Berufsbild Steuerberater

Von Martina Anzer

Die Digitalisierung hat viele Bereiche unseres Lebens verändert und macht auch vor dem Beruf des Steuerberaters nicht halt: Immer mehr Prozesse werden automatisiert und digitalisiert. In diesem Beitrag werfen wir deswegen einen Blick auf die Zukunftsaussichten des Berufsfeldes und stellen sechs Anforderungen vor, die zukünftig auf diese Berufsgruppe zukommen – und verraten, wie Steuerberater:innen sich diesen neuen Herausforderungen stellen können.

1. Retrospektive Datenbetrachtung plus zukunftsweisende Strategieorientierung

Der Schwerpunkt der Tätigkeit in der Steuerberatung liegt naturgemäß auf der rückblickenden Betrachtung von Finanz- und Steuerdaten. Das wird auch so bleiben. Doch in Zukunft werden Steuerberater:innen stärker als bisher in Richtung Strategie der Mandant:innen denken und beraten.

Konkret heißt das, dass Steuerberater:innen immer mehr die Strategie ihrer Mandant:innen verstehen müssen. Hierbei geht es darum, die langfristigen Ziele zu kennen – z. B. der Zukauf von Firmen oder die Eröffnung neuer Betriebsstätten ­– und wie diese Ziele durch den Mandanten erreicht werden wollen. Wenn die Strategie Digitalisierungsprozesse in der Finanzbuchhaltung und im Controlling vorsieht, sollte sich der Steuerberater bzw. die Steuerberaterin frühzeitig mit den Datenquellen für Beleglose Finanzbuchhaltung auseinandersetzen oder mit automatisierten Zahlungsvorgängen z. B. bei der Lohnbuchhaltung.

2. Mehr in Auswertungen denken: Controlling als Basis für zukünftige Entscheidungen

Eine der neuen Anforderungen an den Beruf des Steuerberaters ist eine intensivere Ausrichtung auf das Controlling. Steuerberater:innen müssen verstärkt in Auswertungen denken und ihren Mandant:innen aufzeigen, welche Auswirkungen ihre Entscheidungen auf die finanzielle Situation des Unternehmens haben können. Dabei geht es nicht nur um die reine Erfassung von Daten, sondern auch um die sinnvolle Analyse und Interpretation dieser Daten.

Doch auch die Beratung in Bezug auf zukünftige Entwicklungen gewinnt an Stellenwert. Durch die Nutzung von Predictive-Analytics-Methoden können Steuerberater:innen ihren Mandant:innen Vorhersagen über mögliche Entwicklungen des Unternehmens liefern. Hierbei können beispielsweise Schwachstellen oder Chancen aufgedeckt werden, um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens langfristig zu sichern.

3. Vom reinen Dienstleistungserbringer zum Gesamtunternehmer

Zukünftig werden von der Managementebene in Kanzleien nicht nur Kenntnisse in den ureigenen Fachgebieten erwartet, sondern verstärkt eine unternehmerische Denkweise. Die Kanzleiführung sollte in der Lage sein, als Gesamtunternehmen zu agieren. Neben der Beratungsleistung als einem integralen Bestandteil des unternehmerischen Gesamtprozesses sind weitere Kernbereiche einer Organisation zu betrachten: Strategie und Management, Steuerung und Controlling, Wertschöpfung, Unternehmensführung, Mitarbeiterführung sowie Prozessmanagement.

Wenn Sie sich als Steuerberater:in auf Ihre Kernkompetenzen fokussieren möchten, stellen Sie eine:n kaufmännische:n Geschäftsführer:in für die Kanzlei ein. Oder wenn Sie nicht so hoch einsteigen wollen, etablieren Sie eine:n Kanzleimanager:in. Denn zukünftig geht es nicht nur um die Erfüllung der Beratungsleistung für die Mandant:innen, sondern auch um die kanzleiinterne Organisationsstruktur sowie die Harmonisierung von Prozessen und die Optimierung von Kostenstrukturen auch über verschiedene Standorte hinweg.

4. Mehr Führungsverantwortung im disziplinarischen Bereich

In Zeiten des Fachkräftemangels muss die Kanzleiführung mehr Führungsverantwortung übernehmen, um die Chance zu nutzen, sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren und qualifizierte Mitarbeitende zu gewinnen und vor allem zu halten.

Mehr Führungsverantwortung hat natürlich Auswirkungen auf die Führungskräfte selbst. Es ergeben sich neue Herausforderungen, wie zum Beispiel die Gewährleistung einer optimalen Zusammenarbeit und Kommunikation mit den Mitarbeitenden, die Entwicklung und Umsetzung von Strategien zur Mitarbeitermotivation und -bindung sowie die Förderung der individuellen Stärken und Fähigkeiten der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.

Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, müssen Steuerberater:innen ihre Führungskompetenzen stärken und sich gezielt weiterbilden. Dabei geht es nicht nur um fachliche Kompetenzen, sondern auch um soziale und kommunikative Fähigkeiten. Denn gerade im disziplinarischen Bereich ist es wichtig, ein gutes Verständnis für die individuellen Bedürfnisse und Erwartungen der Mitarbeitenden zu haben und darauf angemessen zu reagieren.

Wie kann die gelebte Führungsverantwortung konkret für die Mitarbeitenden in den Kanzleien aussehen? Hier ein paar Beispiele:

  • Es findet ein strukturiertes Onboarding statt, so dass neue Mitarbeitende schnell und umfassend eingearbeitet werden und ihre Aufgaben schnell eigenverantwortlich übernehmen können.
  • Regelmäßige Mitarbeitergespräche stützen die individuelle Mitarbeiterentwicklung genauso wie regelmäßige Fortbildungen.
  • Jährliche Zielvereinbarungen beziehen die Kompetenzen der Mitarbeitenden ein und sind an den Kanzleizielen ausgerichtet.
  • Die Mitarbeiter-Einsatz-Planung trägt zur sinnvollen und planbaren Auslastung bei.
  • Die durchdachte interne Kommunikation macht Mitarbeitende zu informierten Mitgliedern der Organisation, stärkt die Kanzleikultur und die Identifikation mit dem Unternehmen.

5. Vision als Schlüssel zum Erfolg: Ziele definieren und Erfolg zielen

Im digitalen Zeitalter ist es entscheidend, nicht nur auf die aktuellen Entwicklungen zu reagieren, sondern auch proaktiv die eigene Zukunft zu planen und Visionen (auch ohne Zutun eines Psychiaters) zu entwickeln. Nur wer eine klare Vision entwickelt, kann gezielt auf seine Ziele hinarbeiten.

Dabei sollten Sie sich in allen Facetten Ihre Wunschkanzlei der Zukunft vorstellen. Helfen können Ihnen dabei die folgenden Fragen:

  • Wie möchten Sie Ihre Mitarbeitenden führen?
  • Welche Wunschkund:innen möchten Sie gewinnen?
  • In welchen Branchen und Schwerpunkten möchten Sie tätig sein?
  • Welche Ziele möchten Sie erreichen?
  • Welche Standorte und Standortgrößen sind für Sie optimal?
  • Welche Kanzleikooperationen können Ihnen dabei helfen, Ihr Know-how zu erweitern und zu vertiefen?
  • Was genau brauchen Sie für die Umsetzung dieser Vorstellungen?

Nur wer sich ein Wunschbild geschaffen hat, kann es gezielt erreichen und die Kanzlei erfolgreich in die Zukunft führen. Es gilt also, eine klare Vision zu manifestieren und diese Vision aktiv zu verfolgen, um langfristig erfolgreich zu sein.

6. Die Möglichkeiten von KI für die eigene Arbeit nutzen

Es gibt bereits heute einige konkrete Beispiele, wie KI (Künstliche Intelligenz) von Steuerberater:innen eingesetzt werden kann. Eine Möglichkeit ist die automatisierte Datenanalyse und -verarbeitung, die von speziellen Softwareprogrammen durchgeführt wird. Diese Programme können beispielsweise Buchhaltungsdaten erfassen und analysieren, um automatisch Buchungen, Steuererklärungen oder Jahresabschlüsse zu erstellen. So entfallen z. B. manuelle Buchungen perspektivisch komplett. Auch die Identifikation von steuerlich relevanten Daten und Abweichungen kann mithilfe von KI-basierten Programmen automatisiert werden.

Ein weiteres Beispiel ist die Verwendung von Chatbots für Standardfragen in der Steuerberatung. Kund:innen können Fragen zu steuerlichen Themen über eine Chat-Funktion stellen und erhalten automatisierte Antworten von einem KI-Programm. Dadurch können Steuerkanzleien effektiver arbeiten und sich auf komplexere Fragen und Probleme konzentrieren, die eine menschliche Expertise erfordern.

Ein weiteres Beispiel ist die Nutzung von Machine-Learning-Algorithmen zur automatischen Kategorisierung von Buchhaltungsdaten. Hierbei können Muster in den Daten erkannt werden, um beispielsweise bestimmte Ausgaben automatisch steuerlich korrekt zu kategorisieren. Auch die Vorhersage von Trends oder die Identifikation von Risiken kann mithilfe von Machine-Learning-Algorithmen automatisiert werden.

All diese Beispiele zeigen, dass KI bereits heute in der Steuerberatung eine wichtige Rolle spielt und zukünftig noch weiter an Bedeutung gewinnen wird. Durch den Einsatz von KI können Steuerberater:innen effizienter und präziser arbeiten und sich auf komplexe, beratungsintensive Aufgaben konzentrieren, die eine menschliche Expertise erfordern. Deswegen ist es für Steuerberater:innen wichtig, sich mit diesem Thema zu beschäftigen, um das Potenzial der neuen Anwendungen nutzen zu können.

Fazit und Ausblick

Steuerberater:innen haben mit der digitalen Transformation die Chance, ihre Rolle aktiv zu gestalten und ihre Kanzleien zu erfolgreichen Unternehmen und attraktiven Arbeitgebern auszubauen. Wichtig ist es, sich der neuen Anforderungen bewusst zu sein, die Vision einer zukunftsfähigen Kanzlei zu manifestieren und konsequent an der Umsetzung zu arbeiten. Durch den Einsatz von technischen Lösungen und KI erledigen Steuerberater:innen ihre Arbeit schneller und effizienter. Sie können sich mehr auf die Beratung ihrer Mandanten und Mandantinnen konzentrieren und ihnen so ein wegweisender Berater für zukünftige Entwicklungen sein. Steuerberater:innen müssen somit keine Angst davor haben, dass sich das  Berufsbild  ändern wird – viel mehr liegen hier viele neue Chancen zur Arbeitsoptimierung, wenn diese richtig genutzt werden.

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Martina Anzer ist eine der Gründerinnen der twinnovativ GmbH Managementberatung und verantwortet die Sparte Kanzleieinwicklung für Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen. Gemeinsam mit ihrem Team hat sie es sich zur Aufgabe gemacht, veränderungsoffene Kanzleien mit dem systemischen Ansatz zu unterstützen, sodass sie für die Zukunft gut aufgestellt sind und gleichzeitig zu mehr Planbarkeit, mehr Zeit und mehr Rentabilität kommen.

Bild: Adobe Stock/©pishit

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