Von Johannes Franz
Aufgrund der hohen Arbeitsbelastung und der Schwierigkeit, geeignete Mitarbeitende zu finden, haben viele Steuerkanzleien einen Aufnahmestopp für neue Mandantinnen und Mandanten verhängt. Doch unabhängig von den Auswirkungen solcher Aufnahmestopps auf die gesamte Branche und die betroffenen Unternehmen sollte sich jede Kanzlei fragen, ob dies wirklich der beste Weg ist, um mit der aktuellen Situation umzugehen.
Wäre es nicht stattdessen sinnvoll, den bestehenden Mandantenstamm zu analysieren?
- Welche Mandanten tragen in hohem Maße zum Umsatz und zum Deckungsbeitrag bei?
- Welche sind in ihrer Zusammenarbeit unkompliziert und passen zur Arbeitsweise der Kanzlei?
- Und von welchen Mandanten sollte man sich besser trennen, weil sie weder zur Kanzlei noch zu den verfügbaren Ressourcen passen?
Mandantinnen und Mandanten, die lautstark fordern, aber schlecht liefern und schlecht zahlen, belasten nicht nur die Geschäftsführung, sondern auch die Kanzleimitarbeitenden. Eine bewusste Trennung von solchen Mandanten schafft Freiraum und Kapazität, um mit denjenigen zu arbeiten, die wirklich zur Kanzlei passen – sei es aufgrund der Branche, des Arbeitsstils oder des persönlichen Umgangs.
Durch eine solche Neuausrichtung können Kanzleien die Qualität der Beratung für die passenden Mandantinnen und Mandanten steigern und gleichzeitig die Belastung für das Kanzleiteam reduzieren. Damit das Off- und Onboarding dieser Mandanten jedoch nicht zum zeit- und nervenaufreibenden Verfahren wird, bedarf es klar strukturierter und digitalisierter Abläufe, die die technischen Möglichkeiten ausschöpfen. Die Digitalisierung des Neumandatsprozesses steht dabei im Fokus: Sind alle Daten vollständig erfasst und wissen die Mitarbeitenden, was zu tun ist, kann die Leistungserstellung ohne Rückfragen beginnen, was Zeit spart und die Beratung verbessert.
Worst Case in der Mandatsannahme
In einem unstrukturierten Neumandatsprozess gibt es viele ineffiziente Schritte, die zu unnötigen Verzögerungen führen. Der Ablauf beginnt häufig mit einem Anruf eines potenziellen Mandanten, der im schlechtesten Fall ohne Vorqualifizierung direkt an die geschäftsführenden Steuerberater und Steuerberaterinnen weitergeleitet wird. Diese werden dabei aus ihrer eigenen Arbeit gerissen und müssen zunächst erfragen, mit wem sie es überhaupt zu tun haben. Der oftmals schnell gewählte Ausweg lautet: „Schicken Sie uns mal die letzte Erklärung oder den letzten Jahresabschluss zu, und dann sprechen wir nochmal.“ Der Interessent sendet anschließend einige Informationen, jedoch fehlt eine systematische Erfassung der Daten. Der Steuerberater oder die Steuerberaterin durchforstet die Dokumente und kontaktiert danach den Interessenten per Telefon oder vereinbart eine Besprechung. Dabei sind immer noch mündliche Vereinbarungen und Absprachen weit verbreitet, die selten adäquat dokumentiert, geschweige denn in ein standardisiertes Angebot überführt werden – Rückfragen und Beschwerden bei den ersten Rechnungen mit Sonderleistungen sind vorprogrammiert.
Die Mandatsanlage in der Kanzleisoftware muss dann auf Zuruf mit den vorliegenden Informationen recht rudimentär durchgeführt werden. Dadurch fehlen häufig Daten, die für Vollmachten, Geldwäscheprüfung oder die Leistungserstellung benötigt werden. Diese müssen dann nach und nach – zu Beginn durch das Sekretariat, später während der Leistungserstellung durch den Sachbearbeiter – beim Mandanten angefragt und nachgetragen werden. Letztere stehen dabei häufig vor einem Informationsdefizit, da für ihre Arbeit wichtige Fragen nicht gestellt wurden:
- Wie ist die Zusammenarbeit geregelt?
- Wann soll mit der Leistungserstellung begonnen werden?
- Welche Vorsysteme werden beim Mandanten eingesetzt?
- Wer war der vorige Steuerberater oder die vorige Steuerberaterin?
- Wie erhält man die Daten?
Solche ineffizienten Abläufe kosten wertvolle Zeit und erhöhen die Belastung für das gesamte Team. Dabei ist der Neumandatsprozess ideal dafür geeignet, die Zusammenarbeit mit dem Mandanten von Anfang an klar und strukturiert aufzusetzen, sodass weniger Zeit für Verwaltung und mehr für wertvolle Leistungserbringung aufgewendet werden kann.
Die Phasen der Mandatsannahme im Detail
Ein Blick auf die einzelnen Phasen des Neumandatsprozesses kann dabei helfen, Optimierungspotenziale ausfindig zu machen.
Phase 1: Anfrage und Qualifizierung
Die erste Anfrage der Interessenten erfolgt meist über verschiedene Kanäle – sei es telefonisch, per E-Mail oder über das Kontaktformular der Website. Problematisch ist hierbei oft die unsystematische Erfassung der Anfragen. Ohne klare Standards gehen wichtige Informationen verloren oder werden unvollständig erfasst. Das führt dazu, dass potenziell unpassende Mandantinnen und Mandanten viel Zeit in Anspruch nehmen. Die strukturierte Erfassung der Kontaktdaten sowie die Festlegung von Kriterien zur Qualifizierung als Zielmandant sind entscheidend. Kanzleien müssen sich dabei im Klaren darüber werden, mit wem sie zusammenarbeiten wollen und wie sie das möglichst früh im Prozess erfragen können:
- Gibt es bestimmte Branchen, mit denen man gute Erfahrungen gemacht hat oder spezielles Wissen in der Kanzlei vorhanden ist?
- Gibt es Mitarbeiter- oder Umsatzgrößen, die bei Unternehmen entscheidend sind?
- Ist Regionalität von Bedeutung?
- Ist das zu versteuernde Einkommen entscheidend? Spielt zusätzlicher Immobilienbesitz eine Rolle?
- Wie soll mit Empfehlungen bestehender Mandanten umgegangen werden, die ggf. nicht den eigentlichen Kriterien entsprechen?
An dieser Stelle helfen klare Standards dabei, dass fachfremde Mitarbeitende, etwa im Sekretariat, einfach und schnell eine Entscheidung treffen können: freundliche Absage, ggf. mit Verweis auf den Lohnsteuerhilfeverein, oder Terminvereinbarung zur Besprechung des Anliegens mit einem Berater.
Wichtig ist, dass die benötigten Informationen vollständig abgefragt werden. Einige Kanzleien integrieren den Neumandatsprozess direkt auf ihrer Website, um Informationen systematisch abzufragen. Interessenten, die per Telefon oder E-Mail anfragen, werden auf diese Unterseite verwiesen, um eine konsistente Datenerfassung zu gewährleisten. Durch den Einsatz von CRM-Systemen oder der Website kann die Software eine automatische Disqualifizierung oder Qualifizierung potenzieller Kundinnen und Kunden vornehmen.
Weniger Implementierungsaufwand für DATEV-Kanzleien: Die DATEV hat in ihrem Portal SmartExperts ein Formular hinterlegt, das Steuerkanzleien auf ihrer Website integrieren können. Füllt ein Mandant diese Daten aus, werden die Informationen in die DATEV Interessentenverwaltung übernommen und können dort von der Kanzlei weiterbearbeitet werden. Eine automatisierte Qualifizierung erfolgt dabei aber nicht und muss im Nachgang von der Kanzlei vorgenommen werden.
Phase 2: Besprechung und Entscheidungsfindung
Hat man in einem ersten Schritt bereits einige der Anfragen abgelehnt, spricht der Berater oder die Beraterin anschließend nur mit den potenziellen Neumandanten, die für die Kanzlei interessant sind. In einer Besprechung können dann einerseits das Anliegen, Regeln der Zusammenarbeit sowie Honorare und Preise detailliert besprochen werden. Andererseits können weiche Faktoren, wie der Typ Mensch, im direkten Gespräch herausgefunden werden und in die Entscheidung mit einfließen.
Für die Terminvereinbarung eignen sich Online-Tools wie Microsoft Bookings oder Calendly, die direkt im Prozess auf der Website integriert sind oder durch das Sekretariat einfach per Link zugesendet werden können. Sollen vor der Besprechung weitere Daten und Dokumente angefordert werden, eignet sich für DATEV-Kanzleien das DATEV Onboarding: Eine Funktion der DATEV Interessentenverwaltung, bei der Interessenten sich einmalig registrieren und von der Kanzlei angeforderte Daten eingeben oder Dokumente hochladen können. Wenn die Besprechung zusätzlich online via Microsoft Teams oder Zoom stattfindet, schont das Ressourcen vor Ort in der Kanzlei.
Für eine automatisierte Dokumentation von Online-Besprechungen können KI-Lösungen wie Microsoft Copilot in Teams oder eigenständige Software wie tl;dv genutzt werden. Dadurch können Transkripte, Zusammenfassungen und To-dos automatisch erstellt werden, was handschriftliche Zusammenfassungen überflüssig macht. Dabei muss jedoch vorab sichergestellt werden, dass die Nutzung solcher Tools datenschutzkonform erfolgt, um die Vertraulichkeit der Mandantengespräche zu gewährleisten.
Zudem sollten Checklisten und Leitfäden im Erstgespräch eingesetzt werden, damit alle relevanten Punkte besprochen werden, die für die weiteren Aufgaben zur Angebotserstellung, Mandatsanlage sowie bei Bedarf der Anbindung von Vorsystemen und der Übernahme von Daten der Vorberater benötigt werden.
Phase 3: Angebotserstellung
Nach der Besprechung, wenn sowohl der Interessent als auch die Kanzlei der Meinung sind, dass eine Zusammenarbeit sinnvoll ist, sollte dies in einem schriftlichen Angebot festgehalten werden. Häufig geschieht dies in Kanzleien noch manuell mit Word-Vorlagen, was fehleranfällig und zeitaufwendig ist. Die standardisierte Angebotserstellung mithilfe von Softwarelösungen kann diesen Prozess deutlich vereinfachen.
DATEV bietet hierzu den Angebotsassistenten an, mit dem eine Kalkulation direkt in der Interessentenverwaltung vorgenommen werden kann. Darüber hinaus gibt es Plattformen wie Neumandate.de oder den KanzleiPilot, die sich auf die Honorarberechnung und Angebotserstellung spezialisiert haben. KanzleiFlow ist eine weitere Software, die den gesamten Neumandatsprozess abbildet und ebenfalls Module zur Erstellung von Angeboten anbietet.
Bei der Auswahl solcher Anbieter sollte darauf geachtet werden, dass eine Konsistenz des Prozesses erreicht wird. Daten, die in der ersten Phase erhoben wurden, sollten idealerweise ohne Medienbrüche und manuelles Eingreifen in die Software zur Angebotserstellung übernommen werden. Anbieter wie DATEV oder KanzleiFlow, die den gesamten Neumandatsprozess abbilden, bieten hier Vorteile, da der Datenfluss in der Regel gewährleistet ist und keine individuellen Schnittstellen oder andere Helfer wie Robot Process Automation (RPA) implementiert werden müssen.
Phase 4: Mandatsanlage
Diese Konsistenz bei der Nutzung verschiedener Softwareanbieter im Prozess ist enorm wichtig. Gerade bei der Mandatsanlage spielt sie eine große Rolle. Eine automatisierte Datenübernahme in die Kanzleisoftware sorgt für eine fehlerfreie Anlage des Mandats und reduziert den administrativen Aufwand erheblich.
DATEV bietet hierfür eine Lösung, bei der die Mandatsanlage per Knopfdruck über eine Schnittstelle aus der Interessentenverwaltung in die zentralen Stammdaten funktioniert. Der Anbieter von Kollaborationssoftware für die Steuerbranche, KanzleiDrive, und die zuvor genannte Lösung KanzleiFlow arbeiten ebenfalls mit Schnittstellen zur Anlage von Mandaten direkt in die zentralen Stammdaten der DATEV-Kanzleien.
Nicht alle auf die Steuerbranche spezialisierten Anbieter von CRM- oder Kollaborationssoftware nutzen diese Möglichkeiten. Manuelles Übertragen von Daten oder die kostenintensive Implementierung von individuellen Schnittstellen sind dann notwendig.
In der Praxis wird hier leider viel Zeit verschenkt, indem auf Zuruf mit unvollständigen Daten gearbeitet wird. Die Anlage der Mandaten folgt dann keinen Standards, und nur die notwendigsten Informationen sind vorhanden. Spätere Schritte in der Leistungserstellung benötigen dann länger, da Daten bei der Mandantschaft nachgefragt und in den zentralen Stammdaten vervollständigt werden müssen. Im schlechtesten Fall trägt ein Kanzleimitarbeiter diese Informationen nur im Leistungsprogramm ein und schreibt sie nicht in die zentralen Stammdaten zurück, wodurch das Ganze im nächsten Jahr wieder angefragt werden muss.
Phase 5: Datenübernahme und Anbindung von Vorsystemen
Die letzte und besonders wichtige Phase umfasst die Datenübernahme von der zuvor beratenden Kanzlei sowie die digitale Anbindung der vom Mandanten genutzten Vorsysteme in FiBu und Lohn per Schnittstellen in die Kanzleisoftware bzw. die Implementierung von geeigneten Vorsystemen. Hier entscheidet sich, wie digital und automatisiert die Kanzlei mit ihrem neuen Mandanten arbeiten wird. Wird erst einmal der Pendelordner angefragt, ist eine spätere Umstellung wesentlich mühsamer. Die detaillierte Beschreibung dieser Phase muss in einem separaten Artikel ausführlich beschrieben werden. Sie muss aber zwingend schon zu Beginn mitgedacht und besprochen werden, da hier ein Schlüssel zu enormer Produktivität in der Leistungserstellung in Lohn und FiBu steckt.
Fazit: Grundstein für eine erfolgreiche Zusammenarbeit
Unabhängig von den eingesetzten Tools sollte der Neumandatsprozess strukturiert und von allen diszipliniert gelebt werden. „Schnell, schnell“ in der Mandatsanbahnung zieht sich bis weit in die Leistungserbringung und kostet immer wieder wertvolle Zeit. Zudem können die Tätigkeiten im Prozess selbst durch digitale Helfer erheblich vereinfacht und manuelles Eingreifen reduziert werden. Um das volle Potenzial auszuschöpfen, ist auf einen medienbruchfreien, konsistenten und vollständigen Informationsfluss zu achten. Denn dann steht die Zusammenarbeit mit neuen und zur Kanzlei passenden Mandantinnen und Mandanten von Anfang an auf einem festen Fundament.
Fünf Prozesse, die jede Steuerkanzlei digitalisieren sollte
Die neue Spezialausgabe des Tax Tech-Magazins stellt fünf Prozesse vor, die durch digitale Lösungen nachhaltig optimiert werden können – vom Neumandatsprozess über die Belegverarbeitung bis hin zur digitalen Mandantenkommunikation.
Johannes Franz unterstützt Steuerkanzleien dabei, ihre Produktivität durch gezielte Digitalisierung und Automatisierung zu steigern – und damit zukunftssicher aufzustellen. Nach dem Studium der Organisationsentwicklung arbeitete er als Junior-Berater mit dem Schwerpunkt Reorganisation von Steuerkanzleien. Anschließend war er als Leiter IT & Digitalisierung bei der mittelständischen Steuerberatungsgesellschaft Acconsis tätig. Mit seiner Dienstleistung Chief Digital Officer as a Service (CDOaaS) hilft er Steuerberater:innen, die ihre Kanzlei digitalisieren wollen, im Kanzleialltag aber keine Zeit dazu finden.
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