E-Rechnung Finanzbuchführung

Von Johannes Franz

Im ersten Teil der Serie ging es um Grundlegendes zur E-Rechnungspflicht und deren Umsetzung in der eigenen Kanzlei: Worauf ist bei der Erstellung der E-Rechnung im Ausgangsprozess zu achten und was muss bei dem Erhalt und der automatisierten Verarbeitung berücksichtigt werden?

In diesem zweiten Teil der Serie zur E-Rechnungspflicht legen wir den Fokus auf die E-Rechnung auf Mandantenseite – als Produktivitätshebel in der Finanzbuchhaltung und als Ausgangspunkt für eine proaktive Beratung der Mandant:innen.

Vorab eine kurze Erinnerung, wie die E-Rechnung in der Neufassung des §14 UStG definiert wird: „Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und eine elektronische Verarbeitung ermöglicht.“.[1] Papier-, PDF-Rechnungen sowie alle vom Standard abweichenden Formate sind „sonstige Rechnungen“ und damit nicht mehr umsatzsteuerlich relevant (vgl. ebd.). Daraus ergeben sich zwei wesentliche Veränderungen für die Arbeit in Kanzleien:

  1. Es müssen keine Daten mehr von einem Papierbeleg manuell in ein System eingegeben werden.
  2. Hard- oder Software mit Optical Character Recognition (OCR-Erkennung) zum Auslesen von PDF-Belegen wird nicht mehr benötigt.

Diese zwei Punkte können Kapazitäten freisetzen sowie Kosten reduzieren! Es sei aber schon mal vorweggenommen: Pendelordner und Scanner sterben nicht ganz. Die E-Rechnungspflicht bezieht sich auf Business-to-Business-Unternehmen (B2B). Die Business-to-Customer-Unternehmen (B2C) sind davon zumindest in Deutschland erstmal nicht betroffen und können bei Ausgangsrechnungen weiter in Papierform erstellen.

Die Idealvorstellung bei Anbindung der Mandant:innen an die Kanzleisysteme

Stellen Sie sich Folgendes vor: Sie haben ein tolles Erstgespräch mit der Geschäftsführerin eines interessanten kleinen Unternehmens. Sie will die monatliche Buchhaltung und Lohnabrechnung, Steuern und Jahresabschluss durch Ihre Kanzlei erstellen lassen. Das Honorar wurde mündlich bereits besprochen und akzeptiert. Sie haben die Erstellung der Vergütungsvereinbarung aufgenommen, die Sie im Anschluss an das Sekretariat delegieren. Als letzter Punkt auf Ihrer Checkliste steht das digitale Mandanten-Onboarding. Die Geschäftsführerin kommt Ihnen jedoch zuvor und fragt, wann ihr Mitarbeiter das erste Mal den Pendelordner vorbeibringen soll. Sie entgegnen: „Wir arbeiten in unserer Kanzlei nicht mehr mit dem Pendelordner. Es gibt hier sehr gute digitale Lösungen. Das spart Ihnen Geld und uns Zeit. In unserem digitalen Onboarding für Neumandate wird einer unserer Schnittstellenmanager:innen mit Ihnen oder Ihren Mitarbeitenden Ihre Vorsysteme, sprich Ihre Software, besprechen und gemeinsam geeignete Lösungen zur Übertragung der Daten implementieren. Ich gebe Ihren Kontakt weiter und einer unserer Mitarbeitenden wird sich bei Ihnen melden.“ Sie stehen auf und reichen der Geschäftsführerin die Hand. Diese ist gleichermaßen verdutzt und neugierig, steht ebenfalls auf und schlägt ein – klingt das für Sie nach Fiktion?

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Aufholjagd bei der Digitalisierung der Mandate

Es gibt schon lange Kanzleien, die standardisierte oder individuelle Schnittstellen nutzen, um Vorsysteme wie Warenwirtschaft, Zeiterfassung, Kasse etc. der Mandantschaft an die Kanzleisoftware anzubinden. Sie implementieren Software zur vorbereitenden Buchhaltung, um Kreditorenrechnungen digital zu erhalten oder unterstützen den Umstieg der Rechnungsschreibung mit Word und Excel zu entsprechender Software. Den Kontoauszugsmanager der DATEV gibt es nun ebenfalls schon mehr als zehn Jahre. FiBu- und Buchhaltroniker, Schnittstellenmanager oder Digitalisierungsberater:innen trifft man nicht mehr nur in großen Kanzleien. Warum ist das an dieser Stelle wichtig? Diese Kanzleien erhalten keine großen Produktivitätssteigerungen durch die E-Rechnung. Sie bekommen und verarbeiten die Daten der Geschäftsvorfälle bereits größtenteils digital und automatisiert. Sie können die E-Rechnung höchstens als Anlass zur proaktiven Beratung nutzen, falls sie dies nicht bereits tun.

Der enorme Nutzen der E-Rechnung ergibt sich bei den Papierbuchhaltungen, die durch unzählige manuelle Übertragungen durch Fachpersonal in die Kanzleisoftware gekennzeichnet sind. Diese Arbeiten können wegfallen. So kann die E-Rechnung als Digitalisierungsboost dienen, um in diesem Bereich aufzuholen. Daher sollten sich Kanzleien als Erstes fragen, wo sie bei der digitalen Anbindung ihrer Mandant:innen stehen: 100 Prozent Papier oder 20 Prozent „DATEV Unternehmen Online“-Buchhaltungen? 95 Prozent digitale Bestandsmandate und digitales Onboarding? Die Bandbreite ist groß. Je nachdem, wo eine Kanzlei steht, ergibt sich ein kleinerer oder größerer Handlungsspielraum durch die E-Rechnung. Je mehr Papier, desto mehr Potenzial für Produktivitätsgewinne! Der Abstand zu den sogenannten First-Mover- und Early-Adopter-Kanzleien kann verringert und Mitarbeitende entlastet werden.

Entsprechende Mandate identifizieren

Zu Beginn lohnt es sich, seine Buchhaltungsmandate in Form einer Liste genauer zu betrachten, um einen Plan zu benötigten Kapazitäten, Zeitpunkt der Umstellung und Kompetenzaufbau zu entwickeln. Das Ziel: 100 Prozent digital angebundene FiBu-Mandate. Utopisch? Zu Beginn ja! Aber nur so kann man ein vollständiges Bild entwickeln, es auf mehrere Jahre verteilen und beherrschbar machen. Unternehmerische Entscheidungen zum Einstieg ins das Geschäftsfeld oder zu benötigten Kooperationen können dann strategisch getroffen werden.

  1. Als Erstes sollten die digital angebunden Mandant:innen in der Liste gekennzeichnet werden, falls es welche gibt. Da man die Daten hier bereits digital erhält, können diese Mandate zunächst außen vor bleiben.
  2. Übrig bleiben die Papier- und PDF-Mandant:innen. Letztere senden Belege mehr oder weniger strukturiert per E-Mail oder Cloudlösungen an die Kanzlei. Papier- sowie PDF-Mandant:innen sollten ebenfalls jeweils gekennzeichnet werden.
  3. Zur weiteren Kategorisierung sollten in Anlehnung an die diskutierte Übergangsfrist bis zum 01.01.2026 Angaben zum Umsatz erfasst werden (z. B. „Vorjahresumsatz > 800.000 EUR“ o. Ä.). Hierdurch entsteht auch eine erste zeitliche Priorisierung.
  4. Da steuerfreie Lieferungen und Leistungen, Kleinbetragsrechnungen unter 250 Euro und Fahrausweise von der E-Rechnungspflicht ausgenommen sind,[2] sollten auch diese gekennzeichnet werden, sofern dies auf Mandant:innen der Kanzlei zutrifft.
  5. Als Letztes fügt man eine Spalte zur Schätzung benötigter Kapazitäten für die Anbindung der Mandate ein.

Anhand dieser Liste können nun die umzustellenden FiBu-Mandate ausgelesen werden.

Benötigte Kapazitäten abschätzen

Im nächsten Schritt benötigen wir eine grobe Kapazitätsabschätzung der Papier- und PDF-Mandant:innen. Wie lange dauert die Anbindung der Mandanten-Vorsysteme im Schnitt? Hier kann auf Erfahrungswerte zurückgegriffen werden. Da Vorsysteme von Mandant:in zu Mandant:in und Kanzlei zu Kanzlei unterschiedlich sind, können die Maßnahmen von der Implementierung von DATEV Unternehmen Online mit vier bis fünf Stunden bis hin zur Anbindung von diversen Vorsystemen über Schnittstellen mit weit über 15 Stunden reichen. Hier muss je nach Kanzlei und Mandantschaft ein praktikabler Mittelwert für die Grobplanung herangezogen werden. Summiert man diesen Durchschnittswert über die umzustellenden Mandant:innen erhält man den Gesamtaufwand zur digitalen Anbindung der Vorsysteme. Dazu ein Beispiel:

Anzahl FiBu-Mandate zur digitalen Anbindung               150

Durchschnittliche Zeit pro Mandat in Stunden                 7,5

Summe aller Mandate in Stunden                                  1.125

Die so entstehenden Summen mögen je nach Kanzleigröße und Anzahl der Mandate ernüchternd und erschreckend wirken. Bringt man die zeitliche Komponente an dieser Stelle ein, wird es greifbarer: Ab dem 01.01.2024 bis zum 01.01.2027 verbleiben 36 Monate, um die 1.125 Stunden (Std.) umzusetzen. Das sind 31,25 Std. pro Monat und grob 8 Std. pro Woche. Diese 1.125 Std. können auch als Digitalisierungsberatung abgerechnet werden: 1.125 Std. x 100 EUR pro Std. = 112.500 EUR potenzieller Umsatz, der erwirtschaftet werden kann. Dies zeigt einen wichtigen Punkt auf, der für strategische Entscheidungen der Kanzleileitung relevant ist: Umsätze der klassischen Finanzbuchhaltung werden sich durch fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung teilweise in die Anbindung der Vorsysteme verschieben!

 

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Strategische Entscheidungen treffen

Die Entscheidung zur digitalen Mandantenanbindung und zum Erhalt von E-Rechnungen ist also im großen Kontext der Transformationen des Geschäftsfeldes zu sehen. Kanzleien, die auch zukünftig Dienstleistungen rund um die Finanzbuchhaltung anbieten wollen, sollten diese Entwicklung besser früher als später initiieren. Mit der E-Rechnung bietet sich zudem der ideale Moment, da die Überzeugungsarbeit bei Mandant:innen aufgrund der gesetzlichen Pflichten so gering wie nie sein wird. Wenn Kanzleien sich jetzt dazu entschließen, die Anbindung der Vorsysteme ihrer Mandant:innen anzugehen, müssen weitere grundlegende Entscheidungen getroffen werden:

  • Wie viele Stunden pro Woche kann und soll in das Thema investiert werden?
  • Welche Mitarbeitende wollen und können in dieses Tätigkeitsfeld hineinwachsen?
  • Welche ihrer bisherigen Arbeiten müssen umgeschichtet werden, damit sie die festgesetzten Stunden pro Woche erreichen können?
  • Welche Kompetenzen müssen sie aufbauen und wie kann die Tätigkeit strukturiert werden?
  • Wie vermarktet man diese Dienstleistung gegenüber der Mandantschaft und wie kann man sie bepreisen?

Aus all diesen Fragestellungen entsteht ein erster Businessplan für das neue Geschäftsfeld.

Kooperationen und E-Rechnung als Alternative

Sieht man den potenziellen Umsatz, fehlen aber ganz oder teilweise die entsprechenden Mitarbeitenden, könnte man über Neueinstellungen nachdenken. Realistischerweise wird das aufgrund des Fachkräftemangels für die meisten Kanzleien nur schwer umsetzbar sein. Um die 100 Prozent digital angebundenen Mandant:innen dann nicht komplett zu verwerfen, kann eine Kooperation mit einem spezialisierten Dienstleister sinnvoll sein. IT-Dienstleister mit Schwerpunkt Steuerberatung, spezialisierte Selbstständige oder kleinere Beratungshäuser bieten die Implementierung von DATEV Unternehmen Online, Schnittstellenberatung, etc. bereits länger an.

In einer solchen Kooperation sollte abgestimmt werden, wer welche Tätigkeiten übernimmt und wie ein reibungsloser Ablauf sichergestellt werden kann. Denkbar ist beispielsweise, dass einfachere Fälle durch die Kanzlei und komplexere durch den Dienstleister abgedeckt werden. Dies hat den Vorteil, dass die Kanzlei die Kompetenzen bei ihren Mitarbeitenden aufbauen und gleichzeitig alle identifizierten Mandant:innen umstellen kann.

Als weitere Möglichkeit um den Kapazitätsengpass abzufedern und gleichzeitig den Nutzen von digitalen Daten auszuschöpfen, dient die E-Rechnung selbst. Nimmt man sich die oben erstellte Liste erneut vor und filtert nach den Mandant:innen, die Ihre Belege bereits als PDF übermitteln, können diese gebeten werden, mit der Umstellung auf die E-Rechnung diese auch an die Kanzlei weiterzuleiten. Dadurch entsteht minimaler Kommunikationsaufwand, der bestehende „Kanal“, also E-Mail oder Plattform, kann weiter genutzt werden bei gleichzeitigem Erhalt der digitalen Rechnungsdaten. Die digitale Anbindung der Vorsysteme kann dann zu einem späteren Zeitpunkt umgesetzt werden, um die durch den automatischen Fluss der Daten über Schnittstellen und Software zusätzlichen Produktivitätsgewinne zu realisieren.

Ein Beratungsangebot entwickeln

Kanzleien, die die Vorsysteme ihrer Mandant:innen bereits digital an die Kanzleisoftware angebunden haben, können zwar nicht in dem Maße von der E-Rechnung als Produktivitätshebel in der FiBu profitieren, sie besitzen aber Fähigkeiten und Wissen, um ihre Mandantschaft proaktiv bei der Umstellung auf die E-Rechnung zu beraten: Sie kennen die Vorsysteme, die dazugehörigen Rechnungsprozesse, haben digitale Lösungen zur Anbindung an die Kanzleisoftware implementiert und im Idealfall diese Informationen in einer Verfahrensdokumentation festgehalten. Im Vergleich zu anderen Berater:innen kann dies ein überzeugendes Alleinstellungsmerkmal darstellen. Die Beratungsleistung selbst ist dann eine technisch versierte Prozessberatung und Projektkoordination beim Mandanten und dessen Vorsystem-Dienstleistern. Die Revisionierung einer bestehenden oder das Erstellen einer neuen Verfahrensdokumentation kann das Beratungsangebot sinnvoll abrunden. Wie bei allen neuen Dienstleistungen sollte sich im Vorhinein zu einem passenden Honorarmodell, benötigten Kapazitäten und Kompetenzen der entsprechenden Mitarbeitenden sowie Marketing- und Vertriebsmaßnahmen Gedanken gemacht werden. Zudem müssen die laufenden Entwicklungen im Gesetzgebungsverfahren im Blick behalten werden.

Fazit: Echte Weiterentwicklungschancen im Rahmen der E-Rechnungspflicht

Die E-Rechnung bietet das Potenzial für mehr Produktivität im Geschäftsfeld der Finanzbuchhaltung sowie neue Umsätze in der Beratung. Jede Kanzlei sollte sich strategisch mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit sie die E-Rechnung als Beschleuniger der Digitalisierung nutzen will und kann. Eine bessere Chance zum Einstieg wird es absehbar nicht mehr geben!

Johannes Franz
Weitere Beiträge

Johannes Franz unterstützt Steuerkanzleien dabei, ihre Produktivität durch gezielte Digitalisierung und Automatisierung zu steigern – und damit zukunftssicher aufzustellen. Nach dem Studium der Organisationsentwicklung arbeitete er als Junior-Berater mit dem Schwerpunkt Reorganisation von Steuerkanzleien. Anschließend war er als Leiter IT & Digitalisierung bei der mittelständischen Steuerberatungsgesellschaft Acconsis tätig. Mit seiner Dienstleistung Chief Digital Officer as a Service (CDOaaS) hilft er Steuerberater:innen, die ihre Kanzlei digitalisieren wollen, im Kanzleialltag aber keine Zeit dazu finden.

[1] BMF: Anlage – Diskussionsvorschlag Änderung UStG; URL: https://wts.com/wts.de/publications/wts-tax-weekly/anhange/2023/2023_15_02-Diskussionsvorschlag-zur-aenderung-des-umsatzsteuergesetzes.pdf abgerufen am 18.10.23
[2] Vgl. Haufe: Regierungsentwurf für ein Wachstumschancengesetz, URL: https://www.haufe.de/steuern/gesetzgebung-politik/wachstumschancengesetz_168_600636.html, abgerufen am 23.10.23
Bild:  ST.art

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