Die E-Rechnung, das Steuerberaterpostfach, ChatGPT und steigende Lohnkosten – die Liste der Dinge, die unsere Kanzleien grundlegend verändern werden, ist lang.
Man ist sich einig, dass die Branche eine Revolution erleben wird und dass dies – abgesehen von dem Umstellungsaufwand – auch zu begrüßen ist.
Es stellt sich lediglich die Frage, wie die Umstrukturierung gelingen kann. Eine teilweise Lösung ist die Qualifizierung des eigenen Personals und die „stückweise“ Veränderung von „innen nach außen“.
Welche Qualifikationen gibt es im Steuerbereich?
Man kennt den Fachassistenten Lohn und Gehalt, den Fachassistenten Rechnungswesen und Controlling oder die Weiterbildung zum Steuerfachwirt oder Bilanzbuchhalter.
Diese Abschlüsse beschäftigen sich jedoch mit Steuer- und Handelsrecht, nicht aber mit der Umwandlung einer analogen in eine digitale Kanzlei. Das Stichwort Digitalisierung mag abgedroschen sein, dennoch ist spätestens jetzt die Zeit gekommen, sich damit auseinanderzusetzen, denn die E-Rechnung verpflichtet alle Unternehmen bis spätestens 2028 sämtliche Rechnungen in digitalem Format zu versenden. Ab dem 1.1.2025 muss die E-Rechnung bereits empfangen werden.
Wir sehen uns mit der Frage konfrontiert, warum unsere Mandantschaft – wenn sie gesetzlich dazu verpflichtet ist, papierlos zu werden – sämtliche Dokumente weiterhin ausdrucken und uns in Pendelordnern zukommen lassen sollte (unabhängig davon, dass das Ausdrucken der Dokumente an sich nicht erlaubt ist, da die Dokumente dann keine „Originale“ sind)?
Die Antwort unserer Kammern auf die anstehende Veränderung ist die Weiterbildung „Fachassistent:in Digitalisierung und IT-Prozesse (FAIT)“.
Der FAIT, seine Aufgaben und der Ablauf der Ausbildung
Der Fachassistent für Digitalisierung und IT-Prozesse (FAIT) ist eine Weiterbildung für Fachleute in Steuerberatungskanzleien. Ziel der Weiterbildung ist es, die Fähigkeiten im Bereich der digitalen Technologien zu erweitern, sodass Steuerkanzleien Stück für Stück digitalisiert werden können.
Die Ausbildung bereitet darauf vor, digitale Arbeitsabläufe effizient zu gestalten und Automatisierungsprozesse unter Berücksichtigung von Datenschutz und Datensicherheit zu implementieren. Absolvent:innen lernen, wie man eine digitale Strategie entwickelt und umsetzt.
FAIT-Absolvent:innen übernehmen in unserer Kanzlei zum Beispiel die Prüfung digitaler Setups von Mandant:innen oder die Einführung und Kontrolle neuer Tools in kleinen Teams. Das Ganze geschieht während der regulären Arbeitszeit und wird von Leuten betreut, die eine starke intrinsische Motivation aufweisen.
Die Qualifikation umfasst eine schriftliche und eine mündliche Prüfung, die das erworbene Wissen und die praktischen Fähigkeiten der Kandidat:innen prüfen. Das Tolle an der mündlichen Prüfung ist, dass die Prüflinge wählen können, in welchem Bereich sie geprüft werden möchten. Das können demnach auch genau die Inhalte sein, die mit der eigenen Kanzleidigitalisierung zusammenhängen.
Vergleicht man dies mit der mündlichen Steuerberaterprüfung, in der man drei unbekannte Themen zur Auswahl hat, wird schnell deutlich, dass der Lehrgang eher auf die praktischen Fähigkeiten der Teilnehmenden abzielt. Es ist dadurch möglich, die Weiterbildungsmaßnahme zu einem richtigen internen Projekt zu machen und am Ende eine Prüfung vor der Kammer abzulegen.
Voraussetzung für die Prüfungsteilnahme ist je nach beruflichem Hintergrund eine Berufserfahrung von ein bis drei Jahren.
Wir haben beim FAIT zudem darauf geachtet, dass die Teilnehmenden sich untereinander in eigenen WhatsApp-Gruppen organisieren und austauschen können. Denn ohne ein Netzwerk ist die Veränderung in der Kanzlei kaum zu bewältigen.
Daher können sich die Teilnehmenden auch nach dem Lehrgang weiter austauschen und Erfahrungen und Ideen teilen. Meiner Meinung nach absolut notwendig! Auch in der Kanzlei findet ein stetiger Austausch untereinander und mit Kolleg:innen statt, anders wäre der Fortschritt kaum möglich.
Einmal im Jahr veranstalten wir in unserer Kanzlei eine freiwillige FAIT-Party für Absolvent:innen, Interessierte, Dozierende und IT-Partner. In allen Gesprächen wird deutlich, dass sich die Arbeitsgebiete der Absolvent:innen verändert haben und sie Spaß an ihrer neuen Tätigkeit gefunden haben. Als Studiengangsleiter freut mich dies von ganzem Herzen!
Umstellung von Abläufen und Gewohnheiten
Das Wissensmonopol – das in Kanzleien oft existiert – und das bei der Inhaberin oder beim Inhaber konzentriert ist – sollte schnell aufgelöst werden und die Kanzlei in kleine Teams eingeteilt werden. Ich sage in diesem Zusammenhang immer, dass wir eine „achte“ Einkunftsart in der Kanzlei beherrschen müssen – und das ist der stetige Veränderungsprozess.
Es ist nahezu unmöglich, im Alleingang sowohl steuerlich immer auf dem neuesten Stand zu sein und gleichzeitig die gesamte Kanzlei zu digitalisieren und ein modernes und intrinsisch motiviertes Team für die Zukunft aufzubauen.
Fairerweise müssen wir auch zugeben, dass wir Steuerberater:innen dafür nie ausgebildet wurden. Es war nie Teil unserer Ausbildung, und ein durchschnittlicher, analoger Steuerberater verfügt in den seltensten Fällen über das notwendige Netzwerk, um helfen zu können.
Meiner Einschätzung nach ist die Transformation aber ohne dieses Netzwerk nur schwer möglich und kostet viel Geld durch Misserfolge.
Fazit
Es ist weniger die Angst vor Veränderung, die uns hemmt, digital durchzustarten, sondern vielmehr die Angst, Fehler zu machen. Um potentiellen Fehlern vorzugreifen und Sicherheit für die Umsetzung der Digitalisierungspläne zu gewinnen, gibt es nun den FAIT und das passende Digitalisierungsnetzwerk.
Denn wir sind nun nicht mehr in der Position, uns aussuchen zu können, „ob“ wir die Kanzlei papierloser oder ganz digital aufstellen, stattdessen wird dies einerseits durch die E-Rechnung und andererseits durch die steigenden Lohnkosten – die durch KI aufgefangen werden können – automatisch gefordert.
Ich freue mich auf die Zukunft, auf alle Veränderungen und vor allem darauf, dass ein neues Bild der Steuerberatungskanzlei entsteht – das einst verstaubte Image verschwindet und wird durch ein modernes, agiles und zukunftsorientiertes Bild ersetzt – was wiederum hilft, den Nachwuchs zu sichern!
Dies könnte sowohl das Ausbildungsproblem, den Fachkräftemangel an sich beheben, als auch die Nachfolgeprobleme der Kanzleien lösen.
Christian Deák ist einer der bekanntesten E-Commerce-Steuerberater und -Querdenker der Branche. Bekannt ist er durch seine Aktivitäten als Speaker und Autor sowie als doppelter Studienleiter bei der Steuerfachschule Dr. Endriss (Fachassistent:in Digitalisierung und IT-Prozesse/Tax Specialist E-Commerce).
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