Die Bundeskammerversammlung beschloss im September 2020 eine Steuerberaterplattform einzurichten und als ersten Anwendungsfall der Plattform das besondere elektronische Steuerberaterpostfach (beSt) – die digitale Lösung für die Justizkommunikation – zum 1.1.2023 zur Verfügung zu stellen. Damit kann die Kommunikation mit der Justiz rein digital ohne Medienbruch und ohne qualifizierte elektronische Signatur oder handschriftliche Unterschrift rechtssicher erfolgen. Ab dem 1.1.2023 haben Steuerberaterinnen und Steuerberater das beSt empfangsbereit vorzuhalten und gem. § 86d Abs. 6 StBerG Mitteilungen und Zustellungen zur Kenntnis zu nehmen. Was genau Steuerberaterinnen und Steuerberater mit der Steuerberaterplattform erwartet und wie sie sich auf die aktive Nutzung des beSt vorbereiten, beantwortet Claudia Kalina-Kerschbaum, Geschäftsführerin der BStBK im Interview.
Welche Idee steckt hinter der Steuerberaterplattform und welche Vorteile wird sie für die Arbeit in Steuerberaterkanzleien bringen?
Claudia Kalina-Kerschbaum: Der Berufsstand steht zukünftig vor der Herausforderung, dass der überwiegende Geschäftsverkehr der Mandant:innen und der Finanzverwaltung nur noch elektronisch erfolgt. Wollen Steuerberater:innen weiterhin optimal beraten und vertreten, brauchen sie ein zentrales Element: eine allgemein anerkannte, digitale Berufsträger-Identität, an die ein Nachrichtenpostfach angeknüpft ist. Dieses wiederum muss den gesetzlichen Anforderungen im digitalen Rechtsverkehr entsprechen, um im EGVP-Raum (elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach) anerkannt zu sein. Darüber hinaus wird die digitale Identität mit der Berufsträgereigenschaft verknüpft. Dies erfolgt mit dem Registerabgleich über die Steuerberaterkammern als Selbstverwaltungsorgan. Die Steuerberaterplattform bietet dem Berufsstand demnach einen digitalen Raum, in dem er mit einer digitalen Identität auftreten kann. Ermöglicht wird dies durch ein hochsicheres Identifizierungs- und Authentifizierungsverfahren über den Personalausweis mit Online-Ausweisfunktion. Die Steuerberaterplattform bildet somit die Architektur für das Andocken an andere digitale Ökosysteme, z. B. an die der Finanzgerichte. Mit der Schaffung dieser einheitlichen Berufsträger-Identität erleichtern wir dem Berufsstand den Zugang zu OZG-Diensten von Bund, Ländern und Behörden sowie perspektivisch auch zu Diensten der Wirtschaft im Auftrag seiner Mandantinnen und Mandanten. Dabei können Steuerberater:innen bei allen Diensten dasselbe Authentisierungsmedium verwenden (Single Sign-On). Eine große Vereinfachung in der täglichen Kanzleiarbeit.
Da der Großteil des Berufsstandes mit einer Fachsoftware arbeitet, haben wir eine Lösung erarbeitet, die es den Nutzenden erlaubt, medienbruchfrei zu arbeiten. Wir stellen dafür den Fachsoftware-Herstellern eine Schnittstelle zur Verfügung, damit diese das beSt in ihre Softwarelösungen integrieren können.
Ein kleiner Hinweis noch: Für diejenigen, die ohne Fachsoftware arbeiten, wird es einen Basis-Client zur Nutzung geben.
Wann steht die Steuerberaterplattform zur Anmeldung und Nutzung bereit?
Claudia Kalina-Kerschbaum: Ab 1.1.2023 geht es los und alle Ampeln stehen auf grün.
Wie muss man sich die Nutzung des beSt im Kanzleialltag konkret vorstellen?
Claudia Kalina-Kerschbaum: Die Korrespondenz u. a. mit den Gerichten, der Finanzverwaltung – soweit es sich nicht um durch ELSTER formalisierte Kommunikation handelt – sowie den Kolleg:innen wird künftig über das beSt abgewickelt. Schriftsätze werden bereits ab Einführung des beSt ausschließlich auf elektronischem Weg an die Finanzgerichte übermittelt. Spätestens ab dem Zeitpunkt der verpflichtenden Einführung der elektronischen Akte bei den Gerichten in 2026 werden auch die Finanzgerichte ausschließlich auf elektronischem Wege Unterlagen an die Steuerberater:innen versenden. Der bisherige Ausdruck und Versand von Schriftsätzen ist nicht mehr erforderlich. Somit entfallen auch Kopierarbeiten und Mehrfachausfertigungen für alle Verfahrensbeteiligten. Ebenso müssen die von der Gegenseite eingereichten Schriftsätze nicht mehr für die eigene digitale Kanzleiverwaltung eingescannt werden – sie liegen bereits in digitaler Form vor, können schnell im DMS der richtigen Akte elektronisch zugeordnet und wiedergefunden werden.
In größeren Kanzleien können die hierzu berechtigten Mitarbeiter:innen die eingehenden Nachrichten abrufen und den elektronischen Akten zuweisen. Auch der Versand erfolgt elektronisch. Ausdrucken, die Vorlage der Postmappe, Unterschriften sowie der Postversand sind somit nicht mehr notwendig: Der fertige Schriftsatz wird vom Sekretariat versandfertig im Ausgangskorb der Fachsoftware oder dem beSt-Basis-Client hinterlegt, vom Steuerberater bzw. der Steuerberaterin geprüft und versendet. Für diesen eigenhändigen Versandvorgang setzen die Steuerberater:innen den Online-Ausweis ein, was das Verfahren noch sicherer macht.
Welche Maßnahmen sollten Steuerberater:innen in der Kanzlei treffen, um rechtzeitig zum 1.1.2023 das beSt nutzen zu können?
Claudia Kalina-Kerschbaum: Ich rate allen, sicherzustellen, dass ein neuer Personalausweis mit Online-Ausweisfunktion vorliegt. Denn darüber erfolgt bei der Steuerberaterplattform sowohl die Identifizierung als auch die Authentifizierung des Berufsträgers. Bei allen neuen Ausweisen ab 2017 ist die Online-Ausweisfunktion automatisch aktiviert. Wer einen älteren Personalausweis hat oder in der damaligen freiwilligen Nutzungsphase von der Online-Funktion keinen Gebrauch machen wollte, kann sich diese im Bürgeramt freischalten lassen. Das ist i. d. R. kostenfrei. Bei wem die Online-Ausweisfunktion bereits freigeschaltet ist, der hat für seinen Online-Ausweis per Post eine fünfstellige Transport-PIN erhalten, die vor Nutzung der Online-Ausweisfunktion unter „PIN-Verwaltung“ in eine selbstgewählte, sechsstellige PIN geändert werden muss. Auch wer seine Transport-PIN nicht mehr findet oder seine PIN vergessen hat, muss ins Bürgeramt. Eine neue Transport-PIN kann dort beantragt bzw. eine neue PIN kostenfrei vergeben werden. Leider ist dies aus Sicherheitsgründen nicht direkt in der AusweisApp2 möglich.
Wem der Weg ins Bürgeramt zu umständlich ist, der kann die Website https://pin-ruecksetzbrief-bestellen.de nutzen und die nötige PIN online bestellen. Als Hardwarekomponente ist ein zertifizierter Kartenleser notwendig, alternativ dazu kann ein NFC-fähiges, unterstütztes Smartphone oder Tablet in Verbindung mit der AusweisApp2 verwendet werden. Für die Mandant:innen bestehen keine Verpflichtungen und kein gesonderter Handlungsbedarf. Für Steuerberater:innen, die in Deutschland zugelassen sind, jedoch keine deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und somit auch keinen Personalausweis haben, gibt es natürlich auch einen Weg: Für Bürger:innen der EU und Angehörige des EWR wurde zum 1.1.2021 die eID-Karte mit Online-Ausweisfunktion eingeführt. Die eID-Karte verfügt ebenso wie der Online-Ausweis über die notwendige eID-Funktion und kann somit für die Registrierung bei der Steuerberaterplattform verwendet werden.
Gibt es bereits weitere Ideen zum Ausbau der Steuerberaterplattform?
Claudia Kalina-Kerschbaum: Der weitere Ausbau der Steuerberaterplattform erfolgt schrittweise: In diesen kommenden Ausbaustufen soll die Steuerberaterplattform für weitere Anwendungen einen sicheren Raum darstellen. Mit der digitalen Identität der steuerlichen Berater:innen sollen weitere Kommunikationen wie beispielsweise auch mit den Sozialträgern auf einem hohen Sicherheitsniveau digital durchgeführt werden können.
Die Anbindung des ELSTER-Unternehmenskontos und die Anbindung der Vollmachtsdatenbank sind im Gespräch, weitere Details der kommenden Ausbaustufe sind zurzeit in Planung.
Claudia Kalina-Kerschbaum studierte Rechtswissenschaften in Osnabrück und spezialisierte sich nach dem 2. Staatsexamen im Steuerrecht mit dem LL.M Taxation. Seit 2001 ist sie für die Bundessteuerberaterkammer tätig, ab 2016 als Geschäftsführerin.
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