Steuerberaterkongress

Von Nadia Neuendorf

Was kann die Politik tun, um die Arbeitsbelastung von Steuerberaterinnen und Steuerberatern zu reduzieren? Weniger Ideologie und mehr Pragmatismus – meint Prof. Dr. Hartmut Schwab, Präsident der Bundessteuerberaterkammer, und forderte in seiner Eröffnungsrede auf dem diesjährigen 61. Deutschen Steuerberaterkongress am 8. und 9. Mai in Hamburg eine Unternehmenssteuerreform sowie ein Gesamtkonzept für Bürokratieabbau und Digitalisierung.
Damit stimmte er die rund 1.400 Besucherinnen und Besucher auf die zentralen Themen des diesjährigen Steuerberaterkongresses ein. Dieser war geprägt von Vorträgen und Diskussionen zu Digitalisierung, künstlicher Intelligenz (KI) – einschließlich des vielbesprochenen ChatGPT –, Personalmangel und Förderung von jungen Steuerberater:innen. Zudem bot Bundesfinanzminister Christian Lindner in seiner Keynote Einblicke in die steuerpolitischen Vorhaben der Bundesregierung. Die wichtigsten Eindrücke und Themen haben wir im folgenden Bericht für Sie zusammengefasst.

Eröffnungsrede von Prof. Dr. Hartmut Schwab, Präsident der Bundessteuerberaterkammer

Steuerberatung zwischen Bürokratie und Fachkräftemangel

Prof. Dr. Hartmut Schwab, Präsident der Bundessteuerberaterkammer, verwies in seiner Eröffnungsrede auf die wachsende Bürokratie, die damit verbundene hohe Arbeitsbelastung in Steuerkanzleien und den gleichzeitigen Mangel an Arbeitskräften. „Die überbordende Bürokratie erdrückt uns“, so Prof. Dr. Schwab. Er appellierte an die Politik, bestehende Maßnahmen zu evaluieren und Bürokratie abzubauen, anstatt Berufsstand und Wirtschaft mit neuen Pflichten zu belasten. Derzeit verliere man sich in „Klein-Klein und Kompromissen“. So sei das Gesetz zur Modernisierung der Betriebsprüfung in Wahrheit nur ein „Reförmchen“. Es brauche eine umfassende Unternehmenssteuerreform und ein entschlacktes Steuerrecht, um Deutschland als Wirtschaftsstandort zu „entfesseln“ und für Unternehmen wieder attraktiver zu machen. Zugleich sei die Digitalisierung ein zentrales Element zur Entlastung und Vernetzung.

Ein weiteres Problem – der Fachkräftemangel. Dabei sei der Beruf des Steuerberaters bzw. der Steuerberaterin „cooler, als Fußballprofi zu sein“, wie das Beispiel Hannover 96-Spieler Hendrik Weydandt zeige, scherzte der Präsident der Bundessteuerberaterkammer. ChatGPT und KI können eine Lösung für dieses Problem sein, zudem brauche es moderne Bürokonzepte.

Christoph Keese zeigt, was mit dem KI-Bildprogramm Midjourney möglich ist

Wie verändert KI die Steuerberatung?

„Wir werden alle Programmierer werden; Programmierer werden nicht abgeschafft“, ließ Bestseller-Autor und Digitalisierungsberater Christoph Keese verlauten, der den roten Faden der Digitalisierung in seinem Vortrag „Zukunft made in Germany“ aufgriff. KI und dazugehörige Qualifikationen seien schon jetzt in Stellenausschreibungen von Amazon die wichtigste Qualifikation. Auch für den Fortbestand des Berufsstands der Steuerberater:innen seien Digitalisierung, KI und Co. essenziell. Doch wie genau verändert KI die Steuerberatung? Laut Keese gibt es drei zentrale Veränderungen:

  1. Die Kernaufgaben von Steuerkanzleien verändern sich.
  2. Die Erwartungshaltung von Mandant:innen verändert sich.
  3. Die Ausbildung von Steuerberater:innen verändert sich.

Es folgte eine Podiumsdiskussion zwischen Christoph Keese, Prof. Dr. Hartmut Schwab und StB Stefan Groß. Groß beschäftige sich seit Veröffentlichung von ChatGPT ausgiebig mit dem KI-Tool und fasst seine Erkenntnisse der letzten Monate mit den Worten „ChatGPT wird verändern, was wir als Wissensarbeiter tun“ zusammen. Der Mensch bleibe im Mittelpunkt, doch wo die Bürokratie derzeit davon abhält, beratend tätig zu sein, können ChatGPT und KI neue Freiräume schaffen. Keese betrachtet künstliche Intelligenz gar als absolute Grundlage für das Arbeiten der Zukunft und zog den Vergleich zur Entwicklung von Strom und Telefon. Zumal die Steuerberatung ein perfektes Anwendungsgebiet für KI sei, da es sich um ein abgeschlossenes Wissensgebiet handelt. Nötig dafür sei die Verknüpfung mit steuerrechtlichen Datenbanken. Diese steht derzeit allerdings noch aus.

In der späteren Keynote von Bundesfinanzminister Christian Lindner sah dieser sinnvolle Einsatzmöglichkeiten von KI in der Finanzverwaltung, beispielsweise zur Entlastung bei repetitiven Standardtätigkeiten wie der Belegverarbeitung oder einfacheren Steuererklärungen. Dies würde Zeit für schöpferische Arbeit schaffen. Der Fachkräftemangel sei der größte Treiber für Vereinfachung und Digitalisierung im öffentlichen Sektor.

Karriereziel Selbstständigkeit?

Derzeit sind hierzulande 68 Prozent der Steuerberater:innen selbstständig, gleichzeitig liegt der Altersdurchschnitt von Steuerbevollmächtigten bei 53 Jahren. Angesichts anstehender Rentenwelle und Nachwuchsproblemen braucht es neue, junge Steuerberater:innen.
Am Nachmittag des ersten Kongresstages sollte der „Treffpunkt junge Steuerberater:innen“ diesen Berufsperspektiven und den Weg in die Selbstständigkeit aufzuzeigen. Drei junge Steuerberater:innen berichteten über ihre individuellen Karrierewege und Erfahrungen und standen für Fragen aus dem Plenum zur Verfügung. Neben der Neugründung einer Kanzlei, über die StBin Benita Königbauer berichtete, und dem Einstieg als Partnerin, den StBin Lina Anne Lustig gewählt hat, machte besonders das von StB Dennis von Hacht verfolgte Franchise-Modell über die Plattform steuerberaten.de neugierig.

Junge Steuerberater:innen berichten über ihre Herangehenweise an das Thema Selbstständigkeit

Es entstand ein konstruktiver und motivierender Austausch zum Einstieg in die Selbstständigkeit, der den einen oder die andere zum Nachdenken über eine eigene Kanzlei anregte.

Was bringt die neue Steuerberaterplattform?

Der zweite Tag des Steuerberaterkongresses startete u. a. mit dem Thema „Die neue Steuerberaterplattform – wie geht es weiter?“ Seit Start des beSt und der damit verbundenen passiven Nutzungspflicht zu Beginn des Jahres haben sich bislang rund 40 Prozent der Steuerbevollmächtigten registriert, um beispielsweise mit den Finanzgerichten zu kommunizieren. Per Fax eingereichte Klagen sind damit seit dem 1.1.2023 unwirksam. StB Wolf Oberhauser nutze das beSt außerdem zur Kommunikation mit Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten. So gebe es einen sicheren Weg, um elektronisch Dokumente auszutauschen, die dem Mandatsgeheimnis unterliegen.

Dr. Dieter Mehnert, Präsidiumsmitglied der BStBK, betrachtet die Einführung der Plattform inkl. besonderem elektronischen Steuerberaterpostfach als großen Schritt in die Zukunft. Er betonte, dass es der Kammer wichtig war, Vorreiter bei der Entwicklung einer digitalen Lösung zu sein, um nicht nur passiv auf die Vorgaben der Finanzverwaltung zu reagieren (so wie es beim ELSTER-System der Fall war).

Und wie geht es mit der Steuerberaterplattform weiter? Ziel ist es, eine Plattform zur medienbruchfreien Kommunikation und Kollaboration sowie zum Kontraktmanagement zwischen den Plattformnutzer:innen zu schaffen.

ChatGPT und KI als echte Unterstützung in der Steuerberatung

Ein mit Spannung erwarteter Vortrag war der Ausflug von Stefan Groß in die Welt von ChatGPT und KI in seinem Vortrag „E-Rechnung, Meldesysteme und warum KI zum Gamechanger im Steuerbereich werden könnte“. Erste echte steuerfachliche Anwendungsfälle von KI gebe es bereits mit dem Tool TaxIQ im Bereich der Umsatzsteuer und sogenannten Buchungsdetektoren, bei denen das Buchungsverhalten durch die Maschine überwacht und Kontierungen vorhergesagt werden – seit ChatGPT sei dies erstmals auch mit unstrukturierten Daten möglich.

Seit GPT-4 besteht der Chatbot außerdem bereits die Prüfung für Steuerfachangestellte, wie das Unternehmen Taxy.io herausgefunden hat. Dennoch ist auch Groß der Auffassung, dass Steuerberater:innen nicht ersetzt werden, sich das Berufsbild aber verändern wird. Eine begrüßenswerte Entwicklung, wenn man bedenkt, dass Steuerkanzleien derzeit mit Aufgaben überhäuft werden und wenig Zeit für strategische Arbeit bleibt.

Stefan Groß über KI in der Steuerberatung

Noch wurde ChatGPT kaum mit deutscher Steuerfachliteratur trainiert, dennoch kann das Tool bereits sehr gut für jegliche Textarbeiten wie Zusammenfassungen, Texterstellungen und Umformulierungen, oder auch zum Brainstorming verwendet werden. Und die KI lernt schnell und wird sicher schon bald auch mit dem deutschen Steuerrecht vertraut sein.

Steuerberaterkongress schafft Bewusstsein und unterstützt Steuerkanzleien auf dem Weg in die digitale Zukunft

Der Steuerberater bzw. die Steuerberaterin wird noch lange nicht überflüssig – darüber herrschte auf dem diesjährigen Steuerberaterkongress Einigkeit. Doch der Berufsstand steht derzeit vor nicht zu vernachlässigenden Herausforderungen: Reformen und Gesetze sorgen für wachsende Komplexität und Aufwand in den Kanzleien, die Steuerberater:innen selbst werden im Durchschnitt immer älter. Kanzleien suchen keine Mandant:innen, sondern Mandant:innen suchen Steuerberater:innen. Bundesfinanzminister Lindner stellte zwar einen Bürokratieabbau in Aussicht, machte aber auch klar, dass es für Projekte wie die Unternehmenssteuerreform derzeit keine Mehrheit im Bundestag gebe oder die Erhöhung der Freibeträge bei der Erbschaftssteuer von den Ländern initiiert werden müsse.

Nichtsdestotrotz scheint mit KI und ChatGPT ein unaufhaltsamer Prozess angestoßen worden zu sein, der nach aktuellem Stand mehr Chancen als Risiken birgt und die Arbeit von Steuerberater:innen langfristig (zum positiven) verändern wird, indem die Technologie im Gesamtkonstrukt Digitalisierung für echte Entlastung auf Kanzleiseite sorgt. So bleibt als Fazit des diesjährigen Steuerberaterkongresses die Hoffnung, dass herausfordernde Zeiten immer auch die Chance zur Verbesserung bieten.

Ausstellung und Netzwerken auf dem Steuerberaterkongress

 

Nadia Neuendorf
Nadia Neuendorf
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Nadia Neuendorf ist Leiterin des Produktmanagements im FFI-Verlag. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist das Thema Tax Tech.

Bild: FFI-Verlag

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