Von Melchior Neumann
ChatGPT macht gerade branchen- und medienübergreifend Schlagzeilen und sorgt dafür, dass überall über künstliche Intelligenz gesprochen wird. Was Sie als Steuerberater:innen zum ChatGPT und sinnvollen Einsatzmöglichkeiten in der Steuerkanzlei wissen sollten, haben wir im Folgenden zusammengefasst.
Was ist ChatGPT?
ChatGPT ist ein Programm des US-amerikanischen Unternehmens OpenAI. OpenAI hat sich auf die Entwicklung von Technologien im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) spezialisiert. KI (oder AI für artificial intelligence) ist ein Gebiet, das sich damit beschäftigt, wie Computer ähnlich dem menschlichen Vorbild „denken“ und „lernen“ können.
ChatGPT gehört zu den als „Sprachmodelle“ bezeichneten KI-Systemen. Diese wurden entwickelt, um menschliche Sprache zu verstehen und darauf zu reagieren. Im Fall von ChatGPT wurde das Programm darauf trainiert, auf natürlich gestellte Fragen zu antworten. Das bedeutet, dass es in der Lage ist, menschenähnliche Antworten auf Fragen zu geben, die es noch nie zuvor gehört hat. Zudem lernt ChatGPT aus laufenden Dialogen und erzielt damit im Laufe der Zeit immer bessere Ergebnisse.
OpenAI hat ChatGPT entwickelt, um es Unternehmen und Entwickler:innen zur Verfügung zu stellen, damit diese es in ihre eigenen Anwendungen und Produkte integrieren können. In den nächsten Monaten und Jahren werden daher zahlreiche Softwarelösungen auf den Markt kommen, die ChatGPT implementiert haben.
Wie funktioniert ChatGPT?
ChatGPT ist aktuell kostenlos und ist wirklich einfach zu nutzen:
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- Rufen Sie die OpenAI-Website auf: chat.openai.com/chat
- Legen Sie ein kostenloses Konto an oder melden Sie sich mit Ihren Anmeldeinformationen an.
- Geben Sie Ihre Frage oder Anforderung ein und drücken Sie die Eingabetaste.
- Der Chatbot wird Ihnen eine Antwort auf Ihre Frage geben. Wenn Sie weitere Fragen haben, können Sie einfach eine neue Frage eingeben.
- Um Ihre Interaktion zu beenden, klicken Sie auf die Schaltfläche „Beenden“ oder schließen das Fenster.
Wie kann ChatGPT in der Steuerberatung verwendet werden?
Bislang ist das Chat-Tool eine spannende Spielerei und es ist interessant, sich ein Rezept für einen Käsekuchen schreiben zu lassen, nach möglichen Outdoor-Aktivitäten am Bodensee zu fragen oder sich eine Gute-Nacht-Geschichte für die Tochter generieren zu lassen.
Richtig spannend wird es aber, wenn die KI zum aktiven Mitarbeitenden im Kanzleialltag wird. Und dieses Potenzial hat die Software auf jeden Fall!
1. Kommunikation und Schriftstücke
ChatGPT ist der ideale Ghostwriter: So ist eine Einsatzmöglichkeit die Unterstützung bei der Kommunikation und Erstellung von Schriftstücken. Denn vielen Menschen fällt es leichter, auf vorhandenen Textentwürfen aufzubauen, als von Grund auf neu zu schreiben.
ChatGPT kann dabei helfen, indem es Entwürfe für E-Mails, Briefe und Mandantenschreiben liefert, die zum Teil so gut sind, dass sie 1:1 übernommen werden können. Auch für fachliche Texte kann ChatGPT erste Vorschläge liefern, allerdings ist hier Vorsicht geboten, da die KI nicht die Irrungen und Wirrungen des deutschen Steuerrechts kennt. Und Sie als Berufsträger:in sind selbstverständlich für die Texte verantwortlich sind, die Sie verwenden.
Durch die Verwendung von Adjektiven wie formell, überzeugend, humorvoll kann die Tonalität der von ChatGPT erstellten Texte je nach Bedarf zusätzlich beeinflusst werden.
Sollten die Ergebnisse nicht zufriedenstellend sein, kann es hilfreich sein, Stichpunkte zu schreiben und ChatGPT das Ausformulieren übernehmen zu lassen.
2. Zusammenfassungen von Texten
ChatGPT ist auf dem Stand von 2021, weshalb es keine Informationen aus 2022 (und später) kennt und dementsprechend nicht berücksichtigen kann. Um mit neueren Informationen zu arbeiten, kann man jedoch ganze Texte in das Chatfeld kopieren und ChatGPT damit arbeiten lassen.
Eine der großen Stärken von ChatGPT ist die Zusammenfassung von langen und komplizierten Texten. Beispielsweise kann man das letzte BMF-Schreiben oder ein BFH-Urteil in den Chat kopieren und ChatGPT bitten, eine Zusammenfassung in Bulletpoints zu schreiben. Falls Fragen zur Zusammenfassung bestehen, kann man einfach Rückfragen stellen, wie "Gilt das Beschriebene auch für natürliche Personen?" ChatGPT wird diese Fragen beantworten, sofern die Informationen in der Quelle vorhanden sind.
Marketing (Social Media, Blog usw.)
Insbesondere im Marketing kann ChatGPT dabei helfen, klare und verständliche Botschaften zu erstellen, die die Leistungen der Kanzlei effektiv kommunizieren. Ein Beispiel dafür ist die Erstellung von Social Media Posts, Marketing-E-Mails oder Blogbeiträgen.
Durch die Verwendung natürlicher Sprache und einer einfachen Ausdrucksweise kann das Tool dafür sorgen, dass die Inhalte leicht verständlich und ansprechend sind. Denn besonders im Marketing geht es weniger um fachliche Akribie als um klare, verständliche Botschaften.
Präsentationen
ChatGPT kann außerdem bei der Vorbereitung von Präsentationen helfen. Zum Beispiel kann die KI dabei helfen, die Präsentation zu strukturieren, die Inhalte zu organisieren und zu gliedern und die wichtigsten Botschaften hervorzuheben. Denn auch bei Präsentationen geht es mehr um prägnante Darstellungen, was ChatGPT meiner Erfahrung nach sehr gut erledigen kann.
Was kann ChatGPT NICHT?
Klingt zu gut, um wahr zu sein, oder? ChatGPT ist wie ein kostenloser zusätzlicher Mitarbeiter, der Ihnen und Ihrer Kanzlei rund um die Uhr zur Verfügung steht. Mehr noch: Aufgrund der Geschwindigkeit handelt es sich eher um eine ganze Armee an kostenlosen zusätzlichen Mitarbeitenden, die jede beliebige Anfrage innerhalb von Sekunden recherchiert und Ihnen die Ergebnisse vorlegt.
Das Problem: Diese Mitarbeitenden haben durchaus ihre Schwächen und sind zumindest im Steuerrecht nicht die qualifiziertesten. Man hat es also mit einer Armee von kostenlosen Schülerpraktikant:innen zu tun. Das kann eine wertvolle Hilfe sein, aber nicht für jede Aufgabe.
Schauen wir uns an, was ChatGPT (noch) nicht kann:
Aktuelle News
ChatGPT ist ein Modell, das auf einer großen Textmenge trainiert wurde. Da es jedoch ein bestimmtes „Kenntnis-Cutoff-Datum“ hat, kann es nicht auf aktuelle Nachrichten zugreifen, die nach diesem Zeitpunkt stattgefunden haben. Dieses Datum ist Ende 2021.
Wenn Sie also Hilfe beim Jahressteuergesetz 2022, bei den letzten BFH-Urteilen oder Ähnlichem benötigen, kann Ihnen ChatGPT nicht ohne Weiteres helfen. Sie müssen bei allen Ereignissen, die nach 2021 geschehen sind, die jeweilige Quelle mit in den Chat kopieren, um aktuelle Ergebnisse zu erhalten.
Fachliche Details
Die KI von OpenAI hat Probleme bei zu spezifischen Themen. Und wenn wir das weltweite Wissen als Ganzes betrachten, dann ist das deutsche Steuerrecht unglaublich spezifisch. Sie sollten sich also nicht ohne Weiteres auf die fachlichen Informationen verlassen, die Ihnen ChatGPT liefert. Auch wenn sich der Chat manchmal sehr menschlich anfühlt, sollte einem jederzeit bewusst sein, dass es ausdrücklich NICHT für eine steuerliche Beratung geeignet ist.
Menschenverstand
ChatGPT ist eine Maschine und kein Mensch. Das klingt zunächst trivial, ist aber wichtig. Eine KI kann nur zu Dingen Auskunft geben, zu der sie mal etwas gelernt hat. Das ist bei uns Menschen auch so, aber wir Menschen machen beim Denken mehr, als nur reines Wissen wiederzugeben. Wir interpretieren, wir verstehen die Intention des Fragenden, wir hinterfragen die Frage, wir setzen Informationen in einen Kontext usw. Bei all diesen Dingen ist der Mensch einer KI überlegen.
ChatGPT ist wahrscheinlich die intelligenteste Maschine, die es bisher gab. Aber es bleibt eine Maschine. Sowas wie gesunden Menschenverstand kann man bei einem Nicht-Menschen nicht erwarten.
Ausblick: Was wir in Zukunft erwarten können
In den nächsten Jahren ist zu erwarten, dass sich ChatGPT und KI im Allgemeinen in Bezug auf Leistung und Genauigkeit verbessert werden. Einige der wichtigsten Entwicklungen werden wahrscheinlich in den Bereichen Sprachverarbeitung, maschinelles Lernen und Computer Vision stattfinden. Ein weiteres wichtiges Gebiet, auf das sich Forscher aktuell konzentrieren, ist die Erstellung von KI-Systemen, die in der Lage sind, komplexe Aufgaben wie Problemlösung, Planung und Entscheidungsfindung auszuführen.
Dies betrifft auch das Recht im Allgemeinen und das Steuerrecht im Speziellen. Es ist davon auszugehen, dass die Technologie immer besser wird und immer spezifischere Antworten im Bereich der Beratung geben wird. Da Steuerberatung aber deutlich mehr ist, als schematisch Wissen abzurufen, ist nicht davon auszugehen, dass Steuerberater:innen bald arbeitslos sind. Wir haben nun vielmehr ein neues Werkzeug an der Hand, das in den nächsten Jahren immer besser werden wird.
Die KI wird niemandem den Job wegnehmen, aber Menschen, die eine KI nutzen, werden es tun.
Melchior Neumann
Melchior Neumann ist Chief Tax Officer (CXO) bei Kontist und Tax Engineer der Kontist Steuerberatung in Berlin. In dieser Rolle arbeitet er an der Schnittstelle zwischen Steuern und Technologie. Als Mitgründer des Kontist Steuerservice ist es seine Aufgabe, die Strategie im Bereich der Steuerberatung zu entwickeln und das Angebot auszubauen. Das Thema künstliche Intelligenz ist dabei ein wichtiger Bestandteil.
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