new work steuerkanzlei

Von Marloes Göke

Die Digitalisierung wird als der Treiber der massiven und immer schnelleren Veränderungen in unserer Arbeitswelt betrachtet. Daneben spielen auch die Globalisierung, der demographische Wandel und der steigende Wohlstand eine Rolle. All dies führte in relativ kurzer Zeit zur Umkehr des Arbeitsmarkts. Die potenziellen Teammitglieder bewerben sich nicht mehr bei der Kanzlei, sondern die Kanzlei bewirbt sich bei den potenziellen Teammitgliedern. Dies wird vielfach als Kulturschock erlebt. Viele Kanzleiinhaber:innen fühlen sich diesem Wandel zunehmend hilflos ausgeliefert und sind mit all den Anforderungen, die an sie gestellt werden, überfordert. Der Vorteil des Wandels wird dabei oft übersehen.

Damit die Veränderungen der Arbeitswelt nicht ausschließlich zu Lasten der Kanzleien gehen, ist es wichtig, New Work in der Kanzlei aktiv zu gestalten. Lesen Sie im Folgenden, wie das gelingen kann.

Was bedeutet New Work?

Unter New Work werden heute völlig neue Formen und Möglichkeiten der Arbeitsführung verstanden, die durch den Strukturwandel nötig und durch die Digitalisierung, Globalisierung und Entwicklung der Künstlichen Intelligenz möglich werden.

Will man es genauer wissen, stößt man von Ideen zu einer radikalen Transformation ohne Hierarchien und Führungskräfte, über digitales Nomadentum bis zur 4-Tage-Woche auf alle möglichen und unmöglichen Überlegungen.

Von Arbeitgeber:innen wird das New Work-Konzept häufig skeptisch betrachtet. Neben der Frage, was New Work für das eigene Unternehmen bedeutet und wie es implementiert werden kann, bereitet unter anderem die Vorstellung, dass die Arbeitskraft nicht ständig zur verfügbar und sichtbar ist, Unbehagen.

Und hierin liegt ein großes Problem. Wenn das Konzept mit so großen Vorbehalten belegt ist, ist sein Scheitern bereits im Ansatz vorprogrammiert.

Es ist allerdings zu kurz gedacht, wenn das Verständnis von New Work agile Arbeitsmethoden, bunte Arbeitsplätze oder eine Homeoffice-Vereinbarung ist. Damit wird der New Work weder den Anforderungen der Kanzlei noch den Wünschen der nachfolgenden Generation gerecht.

Damit das Konzept für alle gewinnbringend ist, braucht es eine individuelle New Work Strategie für die eigene Kanzlei.

Wie können Sie New Work so gestalten, dass Sie und Ihre Kanzlei davon profitieren?

Wenn Sie New Work als den strukturellen Wandel in der Arbeitswelt definieren, der bedingt ist durch die Digitalisierung und die veränderten Anforderungen und Bedürfnisse der nachfolgenden Generationen, dann sollte New Work Ihr Konzept widerspiegeln und die Frage beantworten, wie Sie diesen Anforderungen ganz konkret begegnen wollen. Es geht darum, herauszufinden, was zu Ihnen, Ihrer Kanzlei und Ihrem Team passt.

Wie machen Sie das konkret? Einfach ausgedrückt: Stellen Sie Ihre Vorstellungen und Wünsche den Wünschen und Bedürfnissen Ihres Teams gegenüber und leiten Sie daraus Ideen für Ihre Struktur und Ihre Art der Zusammenarbeit ab.

Das Schöne an diesem Prozess: Sie können noch einmal ganz am Anfang beginnen und nach Ihrem Gusto gestalten. Dabei ist es wichtig, dass Sie zunächst lediglich Ihre Perspektive in den Mittelpunkt stellen. Dies hat zwei Vorteile. Zum einen gibt es Ihnen die Gelegenheit, eine innere Reise zu unternehmen und herauszufinden, was Ihr persönliches Idealbild Ihrer Kanzlei ist. Zum werden innere Widerstände und Blockaden erkannt, wenn Sie darauf achten, wovor Sie zurückschrecken.

Ein Beispiel: Die Frage, ob Homeoffice umgesetzt wird, ist viel zu unspezifisch. Eine bessere Frage wäre, wie Homeoffice so umgesetzt werden kann, dass es Ihren Service- und Dienstleistungsansprüchen gerecht wird. Selbstverständlich ist es dazu notwendig Ihre Service- und Dienstleistungsansprüche zu definieren. Und genau dort sollten Sie ansetzen.

Sorgen Sie für Klarheit und vermitteln Sie, was Ihnen wichtig ist!

Dabei helfen zum Beispiel folgende Leitfragen:

  • Wie möchten Sie, dass Ihre Kanzlei läuft?
  • Was ist Ihnen im Umgang mit den Mandant:innen wichtig?
  • Was ist Ihr Versprechen an Ihre Mandant:innen?
  • Was soll den Umgang untereinander im Team kennzeichnen?
  • Wie intensiv wollen Sie in das operative Geschäft eingebunden sein? Oder anders ausgedrückt: Wie lange soll Ihre Kanzlei selbstständig laufen, ohne Ihre physische Präsenz und ohne, dass Sie angerufen werden?
  • Wie soll der Kernprozess aussehen?
  • Was ist in Bezug auf Schnittstellen wichtig?
  • Wo können Schritte vereinfacht, digitalisiert oder automatisiert werden?
  • Wie sollen die interne Kommunikation und der Austausch aussehen?
  • Was ist Ihnen noch wichtig?

Es ist nicht notwendig, dies alles bis ins kleinste Detail auszuformulieren. Notieren Sie Stichworte und formen Sie daraus Ihr Kanzlei-Gerüst.

Kanzleiteam in den Prozess einbinden

Im nächsten Schritt vergleichen Sie Ihr Wunschbild mit der aktuellen Situation: Wo sind Lücken? Wo laufen Dinge schon sehr gut? Was soll unbedingt beibehalten werden? Was soll abgeschafft werden?

Anschließend binden Sie Ihr Team in den Prozess ein. Tauschen Sie sich dazu offen aus. Dies kann im Gesamtteam geschehen oder mit nur einigen Personen, die Lust daran haben, die Transformation mitzugestalten. Achten Sie auf einen guten Querschnitt.

Stellen Sie Ihr Ergebnis vor und regen Sie zur Diskussion an. Wie steht Ihr Team dazu? Fassen Sie anschließend alles zu einem Gesamtergebnis zusammen und leiten Sie daraus Maßnahmen ab, die ergriffen werden müssen, um dieses Ziel zu erreichen.

Wechseln Sie dann die Perspektive und erforschen Sie die Bedürfnisstruktur Ihres Teams.

Die Kernfrage dazu lautet: Was braucht das Team, um motiviert und eigenständig zu arbeiten, damit am Ende das Ergebnis erzielt wird, was Sie sich wünschen?

Ihre größte Herausforderung hierbei besteht darin, mit einer völlig offenen Haltung in den Austausch zu gehen. Versuchen Sie nicht zu werten und alles zunächst einmal lediglich aufzunehmen. Bemühen Sie sich darum, zu verstehen, warum Ihrem Team diese Dinge wichtig sind und stellen Sie viele Fragen.

Meiner Erfahrung nach werden Sie in dieser Phase den Austausch immer wieder aktiv anschieben und das Team ermutigen müssen, wirklich alles anzusprechen. Oft besteht eine Hürde, wirklich offen zu sagen, was sie stört, insbesondere an Ihrem Verhalten - unterschätzen Sie das nicht. Die Antworten sind allerdings sehr wertvoll. Es geht nicht darum, dass Sie allen Wünschen entsprechen sollen, sondern vielmehr darum, das gegenseitige Verständnis zu vergrößern.

Noch ein wichtiger Hinweis zu Ihrer Rolle:

New Work bedeutet auch New Leadership! Eine Kultur, die von Eigenständigkeit geprägt ist, braucht Vertrauen, gemeinsame Reflexion und Empathie. Ihre Aufgabe besteht darin, Ihr Team zur Eigenverantwortung zu befähigen und die jeweiligen Stärken zu identifizieren und zu fördern.

Exkurs: Digitale Tools zur Unterstützung von New Work?

Bei der Frage nach möglichen digitalen Tools zur Unterstützung von New Work ist das Spektrum sehr breit und abhängig vom erarbeiteten New Work Konzept. Die möglichen Tools erstrecken sich von klassischer Kanzlei-Software, über Kollaborationslösungen bis hin zu Tools, die die interne Kommunikation unterstützen und zum Beispiel eine Alternative zu E-Mails bieten.

Tipp:

Drehen Sie Ihre Fragen um. Fragen Sie nicht, was vorhanden ist, sondern was eine wirkliche Erleichterung bringen würde. Auch hier hilft die Frage: Wo sind aktuell Lücken und wie könnten diese geschlossen werden? Oft wird auf Standardlösungen zurückgegriffen, wenngleich sie nicht das bieten, was das Team wirklich brauchen würde und dann auch nur mäßig angenommen und genutzt werden. MS Teams ist dafür ein gutes Beispiel. Für viele Kanzleien ist das viel zu komplex.

Dann lohnt es sich, einen Blick auf die Alternativen zu werfen, wie Slack, Flock, Spike, Google Workspace, UNIKI oder Keybase Teams.

Fazit: Legen Sie fest, wie New Work in Ihrer Kanzlei am besten funktioniert!

Damit New Work nicht nur ein Modebegriff bleibt, sondern für alle Seiten zum Vorteil wird, ist es notwendig die Anforderungen der Kanzlei genau unter die Lupe zu nehmen und ein individuelles Konzept zu entwickeln. Die Herausforderungen dabei ist, offen zu bleiben und sich für den Prozess Zeit zu nehmen.

Es kann hilfreich und zeitsparend sein, den Prozess professionell begleiten zu lassen. Insbesondere auch, um die konsequente Umsetzung und Nachhaltigkeit zu gewährleisten.

Weitere Beiträge

Marloes Göke ist Unternehmensberaterin für Steuerkanzleien. Sie unterstützt die Inhaber dabei, sich stärker zu professionalisieren — mit dem Ziel, ihre Kanzlei effektiv zu steuern und ein erfolgreiches Zeit- & Selbstmanagement zu implementieren. Ihr Buch „Selbstständigkeit ohne Selbstaufgabe“ ist im Haufe Verlag erschienen. Göke schreibt als Gastautorin für Branchen- und Fachmagazine und hält als Keynote Speakerin regelmäßig Vorträge u. a. beim Deutschen Steuerberaterkongress oder dem tax4talents-festival. Nähere Informationen finden Sie unter: Unternehmerberatung Göke.

Bild: Adobe Stock/©tynyuk

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