Von Marion Ketteler
Die allermeisten Steuerkanzleien haben sie: die Skeptiker:innen, die sich einfach nicht auf eine digitale Zusammenarbeit einlassen.
Die einen stehen dem Einsatz digitaler Programme skeptisch gegenüber. Andere wollen einfach an ihrem gewohnten analogen Ablauf festhalten. Wie beide Gruppen von einer digitalen Zusammenarbeit überzeugt werden können, erfahren Sie hier.
Digitale Skeptiker:innen
In jeder Kanzlei gibt es Unternehmensmandant:innen, die selbst nur sehr eingeschränkt digital arbeiten. Das hängt weniger an der Branche, als an den Inhaber:innen selbst. Obwohl sie ihre eigenen Prozesse und Abläufe längst digital abbilden könnten, arbeiten sie noch weitestgehend analog. Sie stehen der Digitalisierung grundsätzlich skeptisch gegenüber.
Praxisbeispiel:
Es gibt Küchenbauer, die kommen mit einem karierten Papierblock und einem Bleistift, um die neu zu planenden Küche zu vermessen. Den Zollstock haben sie in der Hosentasche und Fotos werden mit dem Handy gemacht.
Der andere rückt mit einer um 360 Grad schwenkbaren Kamera an, um den Raum digital abzubilden. Der erste präsentiert im Nachgang einen handgezeichneten Entwurf auf Pergamentpapier, während der zweite mit einer digitalen 3D-Präsentation inklusive mehrerer Entwürfe vorbeikommt. Die Arbeitsweise ist trotz gleicher Auftragslage sehr unterschiedlich.
Nostalgische Skeptiker:innen
Die andere Sorte Unternehmer:innen, die schwer von einer digitalen Zusammenarbeit mit der Kanzlei zu überzeugen sind, sind die „nostalgischen Skeptiker:innen“. Oftmals treue und langjährige Mandant:innen, die seit Jahren monatlich mit ihrem Buchhaltungsordner in die Kanzlei kommen. Im Ordner befinden sich die Belege in der immer gleichen Sortierung.
Die Anfahrt und der Übergabeprozess sind ebenso eingespielt wie die Ablage in der Akte. Diese Mandant:innen kommen gar nicht auf die Idee, an der gewohnten Vorgehensweise zu rütteln. Es funktioniert ja seit Jahren alles bestens. Sie sind die Bewahrer:innen und Nostalgiker:innen.
Es sind die Menschen, nicht die Technik oder der Unternehmensinhalt, die die digitale Zusammenarbeit beeinflussen
Für beide Fälle gilt: ob die Mandantschaft gerne digital mit der Steuerkanzlei zusammenarbeitet, hat weder etwas mit dem konkreten Unternehmensinhalt noch mit der eigentlichen Technik zu tun. Es ist immer der einzelne Mensch, der von der digitalen Zusammenarbeit überzeugt werden muss und der seine spezifischen Vorbehalte hat.
Deswegen reicht es nicht aus, nur für die technische Zusammenarbeit zu werben und diese zu erklären. Denn sie ist nicht das eigentliche Problem der Skeptiker:innen.
Fünf Argumente, um Skeptiker:innen von der digitalen Zusammenarbeit zu überzeugen
Da jeder Mandant und jede Mandantin anders ist und jede:r das Unternehmen auf die eigene Art und Weise führt, greifen hier nicht die Argumente, die die anderen Mandant:innen überzeugt haben. Denn sonst wären sie schon längst in die digitale Zusammenarbeit eingestiegen.
Es gilt also, auf die individuelle Situation einzugehen und sie individuell von der Digitalisierung zu überzeugen.
Digitale Skeptiker:innen können mit folgenden Argumenten überzeugt werden:
1. Argument: Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit
Der Küchenbauer aus dem obigen Beispiel wird über kurz oder lang nicht mehr konkurrenzfähig sein, weil sich die Kundenerwartung verändert hat. Kund:innen erwarten heute eine digitale Animation der zukünftigen Küche mit der Möglichkeit, gewünschte Änderungen schnell sichtbar zu machen: dort ein Schrank mehr oder weniger, andere Griffe, und den Küchenblock bitte etwas weiter in den Raum hinein. Hier ein Klick, da eine Eingabe und das Ergebnis soll bitte sofort sichtbar sein.
Der analog arbeitende Küchenbauer kann dies nicht leisten. Oder nur mit hohem Zeitaufwand, der die Kosten schnell in die Höhe treibt. Das ist für den Markt nicht mehr attraktiv.
Dieses Argument gilt auch für die digitale Zusammenarbeit mit der Steuerkanzlei: Wer sich jetzt nicht um eine digitale Zusammenarbeit bemüht, wird über kurz oder lang nicht mehr Mandant:in sein können oder horrende Honorare zahlen müssen. Eine hochqualifizierte und teure Arbeitskraft mit der händischen Eingabe von Daten zu betreuen, wird sich das Unternehmen auf Dauer wohl nicht leisten können. Entweder stellt man seine Daten digital bereit oder muss mit saftigen Honorarerhöhungen kalkulieren.
Um wirklich zu überzeugen, ist es ratsam, ein Beispiel wie das oben genannte aus dem Unternehmenskontext der Mandantschaft vorzubereiten. So kann die Argumentation leichter nachvollzogen werden.
2. Argument: Jede:r kann Technik lernen. Auch analoge Mandant:innen
Um die Mandantschaft vom digitalen Rechnungsmanagement zu überzeugen, hilft die Analogie Smartphone. Wir alle haben gelernt, ein Smartphone zu bedienen. Diese damals gänzlich neue Technik gibt es schließlich noch nicht ewig. Wenn die Mandantschaft den Umgang damit erlernt hat, wird sie die digitale Belegerfassung allemal schaffen.
Manchmal ist die innere Abwehr gegenüber einer unbekannten Technik mental so hoch, dass die Mandantin oder der Mandant sich schlicht scheut, den ersten Schritt zu machen. Dann ist dieser Vergleich sehr hilfreich. Sie veranschaulicht, dass jeder die Technik erlernen und mit der Zeit ganz selbstverständlich nutzen kann.
Zumal Ihre Kanzlei die Mandant:innen gut an die Hand nimmt und bei der Einführung der digitalen Abläufe begleitet. Hier hilft ein gutes und einfach nachvollziehbares Einarbeitungskonzept seitens der Kanzlei enorm, um die Hürde der Digitalisierung überwindbar erscheinen zu lassen.
3. Argument: Keine überflüssigen Fahrten und Fahrtzeiten mehr
Dieses Argument ist etwas für den nostalgischen Skeptiker: Die monatliche Fahrt zum Steuerbüro entfällt. Eventuell überzeugt ihn bereits der Umweltaspekt, über den möglicherweise noch nicht nachgedacht wurde. Oder auch der zeitliche Aspekt, je nachdem, wie lange der Weg zur Kanzlei ist.
Wenn auch das nicht überzeugt, geht es der Mandantin oder dem Mandanten nicht nur um die persönliche Abgabe der Unterlagen. Es ist ein liebgewonnenes Ritual, das durch eine Alternative abgelöst werden sollte.
Eine Möglichkeit ist es, dem Mandanten oder der Mandantin ein zunächst kostenloses, und zu einem späteren Zeitpunkt kostenpflichtiges, Quartalsgespräch anzubieten, in dem alle Fragen und Anliegen garantiert und unterjährig geklärt werden und es weiterhin einen Anlass gibt, die Kanzlei aufzusuchen.
Vielleicht reicht auch das Angebot eines Telefonats mit der sachbearbeitenden Person vor der Erstellung der Buchhaltung, damit weiterhin die Möglichkeit besteht, Fragen zu stellen. Bei diesen Mandant:innen wäre es ideal, herauszufinden, was der jeweilige Vorteil für sie ist, die Belege persönlich in der Steuerkanzlei abzugeben. So kann passgenau eine Alternative angeboten werden.
4. Argument: Ein digitales Belegarchiv statt Schränke voller Ordner schafft Platz und sorgt für schnelle Informationen
Ein digitales Belegarchiv hat diverse Vorteile: Das Unternehmen kann die eigenen analogen Ordner abschaffen und bei online archivierten Dokumenten per Stichwortsuche schnell den Beleg finden, der gerade benötigt wird. Das nimmt wesentlich weniger Platz in Anspruch und der Zugriff auf einzelne Rechnungen kann bequem und schnell am eigenen PC erfolgen.
Darüber hinaus ist die Kanzlei für jegliche Prüfungen optimal vorbereitet. So ist es nicht mehr nötig, entsprechende Ordner zusammenzusuchen und vorbeizubringen. Das spart Geld, Zeit und nicht selten Nerven.
5. Argument: Datenschutz statt Versicherungsschutz
Wer seine Belege digital aufbewahrt, muss sich Gedanken zum Datenschutz machen. Durch die Nutzung der vom Steuerbüro gewählten Systeme ist dieses Thema für die Mandantschaft bereits berücksichtigt. Anders als bei einem Wasserschaden im Belegarchiv des Unternehmens, der kurz vor der nächsten Betriebsprüfung passiert.
6. Argument: Einführung der E-Rechnung
Die Einführung der E-Rechnung ist ein weiteres starkes Argument für die Digitalisierung in Steuerkanzleien. Ab dem 1. Januar 2025 müssen Unternehmen im B2B-Bereich elektronische Rechnungen empfangen können. Diese gesetzliche Verpflichtung erfordert die Implementierung digitaler Prozesse und geeigneter Softwarelösungen. Der Umstieg auf die E-Rechnung bietet daher eine ideale Gelegenheit, bestehende Mandant:innen auf diese Pflicht hinzuweisen, sie von den Vorteilen der digitalen Zusammenarbeit zu überzeugen und ihnen die notwendigen Maßnahmen aufzuzeigen.
Fazit
Nicht jedes Argument passt zu jedem Mandantenunternehmen und wird überzeugen. Im persönlichen Gespräch können die spezifischen Vorbehalte benannt und gemeinsam die nächsten Schritte entwickelt werden. Jedoch muss das Ziel der Steuerkanzlei klar sein: Langfristig wird es nur eine digitale Zusammenarbeit geben. Darüber lässt ich nicht verhandeln. Nur der Weg dahin ist verhandelbar.
Marion Ketteler ist Coach und Beraterin für Steuerkanzleien. Ihre Schwerpunkte sind Change-Prozesse, Arbeitsorganisation und Führung.
Sie kommt selbst aus der Branche und ist Inhaberin des Beratungsunternehmens Kanzleiprofiling.
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