Der Beginn der Digitalisierung: Kleine Schritte mit großen Auswirkungen
Patrick Reisch berichtet, dass der Digitalisierungsprozess in seiner Kanzlei bereits um das Jahr 2010 begonnen hat. Der erste Schritt war der Umstieg auf elektronische Bankdatenabrufe. Bis 2012 war es gelungen, den Großteil der Mandant:innen auf papierlose Bankbelege umzustellen. „Das war der Anfang und der Beginn, dass man dort kein Papier mehr brauchte“, erinnert sich Reisch und beschreibt, wie dieser erste Schritt die Grundlage für die weitere Automatisierung legte.
Diese Entwicklung dauerte ungefähr zwei Jahre. „Bis auf eine Handvoll Mandant:innen konnten wir das komplett umstellen“, sagt Reisch weiter. Dies zeigt, wie wichtig es ist, schrittweise vorzugehen und sich bei der Digitalisierung zunächst auf spezifische Bereiche zu fokussieren, bevor man den gesamten Arbeitsprozess umstellt.
Herausforderungen im Umgang mit neuen Technologien
Ein zentrales Thema, das Patrick Reisch anspricht, ist die Umstellung der Kanzleimitarbeitenden auf digitale Prozesse. Die Einführung neuer Technologien wie Scannen, Buchen und Archivieren stieß nicht immer auf Begeisterung. Besonders ältere Mitarbeitende hatten Schwierigkeiten, sich von bewährten Arbeitsabläufen zu lösen. Reisch beschreibt den Widerstand im Team: „Sie hatten einen Ordner, haben den aufgeschlagen, gebucht und einen Stempel draufgeschrieben.“ Diese gewohnten Arbeitsweisen zu durchbrechen, war eine Herausforderung.
Durch gezielte Schulungen und den Einsatz neuer, technikaffiner Mitarbeitenden konnte das Team schließlich überzeugt werden. Hier liegt eine der größten Herausforderungen für Kanzleien: Die Notwendigkeit, alle Mitarbeitenden mitzunehmen und sie zu befähigen, mit den neuen Tools effizient zu arbeiten.
Automatisierung von Buchhaltungsprozessen
Ein weiteres spannendes Thema ist die Automatisierung von Buchhaltungsprozessen. Während die Kanzlei in den ersten Jahren noch mit Medienbrüchen zu kämpfen hatte – wie dem Einscannen und manuellem Verarbeiten von Belegen – hat sich dieser Bereich dank moderner Tools enorm weiterentwickelt. Heute ist es möglich, dass Mandant:innen ihre Belege digital einreichen, die dann direkt in das Kanzleiprogramm eingespielt und vorerfasst werden.
„Heute können wir Belege mandantenweise komplett digital erhalten, über E-Mail, über Portale – das funktioniert jetzt alles viel besser,“ erklärt Reisch und verweist auf die Fortschritte, die ab 2018 durch bessere OCR-Technologien und die Integration neuer Programme möglich wurden.
Interessant für Steuerberater:innen ist hierbei vor allem die Frage, wie viel Automatisierung in der eigenen Kanzlei möglich ist. Tools wie GetMyInvoices, die Belege direkt aus E-Mails in die Buchhaltung importieren, bieten ein großes Potenzial, um die tägliche Arbeit deutlich effizienter zu gestalten.
Die Rolle der Mandant:innen in der Digitalisierung
Ein häufig übersehener Aspekt bei der Digitalisierung in Steuerkanzleien ist die Rolle der Mandantschaft. Patrick Reisch betont, dass der Erfolg der digitalen Umstellung stark davon abhängt, wie gut die Mandant:innen eingebunden werden. Es ist nicht nur wichtig, intern auf neue Technologien zu setzen, sondern auch den Mandant:innen die Vorteile digitaler Prozesse klar zu kommunizieren.
„Es war am Anfang schwierig, den Mandanten beizubringen, wie sie ihre Prozesse umstellen sollen“, berichtet Reisch. Doch nach und nach erkannten sie den Vorteil, ihre Belege elektronisch einzureichen. „Wir haben ihnen gezeigt, dass sie ihre ganze Ordnerschrankwand nicht mehr brauchen – einfach einscannen und fertig“, so Reisch weiter. Diese Win-win-Situation führte schließlich dazu, dass 70 bis 80 Prozent der Mandantschaft den Umstieg auf digitale Prozesse vollzogen haben.
IT-Affinität und Innovationsbereitschaft der Geschäftsführung
Patrick Reisch beschreibt, wie wichtig es ist, dass die Geschäftsführung eine aktive Rolle im Digitalisierungsprozess übernimmt. „Wenn die Digitalisierung nicht von der Geschäftsleitung getrieben wird, kommt sie nicht voran“, sagt er und hebt hervor, dass es Aufgabe der Führungsebene sei, den Wandel zu initiieren und voranzutreiben. Er selbst sieht sich als Vorreiter in seiner Kanzlei und testet neue Technologien zunächst in einem eigens dafür eingerichteten Testmandat.
Dieser Ansatz ermöglicht es der Kanzlei, potenzielle Probleme frühzeitig zu erkennen und die neuen Tools erst dann flächendeckend einzusetzen, wenn sie sich als zuverlässig erwiesen haben.
Fortbildung und spezialisierte Ausbildung der Mitarbeitenden
Ein weiterer Erfolgsfaktor in Reischs Kanzlei ist die konsequente Weiterbildung der Mitarbeitenden. So wurden etwa zwölf Mitarbeitende zu Buchhaltroniker:innen ausgebildet. Diese Fortbildung hat ihnen ein tieferes Verständnis für die technischen Prozesse und Datenformate vermittelt, was sich wiederum positiv auf die tägliche Arbeit auswirkte. „Das Mindset hat man nicht von Anfang an, das muss man beibringen“, sagt Reisch dazu und erklärt, wie seine Mitarbeitenden jetzt in der Lage sind, mit komplexen Datenformaten umzugehen und Automatisierungsprozesse selbstständig zu implementieren.
Blick in die Zukunft: E-Rechnungen und weitere Automatisierung
Ein großes Zukunftsthema ist die Einführung der E-Rechnung ab dem 1.1.2025. Patrick Reisch erwartet hier einen weiteren großen Schub in der Automatisierung, da elektronische Rechnungen wesentlich einfacher verarbeitet werden können als Papierrechnungen. „Wenn die E-Rechnung kommt, wird sich unglaublich viel verändern. Das ist ein großer Schritt nach vorne, viel größer als das, was wir 2018 bis 2020 erlebt haben,“ erklärt er.
Das zeigt, dass die Digitalisierung in Steuerkanzleien kein einmaliges Projekt ist, sondern ein kontinuierlicher Prozess, der auch in den kommenden Jahren viele Chancen bietet.

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Ulf Hausmann ist Kanzleiberater und systemischer Organisationsberater und Coach. Er war zehn Jahre Marketingleiter von Ecovis und begleitet Kanzleien in Strategie, Führung und Organisationsentwicklung. Er ist Autor und Seminarleiter für unternehmerische Themen in Steuerkanzleien, Mitglied im KI-Ausschuss der Steuerberaterkammer Niedersachsen und Mitbegründer der Tax KI Community.
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