In dieser Folge spricht Ulf Hausmann mit Kanzleiinhaberin Sina Fischer, die es geschafft hat, ihre Kanzlei nach einer Trennung 2021 komplett neu aufzustellen. Wir tauchen in die Themen Führung, Teamorganisation und innovative Kanzleistrukturen ein. Erfahren Sie, wie sie klassische Hierarchien aufgebrochen, Verantwortung aufgeteilt und Raum für Eigeninitiative geschaffen hat.
Die Kanzleitrennung als Startpunkt für Veränderung
„Am Anfang war die Kanzlei noch sehr papierlastig und mit klassischen Hierarchien versehen“, erzählt Sina Fischer. „Mir war klar: Ich als Chefin bin nichts ohne mein Team. Es gibt oft Themen, bei denen Teammitglieder mehr Expertise mitbringen als ich.“ Dieser Gedanke wurde zum Grundstein für eine neue Herangehensweise an Führung und Organisation. Für Sina bedeutete das nicht nur eine neue Arbeitsweise, sondern auch einen bewussten Bruch mit alten, vertrauten Strukturen.
Statt strenger Hierarchien setzt Sina heute auf klare Verantwortlichkeiten und die Eigeninitiative der Mitarbeitenden. „Es muss nicht mehr alles über mich laufen“, betont sie. „Früher war es selbstverständlich, dass jede Entscheidung von der Chefetage abgesegnet wurde. Das haben wir geändert.“ Besonders wichtig ist ihr dabei, dass die Teammitglieder ihre Aufgaben eigenständig bearbeiten können und sich dabei auf ihre jeweiligen Stärken konzentrieren.
Flexibilität und Digitalisierung als Schlüssel
Ein wichtiger erster Schritt war die Digitalisierung. „Unser Sekretariat war damals noch papierlastig organisiert“, erinnert sich Sina. „Wir haben konsequent auf digitale Prozesse umgestellt.“ Rechnungen werden heute über die DATEV digital versendet, und auch die Kommunikation mit der Finanzverwaltung läuft weitgehend digital. Diese Umstellung hatte nicht nur Auswirkungen auf die Effizienz, sondern auch auf das Team, das durch die Automatisierung spürbar entlastet wurde. „Das hat unseren Papierverbrauch massiv reduziert und die Arbeitsabläufe deutlich schlanker gemacht“, so die Steuerberaterin.
Dabei setzte die Kanzlei zunächst auf das Tool digibase, das Rechnungen je nach Wunsch der Mandant:innen per E-Mail oder Papier versendete. Diese Lösung erlaubte es, den administrativen Aufwand auszulagern und den Mandant:innen mehr Flexibilität zu bieten. Mittlerweile ist man komplett auf den digitalen Rechnungsversand von DATEV umgestiegen, was die Prozesse weiter optimiert hat. „Heute nutzen wir digitale Technologien, um nicht nur effizienter zu arbeiten, sondern auch flexibler auf die Wünsche unserer Mandant:innen eingehen zu können“, ergänzt Sina Fischer.
Teamarbeit neu gedacht: Von Teamleiter:innen zu Kanzlei-Manager:innen
Ein weiteres zentrales Thema war die Neuorganisation des Teams. Bereits 2021 führte Sina Fischer eine Teamleiterstruktur ein, doch sie stellte schnell fest, dass der Begriff nicht zu ihrer Philosophie passte. „Ich wollte klare Zuständigkeiten schaffen, aber der Begriff ‚Teamleiter‘ hat mir nicht gefallen“, erklärt sie. „Es suggeriert, dass man ein Team unter sich hat, aber das passte nicht zu unserer Arbeitsweise.“
Heute spricht sie von „Kanzlei-Managern“, die jeweils für spezifische Bereiche wie FiBu und Lohn, IT oder Jahresabschlüsse verantwortlich sind. Diese Personen haben den „Hut auf“, wie Sina es nennt, und sind für ihren Bereich der oder die zentrale Ansprechpartner:in. „Wir haben die Verantwortungsbereiche genau definiert und einen Strategieworkshop veranstaltet, um alle auf den gleichen Stand zu bringen“, berichtet Sina Fischer. Durch diese Neuorganisation sei das Team nicht nur besser strukturiert, sondern auch motivierter. „Jeder weiß genau, wofür er oder sie zuständig ist, und kann sich darauf konzentrieren.“
Interne Prozesse sichtbar machen
Ein Schlüsselmoment war ein Teamworkshop im Sommer 2023, bei dem die Kanzlei erstmals ihre interne Struktur visualisierte. „Wir haben Tools wie Office 365 Visio genutzt, um genau festzuhalten, wer für welche Aufgaben zuständig ist“, erklärt die Steuerberaterin. „Dabei kamen spannende Details ans Licht, die vorher niemand so klar auf dem Schirm hatte.“ Die Visualisierung half dem Team, die Rollen und Zuständigkeiten besser zu verstehen und Abläufe zu optimieren.
Zu den Visualisierungen gehörten nicht nur fachliche Zuständigkeiten, sondern auch Soft Skills. „Eine Kollegin ist bei uns zum Beispiel die Vertrauensperson, wenn es um persönliche Anliegen geht. Solche internen Funktionen sind genauso wichtig wie die operativen Aufgaben“, sagt Sina Fischer. Diese zusätzliche Transparenz habe die Zusammenarbeit im Team deutlich verbessert und dafür gesorgt, dass Verantwortlichkeiten besser wahrgenommen würden.
Prozesse verschlanken und Automatisierung vorantreiben
Sina Fischer hat die Effizienz in ihrer Kanzlei durch zahlreiche kleine, aber effektive Maßnahmen erhöht. „Wir haben zum Beispiel unsere Telefonzentrale umgestellt. Früher war immer eine Person nur damit beschäftigt, Anrufe zu filtern – ein Großteil davon waren Headhunter oder Werbung“, erklärt sie. Heute gibt es feste Zeiten für die Telefonzentrale, und unwichtige E-Mails werden automatisch aussortiert. Das hat nicht nur Arbeitszeit gespart, sondern auch die Konzentration im Team verbessert.
Auch bei der internen Kommunikation und der Dokumentation setzt die Kanzlei auf digitale Lösungen: „Wir arbeiten komplett papierlos mit OneNote, was die Prozesse enorm verschlankt hat“, sagt Sina. Mandantennotizbücher ersetzen die früheren Papierakten und ermöglichen eine nahtlose Zusammenarbeit. „Die digitale Dokumentation erleichtert es uns, den Überblick zu behalten und effizient auf Mandantenanfragen zu reagieren“, erklärt sie.
Qualitätssicherung bleibt zentral
Trotz aller Automatisierung legt die Steuerberaterin großen Wert auf Qualitätssicherung. „Jahresabschlüsse und Steuererklärungen werden immer durch ein Vier-Augen-Prinzip geprüft“, erklärt sie. „Das ist nicht nur wichtig für die Qualität, sondern auch ein wesentlicher Lernprozess für das Team.“ Dabei nutzt die Kanzlei digitale Tools, um den Prüfprozess zu strukturieren und nachvollziehbar zu machen.
Die Qualitätssicherung sieht Sina Fischer auch als eine der großen Herausforderungen der Zukunft: „Ich glaube, dass in der Zukunft Maschinen vieles vorbereiten werden, aber die Qualitätskontrolle bleibt bei den Menschen. Darauf müssen wir uns einstellen.“ Für Sina ist klar, dass die Automatisierung nicht das Ende der menschlichen Expertise bedeutet, sondern eine wertvolle Ergänzung darstellt. „Gerade bei komplexen Sachverhalten ist der menschliche Blick unverzichtbar“, betont sie.
Die Zukunft im Blick: Das Zusammenspiel von Mensch und KI
Die Entwicklungen im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) beobachtet sie mit gemischten Gefühlen: „Einerseits ist KI ein spannendes Tool, das uns viele repetitive Aufgaben abnehmen kann. Andererseits macht es auch vielen Angst, weil man denkt, die Arbeit könnte verloren gehen.“ Sie sieht jedoch mehr Chancen als Risiken: „Gerade mit Blick auf den Fachkräftemangel brauchen wir Technologien, die uns unterstützen.“
Sina Fischer sieht in der Automatisierung eine Möglichkeit, die Arbeit effizienter zu gestalten, ohne den menschlichen Faktor zu vernachlässigen. „Ich denke, dass sich unsere Rolle in der Kanzlei verändern wird. Wir werden uns stärker auf die Qualitätssicherung konzentrieren und die KI als Werkzeug nutzen“, sagt sie.
Fazit: Mut zu Veränderungen lohnt sich
Sina Fischers Weg zeigt, wie wichtig es ist, sich ständig weiterzuentwickeln und alte Strukturen zu hinterfragen. „Veränderung ist nicht immer einfach, aber sie lohnt sich“, resümiert sie. Mit Mut zur Digitalisierung, einer klaren Teamstruktur und einer Offenheit für neue Technologien hat sie ihre Kanzlei auf Erfolgskurs gebracht. Und das Wichtigste: Ihr Team steht dabei geschlossen hinter ihr. „Denn ohne das Team bin ich als Chefin nichts“, betont sie abschließend.
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Ulf Hausmann ist Kanzleiberater und systemischer Organisationsberater und Coach. Er war zehn Jahre Marketingleiter von Ecovis und begleitet Kanzleien in Strategie, Führung und Organisationsentwicklung. Er ist Autor und Seminarleiter für unternehmerische Themen in Steuerkanzleien, Mitglied im KI-Ausschuss der Steuerberaterkammer Niedersachsen und Mitbegründer der Tax KI Community.
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