Von Eugen Müller
Haben Sie Ihre Mitarbeiter/innen, Ihre Mandanten und gegebenenfalls auch Ihre weiteren Geschäftspartner, wie im ersten Teil erwähnt, über den Zeitraum Ihrer strategischen Überlegungen und Vorbereitungen auf Ihren Weg mitgenommen, werden alle dieses Projekt motiviert angehen.
In diesem zweiten Teil auf dem Weg zur digitaleren Kanzlei geht es nun um die Erfahrungen von Kolleginnen und Kollegen, von denen Sie profitieren können, die anschließende technische Einrichtung und zu guter Letzt um die Schulung und Anwendung der neuen digitalen Arbeitsweisen.
Von den Erfahrungen externer Steuerberater/innen profitieren
Was Sie bei Ihrem Projekt ebenfalls berücksichtigen sollten, ist die Einbindung externer Kollegen. Denn Steuerberater/innen, die solche Schritte bereits hinter sich haben, können bei der Umsetzung nicht nur helfen, sondern Ihrem Team auch über die Erfolge eines solchen Projektes berichten. Denn unterschätzen Sie nicht, welche enorme Hürde die Digitalisierung in der Wahrnehmung vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Steuerkanzleien darstellt.
Sind das Ziel und die langfristigen Vorteile für alle Beteiligten klar, schaffen Sie in Ihrem Team Ruhe und Sicherheit. Hierfür sollte an konkreten Beispielen erläutert werden, welche Herausforderungen bestehen, wie mit unerwartet auftretenden Problemen umgegangen wurde und welche Vorteile sich nach Abschluss des Projekts im täglichen Kanzleialltag ergeben können. Gleichzeitig kennen Sie alle das Problem, der Prophet im eigenen Land zu sein, der nicht gehört wird. Dieses können Sie durch Unterstützung eines Kollegen bzw. einer Kollegin umgehen und Ihre Botschaften trotzdem anbringen. So können Sie im Team die eigenen Ziele und Vorstellungen von Ihrem Digitalisierungsprojekt mithilfe positiver Erfahrungen anderer Kanzleien weiterentwickeln.
Beispiel: Digitalisierung des Bescheidprüfungsvorgangs
Ihre bestehenden Prozesse haben sich über die Jahre sicherlich bewährt, aber auch diese sind mit dem Einsatz neuer Technologien zu überdenken. Denn der größten Fehler, den Sie machen können, ist es, einen analogen Prozess digital abzubilden und weiterzuführen. Damit nehmen Sie sich jeden Vorteil der Digitalisierung und sämtliche damit einhergehende Effizienzgewinne.
Ein sehr gutes Beispiel hierfür ist der Bescheidprüfungsvorgang. Wenn Sie diesen digital abbilden und hierfür auch die technischen Funktionen nutzen, die Ihre Software hergibt, verkürzen Sie den Vorgang um mehr als die Hälfte der Zeit. Erste Voraussetzung hierfür ist bei Versand der Steuererklärungen an das Finanzamt den Bescheiddatenrückübertrag zu aktivieren, sodass Sie die Bescheiddaten elektronisch in Ihr System erhalten und die Bescheidprüfung nicht mehr anhand eines Papierbescheids oder eines eingescannten Bescheids vornehmen müssen. Die elektronische Bescheidprüfung weist Ihnen auf einen Blick die Differenzen zu Ihrer Erklärung aus – soweit welche vorhanden sind – und woher diese stammen. So können Abweichungen gezielt geprüft werden. Sollte die Prüfung ergeben, dass Korrekturen vorzunehmen sind, können Sie direkt aus der elektronischen Bescheidprüfung den elektronischen Einspruch vornehmen. Dadurch öffnet sich direkt der Dialog zum Finanzamt, bei dem alle Stammdaten bereits hinterlegt sind. Sie müssen lediglich Ihre Begründung ergänzen und können den Einspruch anschließend absenden.
2. Technische Einrichtung
Im zweiten Schritt des Projektplans sind weniger Sie als Steuerberater/in gefragt, sondern vielmehr Ihre Partner. Soweit erforderlich, sind technische Voraussetzungen zu schaffen. Digitale Zusammenarbeit führt zu mehr Flexibilität. Räumliche Grenzen verschwinden und die Erledigung der Aufgaben ist zu jeder Zeit möglich. Um diese Flexibilität auch zu nutzen, ist es allerdings erforderlich, auch die entsprechende Hardware im Einsatz zu haben, also alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Laptop und/oder Tablet auszustatten. Dieser Schritt ist zwar keine Notwendigkeit, gibt Ihrem Digitalisierungsprojekt aber zusätzlichen Schub und sendet positive Signale an Ihre Mitarbeiter/innen.
3. Schulung und Anwendung
Im dritten Schritt geht es darum, die neuen Anwendungen und Arbeitsweisen anzuwenden. Das Vorgehen haben Sie in der ersten Phase bereits abgestimmt, sodass Sie nun einen Baustein nach dem anderen angehen. Dabei benötigen Sie zum einen Unterstützung von Ihrem Softwareanbieter, der Ihr Team bzgl. neuer Anwendungen schult. Zum anderen ist es von Vorteil, auch hier auf andere Steuerberater/innen zurückzugreifen, die die digitalen Prozesse bereits umgesetzt haben und tagtäglich leben. Damit sparen Sie sich Zeit zur Erarbeitung und Nachjustierung Ihrer Prozesse und vermeiden unnötige Fehler.
Die Reihenfolge der Anwendungen sollte zweigeteilt sein. In einem ersten Schritt erlernen Sie das digitale Kanzleimanagement, worunter die interne Organisation Ihrer Kanzlei fällt, also der Posteingang und -ausgang, die Rechnungsschreibung sowie die interne digitale Zusammenarbeit innerhalb des Kanzleiteams. Eine wesentliche Anwendung zur digitalen Zusammenarbeit in der Kanzlei ist ein Dokumentenmanagementsystem (DMS), welches die Basis für die Dokumentenverwaltung sowie des Kanzlei-Workflows darstellt.
Der zweite Schritt befasst sich mit den Leistungsprozessen, also der Erstellung der Finanz- und Lohnbuchhaltung sowie der Jahresabschlüsse und Steuererklärungen. Natürlich können auch diese Tätigkeiten vollständig digital erledigt werden. Hierfür sind allerdings bestehende Arbeitsweisen zu ändern, sowie die im Einsatz befindliche Software nicht nur anders, sondern auch umfangreicher zu nutzen. Das bedeutet, dass nicht nur Sie digital arbeiten, sondern auch Ihre Mandanten zur digitalen Vorarbeit befähigen müssen. Dadurch entstehen Effizienzgewinne, da Medienbrüche vermieden werden. Dokumente können ausgelesen sowie Daten aus bestehenden Vorsystemen übernommen werden. Für Sie bedeutet das, dass Sie auch in der Lage sein müssen, das im Einsatz befindliche Vorsystem, welches Ihr Softwareanbieter bietet (z. B. DATEV Unternehmen online bzw. DATEVconnect online), erläutern zu können. Denn wenn Sie möchten, dass Ihre Mandanten diese Tools nutzen, um medienbruchfreie Prozesse zu gewährleisten, müssen Sie Ihre Mandanten dazu befähigen. Die Zusammenarbeit mit Mandanten im Bereich des Finanzbuchhaltungsprozesses einer digitalen Kanzlei kann folgendermaßen aussehen:
Fertig – und nun?
Wenn Sie Ihr Digitalisierungsprojekt abgeschlossen haben und alle Schritte auf Ihrem Projektplan abhaken können, haben Sie sehr viel erreicht! Nach einigen Wochen der Umstellung werden Sie und Ihre Mitarbeiter/innen die Vorteile nicht mehr missen wollen. Jeder ist froh, dieses Projekt und die damit einhergehenden Anstrengungen und Doppelbelastungen abgeschlossen zu haben, aber keiner wird es bereuen, diesen Schritt gemeinsam im Team gegangen zu sein.
Was kommt nun? Ist die Entwicklung der Kanzlei nun abgeschlossen? Wenn Sie in Kontakt mit Ihren Kollegen bleiben, die die Digitalisierung Ihrer Kanzlei bereits vorangetrieben haben, dann werden Sie wissen, dass die digitale Transformation nie abgeschlossen sein wird. Nicht nur die Technik entwickelt sich, sondern Sie werden feststellen, dass Ihre neue Arbeitsweise neue Möglichkeit bietet, die wiederum zu neuen Geschäftsmodellen und weiteren Umsatzquellen führen können.
Es wird immer wieder Entwicklungsmöglichkeiten Ihrer Kanzlei geben. Gleichzeitig werden Sie sich auch mit immer wieder neuen Anforderungen Ihrer Mandanten befassen müssen. Denn wenn Ihre Mandanten digital arbeiten, ergeben sich auch andere Fragen. Gleichzeitig werden sich auch die Mandanten digital weiterentwickeln und ebenfalls immer wieder neue Tools einsetzen, die Sie in Ihrer Kanzlei dann ebenso kennen und damit umgehen müssen. Kurzum: die digitale Transformation Ihrer Kanzlei ist zwar ein Mammutprojekt, gleichzeitig aber auch nur der erste von vielen Schritten dahin, Ihre Kanzlei auf Spur in Richtung Zukunft zu bringen.
In Teil I des Beitrags Der Weg zur digital(er)en Kanzlei lesen Sie, wie Sie die ersten drei Schritte, die Auswahl des richtigen Zeitpunkts, der Partner und der Strategie angehen:
Der Weg zur digital(er)en Kanzlei Teil I – Zeitpunkt, Partner und Strategie
Wie Sie strategisch an die Digitalisierung Ihrer Kanzlei rangehen, lesen Sie auch in der Fachinfo-Broschüre
"Ihr Weg zur digitalen Steuerkanzlei"
Foto: Adobe Stock/© hobbitfoot
Eugen Müller ist Steuerberater und Inhaber der Kanzlei Müller Blum aus Fürth. Als Gründungsmitglied der DITAX AG beschäftigt er sich intensiv mit den Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung und verfolgt sehr gespannt die großen Veränderungen, die auf die Branche zukommen.
- Eugen Müllerhttps://tax-tech.de/autor/eugen-mueller/