkennen und anpacken.

Wer sich nicht bewegt, bleibt in der Vergangenheit stecken. Wann dies finanziell negative Konsequenzen hat, wird aktuell von der Unterkapazität am Markt verdeckt – da weiterhin hohe und teilweise sogar überhöhte Preise von Mandantinnen und Mandanten mangels Alternativen am Markt aktuell akzeptiert werden (müssen). Positiv für Steuerkanzleien – denn die aktuell gute Nachfrage schafft etwas mehr Zeit für nötige Veränderungen. Aber nur so lange, wie es die Alternativen am Markt nicht gibt, unabhängig davon, ob diese aus der Branche oder von branchenfremden Anbietern oder sogar von den Finanzverwaltungen kommen.

Jetzt strategische Weichen stellen

Eins ist klar: Wer jetzt strategisch handelt und die Weichen mit Weitblick für die Zukunft stellt, wird am Ende der digitalen Transformation unserer Wirtschaft besser dastehen als diejenigen, die die aktive Auseinandersetzung damit aus vermeintlich wichtigen Gründen verdrängen.

Ein weit verbreiteter Irrtum in vielen Unternehmen ist es, dass die digitale Transformation als IT-Thema verstanden wird. Richtig ist aber, dass auf Basis IT-technischer Möglichkeiten und Entwicklungen wie Big Data und Nutzung Künstlicher Intelligenz (KI) Wertschöpfungsprozesse grundlegend verändert werden. Somit müssen alle Unternehmen – auch Steuerkanzleien – ihre bisherigen Geschäftsmodelle hinterfragen, auf Anpassungen prüfen und womöglich neue entwickeln.

Viel wichtiger als die technischen Aspekte ist dabei die permanente Auseinandersetzung mit den Fragen:

  • Welche Möglichkeiten haben wir künftig, attraktive Partner für unsere Mandantinnen und Mandanten zu bleiben?
  • Wie können wir den Nutzen unserer Dienstleistungen für unsere Kunden ständig steigern?

Vor allem geht es darum, in Hinsicht auf die Kunden- und Nutzenorientierung die Fitness der Kanzlei zu stärken und zu entwickeln. Denn die Fähigkeit, die Attraktivität der Kanzlei als professioneller Dienstleister zu steigern, wird künftig wohl häufiger als bisher – wenn nicht sogar permanent – gebraucht, um „auf der Welle zu reiten“ und nicht Getriebener von extern gesteuerten Entwicklungen zu sein.

Die Leitplanken der Entwicklung für Steuerkanzleien sind klar

Trotz aller Unsicherheiten und der Diversität an Möglichkeiten der unternehmerischen Entwicklung von Steuerkanzleien sind bestimmte Eckpfeiler, die die digitale Transformation der Branche determinieren, mittlerweile sehr klar erkennbar.

Es zeichnen sich diese Kernaspekte ab:

  1. Brot- und Buttergeschäft zukünftig durch automatische(re) Steuererhebung bedroht

Das klassische Steuerberatungsgeschäft wird zunehmend durch Unterstützung von IT vereinfacht und beschleunigt. Bestimmte Zielgruppen können dann wegbrechen, wenn E- Governance-Lösungen (Tendenz zur automatischen Steuererhebung seitens der Finanzverwaltung) oder Wettbewerber einfachere, weitestgehend automatische Lösungen (z. B. vorausgefüllte Steuererklärung, USt-Voranmeldung per Mausklick über Bankdaten etc.) schaffen. Diese Entwicklungsrichtung ist absehbar, die Umsetzung allerdings zeitlich noch in relativer Ferne.

  1. Gewerbliche und große Anbieter erzeugen mehr Wettbewerb bei Finanz- und Lohnbuchhaltung

Rechnungswesen- und Lohnabrechnungsdienstleistungen werden schon jetzt von gewerblichen, industriell ausgerichteten Anbietern angegriffen. Was heute noch nicht in den BWAs der Steuerkanzleien zu sehen ist, wird für die Zukunft angenommen: Diese Dienstleistungen, sofern sie stark repetitiv sind, verlieren an Wert für Mandantinnen und Mandanten. Gewerbliche oder große Anbieter neigen eher dazu, die nötigen Investitionen in eine Infrastruktur zu tätigen, die stärker automatisiertes Arbeiten ermöglicht. Schon mit heutigen technischen Möglichkeiten ist weit mehr Automatisierung möglich, als selbst von gut digitalisierten Steuerkanzleien angewendet wird (bspw. RPA - Robotic Process Automation).

  1. Kompromissloser Fokus auf Kundennutzen und ausgeprägte Zielgruppenorientierung

Stärkere Zielgruppenorientierung, Bedienung individueller Mandantenbedürfnisse, Aufbau von Spezialwissen und ausgeprägter Expertise in verschiedenen Themen, eine stärkere Serviceorientierung und generell der Ausbau des Beratungsaspekts von Steuerberatung sind die strategische Reaktion, um die Dienstleistungen in der Kanzlei auch künftig werthaltig zu gestalten. Ein Ausbau dieser wird als Chance der Digitalisierung gesehen, denn persönliche Beratungsleistung ist für Kunden klar erlebbar.

  1. Fokussierung auf A- und B-Mandantinnen und -Mandanten

Weniger ist mehr – bzw. nur, wenn sich Kanzleien auf ihre wichtigsten Kundengruppen wirklich fokussieren, sind sie in der Lage, die in Punkt 3 genannte Qualitätsentwicklung zu erreichen. In der Praxis bedeutet das im Umkehrschluss, sich von Mandantengruppen der Kategorien C und D konsequent zu trennen; allein aus Kapazitätsgründen.

  1. Inhouse-IT-Kompetenz ist für jede Kanzlei unverzichtbar

IT-Kompetenz wird für die Kernleistungen von Steuerberatung immer wichtiger. Es stellt sich auch für mittlere und kleine Kanzleien die Frage, welche Möglichkeiten wahrgenommen werden, diese Kompetenz in die Kanzlei zu holen (ITler anstellen, Kooperationspartner enger einbinden etc.). Steuerberatung ist zum Teil IT-Business geworden.

  1. Der Weg zur Vollautomatisierung wird gegangen

Es klingt noch wie Zukunftsmusik, aber die Großen und die Innovativen in der Branche arbeiten schon sehr konkret daran, möglichst viele Einzelprozesse vollständig zu automatisieren. Das ist viel Detailarbeit und erfordert erhebliche Investitionen in die laufende Infrastruktur über längere Zeit. Welche Lösungen auch für kleine Kanzleien leistbar sind, wird derzeit erprobt, beispielsweise für die automatische Übermittlung der Auswertungsdaten an Mandanten aus der monatlichen Finanzbuchhaltung.
Beobachtbar ist, dass die größeren Player in der Branche bereits massiv in Innovation investiert haben, während kleine Kanzleien auf externe Lösungen vom Kanzleisoftwareanbieter angewiesen sind. Letztere Abhängigkeit sollte grundlegend überdacht werden, will man nicht von Neuerungen überrascht werden, die den eigenen Markt in Zukunft von anderer Seite angreifen werden. Hier spielen insbesondere innovative Kanzleien eine Rolle, die eigene IT-Lösungen (z. B. Online-Steuerberatungslösungen, Mandantenportale, eigenentwickelte CRM- und Beratungssystem etc.) auch anderen Kanzleien zur Verfügung stellen.

Digitalisierung in der Kanzlei praktisch heruntergebrochen

Wie lässt sich diese komplexe Gemengelage für die Kanzlei handhabbar machen? Für den Umgang mit Digitalisierungsthemen ist es sinnvoll, Digitalisierung in drei Ebenen zu differenzieren:

  1. Digitalisierung der Leistungsprozesse und Dienstleistungen
  2. Digitalisierung der internen Geschäftsprozesse
  3. Digitalisierung der Schnittstellen zum Markt (insbesondere Kunden- und Personalgewinnung)

In jeder der drei Ebenen lässt sich Digitalisierung unabhängig von den anderen beiden Ebenen betrachten. Angesichts der breiten Themenlage und der Aspekte, die man als Digitalisierung in der Kanzlei bezeichnen kann, ist es wichtig, hier von Anfang an eine klare und eindeutige Sprache in der Kanzlei zu verwenden. Folgende Tabelle zeigt die wesentlichen Punkte in den drei Ebenen der Digitalisierung ohne Anspruch auf Vollständigkeit:

Digitalisierung Steuerbranche

Da im Bereich digitaler Tools und Softwarelösungen für Kanzleien und Mandanten schon jetzt eine hohe Angebotsvielfalt herrscht und ständig neue Entwicklungen stattfinden, sollte jede Kanzlei ständig einen Abgleich mit den eigenen Prozessen und dem eigenen Leistungsangebot suchen, um diese weiterzuentwickeln.  Zur Recherche sind folgende Links hilfreich:

Wie Sie strategisch an die Digitalisierung Ihrer Kanzlei rangehen, lesen Sie auch in der Fachinfo-Broschüre
"Ihr Weg zur digitalen Steuerkanzlei"
Foto: Adobe Stock/© Olivier Le Moal

Ulf Hausmann, MBA ist Kanzleiberater und systemischer Coach. Er war zehn Jahre Marketingleiter von Ecovis und begleitet Kanzleien in Strategie, Führung und Marketing. Er ist Autor und Seminarleiter für unternehmerische Themen in Steuerkanzleien und Managementberater bei der trinfactory GmbH.

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