Seit dem Jahreswechsel steht das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) für die Kommunikation mit den Gerichten zur Verfügung. Erste Rechtsfragen sind bereits entschieden. Eine Übertragung der Erfahrungen mit dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) zeigt, wo im Übrigen Haftungsfallen lauern und wo deshalb Aufmerksamkeit gefragt ist. Dieser Beitrag gibt einen Überblick und zeigt die Handlungsfelder auf.
1. Wofür das beSt nutzen?
Das beSt dient der Korrespondenz mit den Gerichten, vorrangig natürlich mit den Finanzgerichten gem. § 52a FGO. Gleichlautende Vorschriften finden sich aber in sämtlichen Prozessordnungen (bspw. § 55a VwGO, § 65a SGG und § 130a ZPO, ähnlich ferner § 32a StPO). Es kann im Übrigen für die Korrespondenz mit der Steuerberaterkammer und Behörden genutzt werden, soweit diese gem. § 3a VwVfG oder § 36a SGB I einen elektronischen Zugang über ein besonderes elektronisches Behördenpostfach (beBPo) eröffnet haben. Das ist zwischenzeitlich bei fast allen größeren Behörden der Fall.
Für die Kommunikation mit den Finanzämtern wird dagegen weiterhin ELSTER genutzt, nicht das beSt.
§ 52a FGO sieht zwei Wege vor, die Authentizität des Dokuments, d. h. die Verknüpfung des Erklärungsinhalts („elektronisches Dokument“) mit der Identität des Absenders („verantwortende Person“), nachzuweisen. Hierdurch wird auf elektronischem Wege die Funktion der handschriftlichen Unterschrift ersetzt, vgl. § 130 Nr. 6 HS. 1 ZPO. Entweder stellt eine am übermittelten Dokument angebrachte qualifizierte elektronische Signatur die Identität des Absendenden entsprechend einer handschriftlichen Unterschrift sicher (§ 52a Abs. 3 Satz 1 1. Var. FGP) oder die Identität lässt sich aufgrund der Nutzung eines sicheren Übermittlungswegs gem. § 52a Abs. 4 FGO durch den Absendenden feststellen (§ 52a Abs. 3 Satz 1 2. Var. FGO). Das beSt ist ein solch sicherer Übermittlungsweg – es ermöglicht also den Verzicht auf eine handschriftliche Unterschrift und auf eine qualifizierte elektronische Signatur bei der Korrespondenz mit den Gerichten.
Aber Achtung: Diese Formerleichterung gilt nicht gegenüber Behörden; ein Widerspruch muss bspw. gem. § 3a Abs. 2 VwVfG bzw. § 36a Abs. 2 SGB I trotz beSt-Nutzung qualifiziert elektronisch signiert sein.
2. Aktive Nutzungspflicht des beSt
Die aktive Nutzungspflicht des beSt ergibt sich aus § 52d S. 2 FGO in Verbindung mit §§ 52a Abs. 4 Nr. 2 FGO, § 86d f. StBerG. Umstritten war, ob die Nutzungspflicht bereits ab dem 1.1.2023 bestand oder erst mit Erhalt des Registrierungsbriefs. Der BFH (Beschl. v. 28.4.2023 – XI B 101/22) hat diesen Meinungsstreit zwischenzeitlich entschieden, nachdem die Rechtsprechung der Finanzgerichte hier differierte: Die aktive Nutzungspflicht bestand bereits ab 1.1.2023, weil forensisch tätige Steuerberater:innen die Möglichkeit hatten, über ein sog. „Fast-Lane“-Verfahren für eine Priorisierung ihrer Registrierung zu sorgen. Beantragt ein Steuerberater bzw. eine Steuerberaterin wegen Nichtnutzung des beSt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, muss er nach der Entscheidung des BFH darlegen, weshalb er nicht von der Möglichkeit des „Fast-Lane“-Verfahrens Gebrauch gemacht hatte.
3. Passive Nutzungspflicht und gerichtliche Zustellungen
§ 173 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO erlaubt die elektronische Übermittlung an Steuerberater:innen. Sie ist daher auch zulässig und wirksam, wenn diese über ein beSt verfügen, gegenüber dem Gericht aber tatsächlich noch gar keine elektronische Kommunikation betrieben haben.
Für das beSt ist die passive Nutzungspflicht darüber hinaus im Berufsrecht speziell in § 86d Abs. 6 StBerG geregelt. Neben die prozessrechtliche passive Nutzungspflicht des § 173 Abs. 1, 2 ZPO tritt deshalb für Steuerberater:innen noch zusätzlich eine berufsrechtliche passive Nutzungspflicht, die wiederum konkret auf das beSt ausgerichtet ist. Verstöße haben entsprechend nicht nur prozessuale Folgen, sondern können auch berufsrechtliche Konsequenzen haben.
4. Formvorschriften bei der Nutzung des beSt
Die Formvorschriften des elektronischen Rechtsverkehrs waren bis 31.12.2021 Gegenstand zahlreicher gerichtlicher Entscheidung. Seit der Reform zum 1.1.2022 durch das ERV-AusbauG hat der Gesetzgeber die Dateiformatvorgaben aber erheblich gelockert. Von einer Formwidrigkeit ist letztlich nur noch auszugehen, wenn nicht in PDF eingereicht wurde oder wenn die Datei faktisch durch das Gericht nicht nutzbar ist. Anders ausgedrückt: Bei Gerichten, die papiergebunden arbeiten, ist das PDF nicht ausdruckbar und bei Gerichten, die mit E-Akte arbeiten, lässt sich die Datei nicht öffnen und importieren. Letzteres dürfte v. a. dann vorliegen, wenn die übermittelte Datei beschädigt, kennwortgeschützt ohne bekanntgegebenes Kennwort oder virenverseucht ist.
§ 133 Abs. 1 Satz 2 ZPO enthebt den Einsendenden elektronischer Dokumente von der Verpflichtung, Abschriften für die Zustellung an die übrigen Verfahrensbeteiligten beizufügen. Nach der eindeutigen Anordnung des Gesetzes kann das Gericht dem Einreichenden deshalb auch keine Kosten für die Erstellung papierner Zustellungsexemplare nach KV Nr. 9000 Nr. 1 und 2 in Rechnung stellen. Die Kostenprivilegierung gilt auch dann, wenn nach der elektronischen Übermittlung das identische Dokument nochmals auf einem konventionellen Übermittlungsweg (Telefax, Post) eingereicht wird.
Trotz der Vereinfachung der Dateiformatvorgaben ist zu empfehlen, ausschließlich Dateien im Format PDF/A einzureichen. Ferner ist bei Dateinamen darauf zu achten, dass keine Sonderzeichen (außer Umlaute, ß, Unterstrich und Minus) genutzt werden. Nicht erlaubt (oder bereits von Seiten des Betriebssystems nicht möglich) sind also: ‚ { } ( ) % & @ # $ ~ ! ^ ? * < > . , \ + : = / “ ; [ ] |, ferner sind Leerzeichen nicht zulässig. Punkte sind nur erlaubt, um den Dateinamen von einer Dateiendung zu trennen (bspw. Klageschrift.pdf); auch bspw. bei detached Signaturen (sog. „konkatenierte Dateiendungen“, bspw. Klageschrift.pdf.pkcs7). Die Länge von Dateinamen ist grundsätzlich auf 84 Zeichen begrenzt; eine detached Signaturdatei auf maximal 90 Zeichen.
5. Einfache Signatur und Vertretungsregelung
Zwischenzeitlich ist es gesicherte Rechtsprechung (siehe bspw. BGH, Beschl. v. 30.3.2022 – XII ZB 311/21) und allgemeine Meinung, dass ein elektronisches Dokument, das aus einem personenbezogenen sicheren Übermittlungsweg, wie dem beSt gem. § 86d StBerG, versandt wird und nicht mit einer qeS versehen ist, nur dann die Formvoraussetzungen wahrt, wenn die das Dokument signierende und damit verantwortende Person mit der des tatsächlichen Versenders übereinstimmt. Wird dagegen das Kanzlei-beSt gem. § 86e StBerG genutzt, ist diese Anforderung nicht einzuhalten.
Wird das beSt als sicherer Übermittlungsweg genutzt, ist der Schriftsatz mit einer sog. „einfachen Signatur“ abzuschließen. Zweck der einfachen Signatur ist, dass sie eben diesen Vergleich zwischen der verantwortenden und der absendenden Person ermöglicht. Fehler geschehen hier insbesondere in Vertretungssituationen („für den nach Diktat verreisten …“). Es ist hier stets – auch in Vertretungssituationen – zu beachten, dass der Signierende den Schriftsatz über sein eigenes beSt einreicht. Dass der signierende Steuerberater bzw. die signierende Steuerberaterin der Unterschrift einen Vertretungsvermerk hinzufügt, ist ohne Bedeutung. Denn ungeachtet des Vertretungsvermerks übernimmt der signierende Steuerbevollmächtigte mit seiner Unterschrift die Verantwortung für den Schriftsatz. Soll das elektronische Dokument daher in Vertretung übersandt werden, muss entweder der Vertreter/die Vertreterin die eigene einfache Signatur unter das Dokument setzen oder der Vertretene qualifiziert elektronisch signieren (denn dann kommt es auf die Person des Versendenden nicht mehr an).
Die Einhaltung einer bestimmten Form ist für die einfache Signatur nicht vorgeschrieben. Einfache Signatur kann bspw. der maschinenschriftliche Namenszug unter dem Schriftsatz sein (bspw. „gez. Müller“) oder eine eingescannte Unterschrift. Die eingescannte Unterschrift genügt allerdings nur dann als einfache Signatur, wenn die Unterschrift entzifferbar ist und damit von den Empfänger:innen des Dokuments ohne Sonderwissen oder Beweisaufnahme einer bestimmten Person zugeordnet werden kann. Die einfache Signatur soll gerade sicherstellen, dass die von dem sicheren Übermittlungsweg (maschinenschriftlich im Transfervermerk/Prüfvermerk oder Prüfprotokoll und damit regelmäßig allgemein lesbar) ausgewiesene Person mit der Person identisch ist, die mit der Unterschrift die inhaltliche Verantwortung für das Dokument übernimmt. Ist die Unterschrift nicht lesbar, kann sie diese Funktion nicht erfüllen.
6. Ausfall der Technik
Ebenso wie bei allen anderen Übermittlungswegen, ist auch bei den elektronischen Übermittlungswegen, und damit auch beim beSt, ein (vorübergehender) Ausfall der Technik denkbar.
Im Falle eines vorübergehenden Ausfalls des beSt besteht für Steuerberater:innen keine Pflicht, sich kurzfristig um einen anderen sicheren Übermittlungsweg zu bemühen. Der berufsrechtlichen passiven Nutzungspflicht gem. § 86d Abs. 6 StBerG genügt ein:e Steuerberater:in bereits, wenn er bzw. sie alles Erforderliche veranlasst hat, um das beSt in Betrieb nehmen zu können. Steht das System nicht zur Verfügung, hat (und kann) er bzw. sie es auch nicht (passiv) zu nutzen.
Schwieriger zu beurteilen, ist die prozessrechtliche Frage, genauer die im Zustellungsrecht geschaffene Pflicht, einen sicheren Übermittlungsweg vorzuhalten, § 173 Abs. 2 Satz 1 ZPO. An der normativen Verpflichtung bestehen angesichts des Wortlauts des § 173 Abs. 2 S. 1 ZPO keine Zweifel – gleiches galt schon nach altem Recht für § 174 Abs. 3 S. 4 ZPO. Im Gegensatz zu § 86d StBerG bezieht sich § 173 Abs. 1, 2 ZPO auch gerade nicht ausschließlich auf das beSt, sondern auf sämtliche sichere Übermittlungswege gem. § 52a Abs. 4 FGO; also auch auf die allgemein zugängliche De-Mail oder das neue elektronische Bürger- und Organisationspostfach (eBO) gem. § 52a Abs. 4 Nr. 4 FGO. Richtigerweise dürfte aber die prozessrechtliche passive Nutzungspflicht gegenüber den Steuerberater:innen darauf abzielen, dass lediglich die Verpflichtung besteht, alles Erforderliche zu tun, um mittels beSt – nicht im Allgemeinen elektronisch – erreichbar zu sein. Eine Verpflichtung, sich auch um einen weiteren sicheren Übermittlungsweg als Ausfallreserve zu bemühen, besteht dagegen wohl nicht.
Fristversäumnisse drohen im Übrigen regelmäßig nicht, weil jedenfalls förmliche Zustellungen im elektronischen Rechtsverkehr an Steuerberater:innen gem. § 173 ZPO ausschließlich gegen Empfangsbekenntnis erfolgen. Die Zustellungsfiktion des § 173 Abs. 4 ZPO gilt für den in § 173 Abs. 2 ZPO genannten Nutzerkreis – insbesondere also Steuerberater:innen – nicht.
7. Die elektronische Übermittlung schlägt fehl: Ersatzeinreichung gem. § 52d S. 3-4 FGO
Kommt es zu Störungen des elektronischen Rechtsverkehrs, sieht das Gesetz eine Ersatzeinreichung nach § 52d S. 3-4 FGO vor. Die Einreichung eines Schriftstücks bei Gericht kann also auf einem beliebigen anderen prozessrechtlich vorgesehenen Wege erfolgen – per Post, Fax oder Bote.
Die Störung muss nach dem Wortlaut der Norm und ihrem Sinn und Zweck vorübergehender Natur sein. Professionelle Einreichende können sich daher nicht auf § 52d FGO berufen, wenn ein zugelassener Übermittlungsweg noch gar nicht in Betrieb genommen oder eingerichtet worden ist, selbst wenn dies kurz vor Eintritt der aktiven Nutzungspflicht noch in Angriff genommen, aber nicht abgeschlossen ist. § 52d S. 3-4 FGO kann daher keine Nachlässigkeit absichern. Der vermeidbare Grundfehler war daher, in der Einführungsphase des beSt, schlicht den Kopf in den Sand zu stecken.
Die Ursache der Störung muss technischer Natur sein. Diese kann auch aus der Sphäre des Einreichenden stammen. Der Gesetzgeber beabsichtigt durch diese Norm gerade eine „prozessuale Wohltat“ zur Förderung der Nutzerakzeptanz im elektronischen Rechtsverkehr.
Grundsätzlich gilt, dass jede Form eines technischen Ausfalls nicht zu Lasten des Einreichenden geht. So können etwa auch Fehlbedienungen und vergessene Passwörter das Merkmal der technischen Störung erfüllen. Fehlendes Verschulden des Einreichenden ist keine Voraussetzung – eine wirklich seltene normative Großzügigkeit. Im Falle einer vorsätzlichen Herbeiführung der Unmöglichkeit zum Zwecke der Ermöglichung einer Ersatzeinreichung dürfte freilich nach allgemeinen Regeln ein rechtsmissbräuchliches Verhalten anzunehmen sein, so dass sich der Einreichende nicht auf diese Privilegierung berufen kann.
Die Störung muss zur Unmöglichkeit der elektronischen Einreichung führen. Unvermögen des Einreichenden genügt nach dem Sinn und Zweck der Norm hierfür. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist stets bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen. Das ArbG Lübeck (Urteil v. 1.10.2020 – 1 Ca 572/20) hat hierzu in einer vielbeachteten Entscheidung gefordert, dass die Glaubhaftmachung der Störung stets erforderlich sei, selbst wenn das Gericht Kenntnis von der Störung habe.
Zur Feststellung von Störungen empfiehlt es sich, den EGVP-Newsletter (elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach) zu abonnieren, um per E-Mail über Störungen informiert zu werden. Auch ein Screenshot oder Log-Dateien der eingesetzten Anwaltssoftware kommen zur Glaubhaftmachung in Betracht (LAG Schleswig-Holstein Urteil v. 8.4.2021 – 1 Sa 358/20; siehe auch OLG Braunschweig Beschluss v. 18.11.2020 – 11 U 315/20). Auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen, wodurch den Gerichten Scanaufwände erspart werden sollen.
8. Das Gericht meint, das Dokument nicht erhalten zu haben: Nachweis durch die Eingangsbestätigung gem. § 52a Abs. 5 S. 2 FGO
Für die elektronische Postausgangskontrolle verlangt die mittlerweile fast einhellige Rechtsprechung (vgl. statt vieler BGH, Beschl v. 19.1.2023 – V ZB 28/22), dass der Erhalt der Eingangsbestätigung gem. § 52a Abs. 5 Satz 2 FGO kontrolliert wird. Die Kontrolle der Eingangsbestätigung darf sich nicht auf den Ausschluss technischer Fehlermeldungen beschränken, sondern erstreckt sich auch auf den Versand der richtigen Datei an den richtigen Empfänger/die richtige Empfängerin.
Die Kontrolle und Aufbewahrung dieser automatisierten Eingangsbestätigung ist nach der Rechtsprechung des BGH Teil der anwaltlichen Sorgfaltspflicht (BGH, Urt. v. 11.5.2021 - VIII ZB 9/20; BGH, Urt. v. 14.5.2020 - X ZR 119/18) beim elektronischen Nachrichtenversand und entsprechend in der Kanzleiorganisation zu berücksichtigen. Dies lässt sich sicher auch auf Steuerberater:innen übertragen.
Zu beobachten ist, dass die Rechtsprechung hinsichtlich der gerichtlichen Fürsorgepflicht bei (mehr oder weniger offensichtlichen Fehlern des Absendenden) zusehends strenger wird (vgl. BGH, Beschl. v. 19.01.2023 - V ZB 28/22). So bezieht der BGH die Prüfpflichten mittlerweile nicht mehr nur auf die automatisierte Eingangsbestätigung gem. § 52a Abs. 5 S. 1 FGO selbst, sondern sieht eine umfassende Prüfung des Postausgangs auf Formmängel vor, bspw. auch dahingehend, ob die richtige Datei qualifiziert elektronisch signiert worden ist, sofern diese Versandart genutzt wird. Diese Ausweitung ist zu kritisieren, weil sie die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Kanzleiorganisation deutlich überspannt (Müller, ervjustiz.de/bgh-keine-sofortige-pruefpflicht-der-gerichte-auf-erv-formmaengel, abgerufen am 31.5.2023).
Hat der Absendenden eine Eingangsbestätigung nach § 52a Abs. 5 S. 2 FGO erhalten, besteht Sicherheit darüber, dass der Sendevorgang erfolgreich war. Bleibt sie dagegen aus, muss dies den Absendenden zur Überprüfung und gegebenenfalls erneuten Übermittlung veranlassen.
9. Das Gericht kann das elektronische Dokument nicht öffnen: Eingangsfiktion gem. § 52a Abs. 6 FGO
Eine Rettung formwidriger Einreichungen kommt nach den allgemeinen Wiedereinsetzungsregeln oder aufgrund der Eingangsfiktion des § 52a Abs. 6 FGO in Betracht. § 130a Abs. 6 ZPO steht als rein privilegierende Regelung für den Elektronischen Rechtsverkehr neben den allgemeinen Wiedereinsetzungsregeln. Da auch § 52a Abs. 6 FGO verschuldensunabhängig ist, dürften seine Voraussetzungen grundsätzlich leichter zu erfüllen sein als die der Wiedereinsetzung.
Die Eingangsfiktion hat die inhaltliche Voraussetzung, dass das nicht-bearbeitbare Dokument unter Behebung des Problems nochmals eingereicht wird. Zudem ist gleichzeitig mit der erneuten Einreichung – in einem gesonderten Dokument – glaubhaft zu machen, dass es mit dem zuvor eingereichten, nicht-bearbeitbaren Dokument bildlich und inhaltlich übereinstimmte. Hierfür dürfte eine anwaltliche Versicherung ausreichen.
Die nochmalige Einreichung hat unverzüglich nach dem gerichtlichen Hinweis zu erfolgen, der das Problem der ursprünglichen Einreichung und die geltenden technischen Rahmenbedingungen konkret beschreiben muss. Unverzüglich bedeutet: Ohne schuldhaftes Zögern. Die Rechtsfolge ist weitreichend: Das Dokument gilt dann ohne Weiteres als zum Zeitpunkt der früheren Einreichung als eingegangen – die formwidrige Einreichung ist damit vergeben und vergessen.
10. Wenn sonst nichts hilft: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Trotz der vielen privilegierenden Regelungen im elektronischen Rechtsverkehr, kommt als letzter Rettungsanker ggf. ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Betracht. Im Gegensatz zu den übrigen Vorschriften ist dieser aber nicht nur durch enge Fristen begrenzt, sondern vor allem durch das Verschuldenselement.
Hier kommt es also darauf an, dass die Kanzleiorganisation auf die Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs ausgerichtet ist und insbesondere, dass die Eingangsbestätigung gem. § 52a Abs. 5 S. 2 FGO sorgsam kontrolliert wurde. Die Rechtsprechung fordert noch allerlei weitere „Sicherungsmaßnahmen“, die man durchaus kritisch sehen kann, bspw. „aussagekräftige Dateinamen“. Eine Anforderung, die auch aus den 80er Jahren stammen könnte.
11. Fazit
Steuerberater:innen müssen sich zwingend mit den Anforderungen des elektronischen Rechtsverkehrs vertraut machen. Diese haben erhebliche Auswirkungen auf die Kanzleiorganisation. Um Problemen mit den Formvorschriften aus dem Weg zu gehen, sollte konsequent im Dateiformat PDF/A versandt werden. Nach dem Absenden ist stets die automatisierte Empfangsbestätigung zu kontrollieren und sicher abzulegen; hierzu sind Arbeitsanweisungen für das Kanzleipersonal zu formulieren, zu schulen und ihre Einhaltung stichprobenartig zu kontrollieren. Für den Fehlerfall –
d. h. den Ausfall der Technik oder Rügen des Gerichts, dass eine Datei nicht zu öffnen ist – sind vorbereitende Maßnahmen zu treffen, um innerhalb der knappen Frist („unverzüglich“) reagieren zu können. Zentral ist insoweit das Abonnieren des EGVP-Newsletters unter egvp.de.
Foto: steuerberaterplattform-bstbk.de
Prof. Dr. Henning Müller ist Direktor des Sozialgerichts Darmstadt, Lehrbeauftragter der Philipps-Universität Marburg und der Hochschule Ludwigshafen. Zudem ist er Mitherausgeber des beckOKG-SGG und der Zeitschrift „Recht Digital“ (RDi), sowie Herausgeber des Blogs ervjustiz.de zum elektronischen Rechtsverkehr.
- Prof. Dr. Henning Müllerhttps://tax-tech.de/autor/prof-dr-henning-mueller/