fehler digitalisierung

Von Carmen Hauser

Stehen Sie vor der Entscheidung Ihre Kanzleidigitalisierung auf das nächste Level zu heben? Haben Sie die analogen Uhren schon auf digitale Uhren umgestellt? Möglicherweise haben Sie schon erste Varianten in Richtung Digitalisierung versucht, aber den Durchbruch und grenzenlose Begeisterung für Ihre Mitarbeitenden haben Sie noch nicht erreicht. Hätten Sie jetzt gerne das Geheimrezept, wie Sie die häufigsten Digitalisierungsfehler, die andere Steuerberater:innen bereits gemacht haben, umgehen können? Herzlich willkommen zu unserer Serie „Fünf Digitalisierungsfehler, die Sie als Steuerberater:in unbedingt vermeiden müssen“. In dieser Serie werden wir uns mit den häufigsten Fehlern befassen, die Steuerberater:innen bei der Digitalisierung machen, und Wege aufzeigen, wie Sie diese vermeiden können. Heute präsentieren wir Teil 1 dieser Serie und werden uns mit den ersten beiden Fehlern auseinandersetzen.

Eins ist uns allen klar, die Digitalisierung bietet eine Vielzahl an Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung und Verbesserung der Kanzleiprozesse. Dennoch gehen viele Kanzleien Irrwege oder scheitern schon zu Beginn bei der Umsetzung ihrer Vorhaben. Warum ist das so?

Fehler Nummer 1: Keine klare Strategie

Viele Steuerberatungskanzleien haben ihre Digitalisierungsreise mit der unkoordinierten Auswahl bzw. Integration von Einzellösungen begonnen. Die meisten dieser Kanzleien sind in der ersten Euphorie beeindruckt von künstlicher Intelligenz und einer versprochenen Effektivität von OCR-Prozessen oder einer Zeitersparnis von 90 Prozent in der Belegverarbeitung und haben daher eine Software des Anbieters X gekauft.

Damit nicht genug, oft gipfelt es darin, dass neu angeschaffte Systeme nicht nahtlos in die bestehende Systemlandschaft integriert werden können. Das hat schwerwiegende Folgen: Die Integration nicht kompatibler Systeme führt zu erhöhtem manuellem Aufwand und gefährdet das Digitalisierungsprojekt erheblich. Oftmals reiht sich noch der Verlust an Effizienz und Produktivität mit einer geballten Ladung an Frustpotenzial ein und zu guter Letzt auch die Annahme, dass sich die Digitalisierung für die Kanzlei nicht bezahlt mache. Wo liegt der Fehler? Nicht bedacht wird dabei, dass singuläre Prozesse und Lösungen langfristig nie gegenüber durchdachten Gesamtprozessen gewinnen können! PS: Das bloße Umwandeln von bisherigen analogen Prozessen auf digital ist nicht digital!

Steuerberatungskanzleien, die keine klare Digitalisierungsstrategie haben, riskieren auch, den Anschluss zu verlieren. Andere Kanzleien, die ihre Digitalisierung erfolgreich und strukturiert vorantreiben, bieten ihren Mandant:innen bereits modernere Dienstleistungen und eine bessere Kundenerfahrung. Ohne diese klare Strategie können Kanzleien den Anforderungen des digitalen Zeitalters nicht gerecht werden und laufen Gefahr, von Wettbewerbern überholt zu werden.

Fazit:

Digitalisierung beschränkt sich nicht auf den Kauf einer einzelnen Softwarelösung, z. B. mit Belegauslesefunktion. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Steuerberater:innen eine klare Vision und klare Ziele für ihre digitale Transformation von A bis Z entwickeln. Dies umfasst die Festlegung der zu erreichenden Meilensteine, die Auswahl der geeigneten Technologie, den geeigneten Digitalisierungspartner, der diese Bedürfnisse auch umsetzen und erfüllen kann, die Berücksichtigung der Anforderungen und Bedürfnisse der eigenen Kanzlei, Stichwort: Wie nimmt man Mitarbeitende auf die Digitalisierungsreise mit und wie werden Mandant:innen schlussendlich an digitale Prozesse angebunden?

Eine gut durchdachte Strategie bildet das Fundament für eine erfolgreiche Digitalisierung und ermöglicht es Kanzleien, die Vorteile der neuen digitalen Möglichkeiten bis hin zu Umsatzwachstum und Wettbewerbsvorteilen mit digitalen Dienstleistungen und einer klaren Markenpositionierung voll auszuschöpfen. Die Digitalisierung bietet enorme Chancen in der Positionierung und langfristigen Mandantenbindung, aber ohne eine klare Strategie bleibt dieses Potenzial ungenutzt und macht diese Kanzleien in Zukunft überflüssig.

Fehler Nummer 2: Keine Expertencoachings in Anspruch nehmen

Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, wie Prozesse effizienter gestaltet und Mandant:innen durch digitale Services besser bedient werden können.

Oftmals fehlt es den Mitarbeitenden aber an Bewusstsein für diese Möglichkeiten, da sie im Tagesgeschäft gefangen sind und sich nicht die Zeit nehmen, die Strategie und die Prozesse zu hinterfragen.

Ein Beispiel für solche Prozessverbesserungen ist die Überprüfung und Anpassung der Rechnungsverarbeitung. Kennen Sie folgende Situation aus dem Kanzleialltag? Oftmals werden Rechnungen in Zehnerpaketen eingescannt, später mühsam zusammengeführt und einzeln verbucht. Durch eine einfache Anpassung der Vorgehensweise, beispielsweise das Sammeln und Weiterleiten der Rechnungen per E-Mail, können wertvolle Zeit und Ressourcen eingespart werden. Es ist wichtig zu verstehen, dass solche Prozessänderungen keine Frage des Alters oder der Erfahrung der Mitarbeitenden sind. Jeder kann von Veränderungen und Verbesserungen profitieren, solange die richtigen Maßnahmen ergriffen werden.

Mit der Software von Systemanbietern oder Drittanbietern eigenständig zu experimentieren ist ein Irrweg. Die Konsequenzen dieser Vorgehensweise sind vielfältig. Wenn Steuerberater:innen versuchen, die Digitalisierung auf eigene Faust umzusetzen, wird dies zu einem mühsamen Prozess. Insbesondere wenn sie bereits überlastete Mitarbeitende in den Prozess einbinden, die ohnehin mit Buchführung und anderen Aufgaben überlastet sind. Das Ergebnis ist oft eine ablehnende Haltung der Mitarbeitenden gegenüber der Veränderung. Wen wundert's?

Auch die Kommunikation von Prozessanpassungen und der digitalen Zusammenarbeit mit Mandant:innen spielt eine entscheidende Rolle bei der Digitalisierung und will gelernt sein. Häufig entstehen Missverständnisse zwischen Kanzlei und Mandant:innen, wenn es um digitale Zusammenarbeit geht und der Mandant bzw. die Mandantin winkt bereits mit „Das brauche ich nicht“ ab . Indem die Kanzlei die Bedürfnisse ihrer Mandant:innen durch Expertencoachings klar herausarbeitet und attraktive Lösungen geschickt kommuniziert, können die Erwartungen erfüllt und der Mehrwert digitaler Dienstleistungen verdeutlicht und verkauft werden. Expertencoachings helfen dabei, die Kommunikationsstrategie zu verbessern und zu lernen, wie man den Nutzen der Digitalisierung verständlich macht und damit digitale Dienstleistungen einen (bezahlbaren) Wert bekommen.

Expert:innen kümmern sich nebenbei z. B. auch um grundlegende Einstellungen im Buchhaltungssystem, um Zeit für die Kanzlei zu sparen. Oftmals sind sich Mitarbeitende nicht bewusst, dass es effizientere Möglichkeiten gibt, bestimmte Aufgaben zu erledigen, weil sie es immer so gemacht haben. Die Einbindung von Expert:innen ermöglicht es den Mitarbeitenden, ihre Kompetenzen zu erweitern und die Potenziale der Digitalisierung voll auszuschöpfen.

Das Einbinden von Expert:innen in Form von Coachings ermöglicht es, Mitarbeitenden den Nutzen der Digitalisierung im Kanzleialltag klar aufzuzeigen und gemeinsam sinnvolle Prozesse zu entwickeln. Es bedeutet auch, dass Veränderungen bei den Mandant:innen selbst umgesetzt werden. Eine offene Kommunikation und das Verständnis für deren Bedürfnisse spielen hierbei eine wichtige Rolle. Kennen Sie die Bedürfnisse Ihrer Mandant:innen? Geht  es wirklich darum, die UVA korrekt abzugeben, eine schöne, möglichst umfangreiche Buchhaltung abzugeben, viele individuelle Konten anzulegen oder komplexe Auswertungen per E-Mail zu erhalten?

Fazit:

Die Digitalisierung ist keine isolierte Umstellung auf elektronische Prozesse. Es geht allem voran darum, eine ganzheitliche Veränderung – im Mindset aller Involvierten – zu erreichen und die Prozesse sowohl in der eigenen Kanzlei als auch bei den Mandant:innen zu optimieren. Durch diese Strategie kann die Digitalisierung erfolgreich vorangetrieben werden und die Kanzlei gelangt auf eine neue Ebene der Effizienz und Mandantenorientierung.

Weitere Beiträge

Carmen Hauser ist Marketingleiterin bei der BOXit GmbH. Gemeinsam mit ihrem Team gestaltet sie das digitale Wachstum von Steuerberatungskanzleien. Seit 2019 ist ihr Ziel darauf ausgerichtet, die digitale Basis für die Kommunikation zwischen Kanzleien und Mandant:innen zu optimieren.

Ihr Fokus liegt unter anderem auf der Verbesserung der Zufriedenheit der Mitarbeiter:innen und der Steigerung der Sichtbarkeit der Kanzleien durch Coachings.

Bild: Adobe Stock/©Nattapong

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