digitalere Kanzlei

Von Eugen Müller

Die digitale Transformation einer Steuerkanzlei ist ein Großprojekt, das mit langfristigen strategischen Weichenstellungen einhergeht. Gleichzeitig bringt so ein Umstieg viele Herausforderungen mit sich.

Die wichtigste ist natürlich, dass das Tagesgeschäft weiterläuft. Fristen und Termine müssen eingehalten werden. Die Arbeitsbelastung in einer Steuerkanzlei ist auch schon ohne solche Veränderungen verhältnismäßig hoch, sodass die sorgfältige Planung von zentraler Bedeutung ist, sowie Überlegungen angestrebt werden müssen, zusätzliche Kapazitäten bereitzustellen.

Wann ist der richtige Zeitpunkt?

Den Steuerberatern und Steuerkanzleien ist durchaus bewusst, welche Herausforderung so ein Schritt darstellt. Damit lässt sich sicherlich auch das Zögern vieler Kolleginnen und Kollegen erklären, da die digitale Transformation auch große Veränderungen mit sich bringt. Gleichzeitig kann der Erfolg dieses Projekts für die Kanzleien zukunftsentscheidend sein, da ein missglücktes Vorgehen auch finanzielle Konsequenzen haben kann sowie Mandanten unzufrieden oder Mitarbeiter/innen verärgert werden.

Aus diesem Grund ist es nicht nur von entscheidender Bedeutung, sich über die einzelnen Schritte sowie über das Vorgehen im Klaren zu sein, sondern auch sich ausgiebig über den richtigen Zeitpunkt Gedanken zu machen. Jede Kanzlei funktioniert ein wenig anders und jede Kanzlei hat ihre Eigenheiten und individuellen Vorgehensweisen. Daher ist eine konkrete Aussage über den optimalen Zeitpunkt an dieser Stelle nicht möglich. Vielmehr ist es zu empfehlen, sich im Vorfeld mit entsprechend erfahrenen Kolleginnen und Kollegen auszutauschen.

Sie werden dabei feststellen, dass Sie verschiedene Antworten erhalten und jeder seine eigene Ansicht zum optimalen Zeitpunkt hat. Dieser Austausch ist trotzdem sehr wertvoll, da Sie aus jedem einzelnen Gespräch interessante Erkenntnisse mitnehmen können, aus denen Sie dann für sich die richtigen Schlüsse ziehen müssen.

Nachdem Sie sich dann entschlossen haben, Ihre Kanzlei digital auf das nächste Level zu heben und dafür einen Zeitrahmen abgesteckt haben, sind folgende Punkte entscheidend:

  1. Holen Sie sich die richtigen Partner für das Projekt ins Boot und justieren Sie Ihren Zeitplan mit diesen Partnern entsprechend nach.
  2. Ziehen Sie getroffene Entscheidungen durch.

Die Auswahl Ihrer Partner

Die erfolgreiche digitale Transformation einer Steuerkanzlei ist nur zu meistern, wenn die richtigen Partner dabei sind. Dazu gehören in der Regel mehrere Parteien:

Auf jeden Fall sollten Sie Ihren Softwarepartner (z. B. DATEV) in Ihr Vorhaben einweihen. Bei Ihrem Digitalisierungsprojekt werden Sie unter Umständen weitere Softwareanwendungen benötigen oder bestehende Anwendungen intensiver nutzen, sodass hier abzustimmen ist, inwieweit diese verfügbar sind. Klären Sie außerdem, zu welchen Zeitpunkten Anwendungsschulungen vorgenommen werden können und welche zeitlichen Vorläufe für Bereitstellungen und Installationen gegeben sind.

Weiterhin ist Ihr IT-Partner (Systempartner) wichtiger Bestandteil für Ihr Vorhaben. Gemeinsam können Sie die technischen Rahmenbedingungen erarbeiten. Gleichzeitig ist es wichtig, Ihren IT-Partner in die Gespräche mit Ihrem Softwareanbieter einzubinden, um die Zeitschiene für die Installation neuer Softwareanwendungen zu definieren. So können sich die technischen Fachleute kurzschließen und Sie hinter diesen Punkt einen Haken setzen.

Zusätzlich empfiehlt es sich, erfahrene Steuerberater/innen, die diese Schritte bereits gegangen sind, einzubeziehen. Damit stellen Sie sicher, dass die Praxissicht nicht vernachlässigt wird. Denn die digitale Transformation Ihrer Steuerkanzlei ist eine Operation am offenen Herzen. Während neue Anwendungen eingeführt werden, Prozesse umgestellt und Arbeitsweisen sowie Kommunikationsverhalten überdacht und angepasst werden, muss der operative Betrieb am Leben gehalten werden. Laufende Tätigkeiten müssen erledigt und Fristen eingehalten werden, und das Ganze bei erhöhtem Arbeitsaufwand für das gesamte Kanzleiteam sowie der Ungewissheit, wie schnell und reibungslos solche Veränderungen erfolgreich abgeschlossen und angenommen werden.

Der Projektplan

Nach der Auswahl Ihrer Partner und der zeitlichen Abstimmungen sollte Ihr Projektplan stehen. Einen solchen Projektplan kann man in drei wesentliche Schritte aufteilen:

  1. Strategische Überlegungen: ca. 20 bis 25 Wochen
  2. Technische Einrichtung: eine Woche
  3. Schulung und Anwendung: ca. 12 bis 16 Wochen

1. Strategische Überlegungen

Die strategischen Überlegungen Ihres Digitalisierungsprojekts sind ein entscheidender Faktor des Erfolgs. Ein Teil dieser Phase beinhaltet auch die oben beschriebene Auswahl der richtigen Partner.

In unserer Auflistung haben wir diese Phase mit ca. 20-25 Wochen aufgeführt. Jetzt werden Sie sich fragen, wieso dieser Schritt so viel Zeit in Anspruch nimmt! Das liegt auf jeden Fall nicht an der Abstimmung mit Ihren Partnern. Diese ist zwar auch nicht mit einem Treffen erledigt, sondern erfordert wiederholte Abstimmungsrunden, zwischen denen alle Parteien ihre Hausaufgaben erledigen, aber bei der Auswahl der richtigen Partner läuft dieser Prozess strukturiert und professionell ab.

Kommunikation als Schlüssel zum Erfolg

Nein, die größte Herausforderung Ihres Projekts stellt der Change-Prozess Ihrer Kanzlei dar. Dieser Veränderungsprozess beginnt, bevor Ihr Digitalisierungsprojekt überhaupt startet. Folglich liegt Ihre Hauptaufgabe in den Wochen der Vorbereitungen in der Kommunikation. Das heißt: Nicht Ihre fachlichen Fähigkeiten in den Untiefen des Steuerrechts sind gefragt, sondern Ihre Kommunikationsfähigkeit.

Jedes Digitalisierungsprojekt – egal ob von analog zu digital oder von digital zu digitaler – hat nur dann Erfolg, wenn die notwendige Akzeptanz für die Veränderungen im gesamten Team vorhanden ist. Diese Akzeptanz erzeugen Sie durch Ihre eigene Führungskommunikation.

Klare Ziele und Vision formulieren

Doch genau an dieser Stelle werden im Rahmen von Digitalisierungsprojekten die größten Fehler gemacht: Betrachtet man die Denk- und Vorgehensweise vieler Kanzleien in Form der Investition in Relation zum Zeitaufwand, wird der Technik bzw. den technischen Umstellungen die größte Bedeutung zugemessen. Dabei wird oft übersehen, welche Bedeutung die Formulierung von klaren Zielen und das Erarbeiten einer Vision hat.

Da die Definition Ihrer Vision und Ihrer Ziele so entscheidend für ein erfolgreiches Digitalisierungsprojekt ist, sollte dies nicht erst nach oder mit Einführung neuer Tools und Anwendungen erfolgen, sondern weit vorher.
Daher ist der erste Schritt der strategischen Überlegungen so entscheidend: In dieser Zeit müssen Mitarbeiter/innen und auch Mandanten auf den bevorstehenden Weg mitgenommen werden. Wenn Sie versuchen, Ihre Mitarbeiter/innen und Mandanten erst bei Beginn oder nach Abschluss Ihres Digitalisierungsprojektes zu involvieren, hat das zur Folge, dass Sie Ihr Gegenüber vor vollendende Tatsachen und somit vor eine Pro- oder Contra-Entscheidung stellen. Wenn Sie Ihre Mitarbeiter/innen und Mandanten im Vorfeld über Ihr Vorhaben, die Gründe, den Ablauf und den Zeitplan informieren, werden Sie jedem das Gefühl geben, wichtiger Teil dieses Projektes zu sein und es im besten Fall sogar mitgestalten zu können.

Digitalisierungsbeauftragte/n ins Boot holen

Ein großer Bestandteil des Erfolgs ist es auch, mindestens eine/n Mitarbeiter/in als sogenannte/n Digitalisierungsbeauftragte/n ins Boot zu holen. Damit schaffen Sie sich als Kanzleiinhaber die notwendige Entlastung und stellen im schlimmsten Fall nicht den Flaschenhals dar, der die Umsetzung verzögert. Weiterhin haben Sie so ein Sprachrohr innerhalb ihres Mitarbeiterteams. Mögliche Hürden, Kritik zu äußern oder unangenehme Themen anzusprechen, werden somit niedriger. Dies ist für die Umsetzung Ihres Projekts sehr wichtig.

In Teil II des Beitrags Der Weg zur digital(er)en Kanzlei lesen Sie, wie Sie die Folgeschritte, die technische Einrichtung sowie Schulung und Anwendung, angehen sollten:

Der Weg zur digital(er)en Kanzlei Teil II – Technik, Schulung und Anwendung

Wie Sie strategisch an die Digitalisierung Ihrer Kanzlei rangehen, lesen Sie auch in der Fachinfo-Broschüre
"Ihr Weg zur digitalen Steuerkanzlei"
Foto: Adobe Stock/© hobbitfoot
Weitere Beiträge

Eugen Müller ist Steuerberater und Inhaber der Kanzlei Müller Blum aus Fürth. Als Gründungsmitglied der DITAX AG beschäftigt er sich intensiv mit den Chancen und Möglichkeiten der Digitalisierung und verfolgt sehr gespannt die großen Veränderungen, die auf die Branche zukommen.

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