Die "neo Kanzlei" ist ein Zusammenschluss von sechs ehemals eigenständigen Kanzleien mit aktuell acht Standorten. Im Gespräch erläutert Eugen Müller, Teil der neo Kanzlei, warum er und seine Kolleg:innen diesen Weg eingeschlagen haben und wie durch Zentralisierung administrativer Tätigkeiten Fachkräfte entlastet werden und somit mehr Kapazitäten für hochwertige Beratung entsteht.
Außerdem gibt er konkrete Einblicke, wie KI schon heute in Steuerkanzleien effektiv eingesetzt wird und welche Herausforderungen dies für das fachliche Know-how der Mitarbeitenden mit sich bringt.

Zusammenschluss als strategischer Schritt

„Uns war es wichtig, uns zukunftssicher aufzustellen, nicht erst zu reagieren, wenn der Markt sich bereits geändert hat“, erklärt Eugen Müller im Gespräch. Ausgangspunkt war die Überzeugung, dass einzelne Kanzleien künftig immer größeren Herausforderungen gegenüberstehen würden. Aus diesem Grund entschied sich Müller für eine frühzeitige strategische Neuausrichtung.

Das Konzept der neo Kanzlei unterscheidet sich bewusst von klassischen Kanzleinetzwerken oder Gruppen: „Wir sind keine Gruppe, wir sind eine Kanzlei mit unterschiedlichen Standorten“, so Müller. Damit verfolgt die neo Kanzlei eine gemeinsame Vision mit klaren Standards und Prozessen. Müller ergänzt: „Ganz oder gar nicht, 100 Prozent oder Null.“

Effiziente Strukturen durch Shared Service Center

Ein wesentlicher Unterschied und großer Mehrwert liegt im Aufbau eines internen Shared Service Centers, das Verwaltungsaufgaben bündelt. Aufgaben wie Mandant:innen-Onboarding, Geldwäscheprüfung, Kanzleimarketing, Personalverwaltung, interne Buchhaltung und Controlling werden zentralisiert. Dies entlastet die fachlichen Teams deutlich, sodass sie sich auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren können. Müller betont: „Das bedeutet konkret, dass wir interne Tätigkeiten bündeln, damit sich die fachlichen Bereiche auf die Mandatsarbeit konzentrieren können.“

Fokus auf Beratung und Spezialisierung

Die neo Kanzlei verfolgt eine klare fachliche Positionierung in drei Bereichen: Steuerberatung, Wirtschaftsprüfung und Unternehmensberatung. Gerade die Unternehmensberatung geht dabei deutlich über die klassische betriebswirtschaftliche Beratung hinaus und umfasst etwa Themen wie strategische Beratung und Nachfolgeberatung. Dazu hat die Kanzlei Expert:innen von außen ins Team geholt. „Wir transformieren uns bewusst zu einem Beratungsunternehmen“, erläutert Müller. Wichtig ist ihm jedoch: „Wir wollen dabei das Compliance-Geschäft nicht reduzieren, sondern weiter optimieren und sogar ausbauen.“

Digitalisierung als gelebte Praxis

Schon vor dem Zusammenschluss hatte die ehemalige Kanzlei Müller Blumen jahrelang stark auf Digitalisierung gesetzt. Eugen Müller beschreibt die neo Kanzlei heute als nahezu vollständig digitalisiert: „Wir nutzen und leben alle digitalen Workflows, die möglich sind.“ Dadurch sei die Kanzlei bestens vorbereitet auf weitere technologische Entwicklungen und könne neue digitale Tools schnell integrieren.

Aktuell fokussiert sich die neo Kanzlei vor allem auf das Thema Automatisierung. „Wir prüfen intensiv, wo wir noch Schnittstellen anbinden können, um Daten direkt zu übernehmen und manuelle Schritte weiter zu reduzieren“, erklärt Müller. Dabei geht es etwa um automatisierte Stammdatenübernahmen beim Mandant:innen-Onboarding oder die Einbindung neuer Schnittstellen, beispielsweise für den direkten Datenaustausch mit dem Finanzamt.

Künstliche Intelligenz als nächster großer Schritt

Ein besonders spannendes Thema sieht Eugen Müller aktuell in der Künstlichen Intelligenz (KI). „Wir sind davon überzeugt, dass KI in naher Zukunft viele Bereiche stark verändern wird. Deshalb haben wir ein eigenes Team gegründet, das sich gezielt mit diesem Thema beschäftigt“, sagt Müller. Ziel sei es, alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter intensiv im Umgang mit KI-Tools zu schulen.

Müller gibt jedoch zu bedenken, dass der Einsatz von KI die fachlichen Anforderungen eher erhöht: „Die fachliche Kompetenz muss steigen, da ich die Ergebnisse der KI unbedingt kontrollieren und bewerten können muss. Wer glaubt, die KI könne eigenständig komplexe Steuerfragen beantworten, täuscht sich.“ Er verdeutlicht dies an einem konkreten Beispiel: „Schon die scheinbar einfache Frage, ob ein Immobilienverkauf steuerfrei ist, kann eine KI nur sinnvoll beantworten, wenn ihr sämtliche relevanten Details mitgeteilt werden.“

Veränderungsprozesse frühzeitig kommunizieren

Die Veränderungen durch Digitalisierung und KI erfordern laut Müller eine offene und frühzeitige Kommunikation mit dem Team. Durch regelmäßige „Brand Days“ informiert und schult die neo Kanzlei ihre Mitarbeitenden und reduziert Ängste und Unsicherheiten im Umgang mit neuen Technologien. „Unsere Mitarbeitenden haben in den letzten Jahren bereits erlebt, dass Digitalisierung ihre Arbeit nicht entwertet, sondern sie wertvoller macht und zusätzliche Möglichkeiten schafft“, erklärt Müller. Diese Erfahrung mache es leichter, weitere Veränderungen anzustoßen.

Zukunft aktiv gestalten

Die neo Kanzlei verfolgt bewusst eine langfristige Wachstumsstrategie. Dabei geht es nicht um schnelles, sondern um nachhaltiges Wachstum mit Partner:innen, die ähnliche Vorstellungen und Erfahrungen mit Digitalisierung mitbringen. Für Kanzleien, die über eine ähnliche Entwicklung nachdenken, hat Müller klare Empfehlungen: „Es muss auf menschlicher Ebene passen, die digitale Basis sollte vergleichbar sein und bestehende Führungskräfte müssen aktiv an Bord bleiben wollen.“

So positioniert sich die neo Kanzlei bereits heute als moderner, digitalisierter und zukunftssicherer Akteur im Steuerberatungsmarkt.

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Ulf Hausmann ist Kanzleiberater und systemischer Organisationsberater und Coach. Er war zehn Jahre Marketingleiter von Ecovis und begleitet Kanzleien in Strategie, Führung und Organisationsentwicklung. Er ist Autor und Seminarleiter für unternehmerische Themen in Steuerkanzleien, Mitglied im KI-Ausschuss der Steuerberaterkammer Niedersachsen und Mitbegründer der Tax KI Community.

Bild: Adobe Stock/Paniti

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