ChatGPT Fachkräftemangel

Von Susanne Pannenbäcker

Künstliche Intelligenz ist für uns alle nicht neu. Jeder von uns nutzt sie bereits im Alltag: automatisierte E-Mails, Smart Home, Sprachassistenten, Navigation. Es gibt bereits zahlreiche Bereiche, in denen KI zum Einsatz kommt, ohne dass es uns bewusst ist. Im November 2022 hörte ich zum ersten Mal von ChatGPT und entschied mich kurzerhand, den Chatbot zu testen. Mein Hauptaugenmerk lag dabei auf der Frage, wie der Chatbot Kanzleien im Personalbereich unterstützen kann. Denn die Personalsituation in Steuerkanzleien ist angespannt, der Fachkräftemangel ist in der Steuerbranche ein Dauerthema. Daher wird sich dieser Artikel in erster Linie damit beschäftigten, welche Einsatzmöglichkeiten ChatGPT im Bereich Recruiting für Kanzleien bietet.

ChatGPT kann uns das Recruiting nicht abnehmen, serviert aber ein brauchbares Gerüst

Wir alle kennen das. Wir haben ein Problem und überlegen stundenlang, wie wir es lösen können. Hier ist die KI besonders hilfreich. Nicht weil sie einem die Arbeit völlig abnehmen könnte, aber weil der Nutzer oder die Nutzerin ein Problem sprachlich formulieren und absenden kann. In den meisten Fällen serviert uns die KI ein brauchbares Gerüst. Ist der Anfang erst einmal gemacht, geht einem die Arbeit meist viel leichter von der Hand. Nachfolgend erhalten Sie Anregungen, in welchen Kategorien des Recruitings die Nutzung von KI hilfreich sein wird.

#Stellenanzeigen

Die Formulierung einer Stellenanzeige kann sehr komplex sein. Die Anzeige soll prägnant sein, aber doch alle Infos enthalten; sie soll die eigene Kanzlei im besten Licht erstrahlen lassen und die eigenen Vorzüge gegenüber der Konkurrenz charakterisieren.

ChatGPT kann hier eine enorme Hilfe sein, um zumindest schon mal eine solide Basis zu erstellen. Die Anwendung ist verblüffend gut darin, die erhaltenen Informationen in ansprechende Texte zu formulieren und dabei diverse Informationen einzuflechten. Voraussetzung ist, dass das System mit guten Informationen gefüttert wird – soll heißen: Je umfangreicher ich den Chatbot mit relevanten Daten zu der ausgeschriebenen Stelle füttere, desto präziser sind die Ergebnisse. Die Effizienz ist verblüffend, es können schnell mehrere Anzeigen generiert werden, die sich vom Stil her deutlich voneinander unterscheiden. Wird die KI mit Analysen und Daten aus vorhandenen (geeigneten) Kandidatenprofilen gefüttert, können sogar sehr personalisierte Anzeigen erstellt werden, die auf die Bedürfnisse der Bewerberinnen und Bewerber zugeschnitten sind.

Falsch trainiert, besteht das Risiko von Vorurteilen und Diskriminierung

Dennoch möchte ich in diesem Kontext auf Risiken hinweisen, die zu beachten sind:

Wird die KI mit Daten trainiert, die möglicherweise Vorurteile oder Diskriminierung enthalten, kann dies zu einer unbewussten Verstärkung von Vorurteilen in den generierten Stellenanzeigen führen. Gleiches gilt für fehlerhafte Informationen. Basiert die KI auf unvollständigen oder gar fehlerhaften Daten, werden falsche oder irreführende Details in den Stellenanzeigen enthalten sein.

ChatGPT Beispiel

#Bewerberdatenbank

Der Aufbau einer Bewerberdatenbank macht in vielerlei Hinsicht Sinn für jede, wirklich jede Kanzlei. Auch hier bietet die textbasierte KI gute Möglichkeiten. Zum Aufbau einer Datenbank benötigt die KI relevante Informationen über die Bewerberinnen und Bewerber und sammelt diese strukturiert in einer Datenbank. Das sind in der Regel persönliche Daten, Qualifikationen, fachliche Fähigkeiten etc. Sind die Daten einmal erfasst, kann die Datenbank organisiert und verwaltet werden. Ob es um die Erstellung von Kategorien, Tags oder bestimmten Filtern geht, die KI ermöglicht ein leichtes Durchsuchen der Daten und den Zugriff auf gesuchte Talente. Die Kommunikation mit geeigneten Talenten kann automatisiert sichergestellt werden, beispielsweise mit standardisierten Nachrichten, die einen regelmäßigen Kontakt mit der Zielgruppe sicherstellen.

Die Verarbeitung und Verwaltung von Daten sind begrenzt

Da jedes Blatt zwei Seiten hat, möchte ich Sie an dieser Stelle explizit darauf hinweisen, dass die Fähigkeiten von KI in der Verarbeitung und Verwaltung von Daten (insbesondere persönlichen Daten) sehr begrenzt sind. Ihre Bewerberdatenbank muss angemessen geschützt und den gültigen Datenschutzbestimmungen entsprechen.

Eine Datenbank wird auf Grundlage eines entsprechenden Datenmanagementsystems erstellt, das den Anforderungen der Nutzenden entspricht. Die Anforderungen werden dabei im Vorfeld festgelegt. Das können Qualifikationsmerkmale, Ausbildungsvoraussetzungen o. ä. sein. ChatGPT kann die anonymisierten Daten aus dem Lebenslauf in dieser Datenbank nach den vorab festgelegten Kriterien verarbeiten. Dabei ist zu beachten, dass nur notwendige Daten, die für den Bewerbungsprozess nötig sind, gespeichert werden dürfen. Weiter müssen die Zugriffsrechte für diese Datenbank auf berechtigte Personen beschränkt sein. Die Daten dürfen nach Abschluss des Bewerbungsprozesses maximal vier Monate gespeichert werden. Für eine Speicherung über diesen Zeitraum hinaus ist das Einverständnis der entsprechenden Personen zwingende Voraussetzung.

#Active Sourcing

Active Sourcing beschreibt eine Methode der aktiven Personalbeschaffung. Ziel dabei ist, passende Talente zu finden, für Ihre Kanzlei zu begeistern und im richtigen Augenblick zu akquirieren. Beim Active Sourcing geht es zunächst nicht darum, die Personen nur dann anzusprechen, wenn aktuell eine Vakanz zur Verfügung steht, sondern darum, ein vorausschauendes Talent Mapping aufzubauen, das in erster Linie von regelmäßigem Kontakt und Vertrauen geprägt ist. Wir reden hier also von einem konsequenten und langanhaltenden Prozess im Bereich der Personalbeschaffung – und ich kann Ihnen aus Erfahrung sagen, dass wir hier über ein sehr zeitintensives, aber äußerst erfolgreiches Mittel der Personalbeschaffung reden.

Spannend wird es bei der Ansprache von Talenten

ChatGPT ist auch bei diesem Prozess hilfreich. So hilft die KI durch eine erweiterte Suche dabei, Kandidatinnen und Kandidaten mit den gewünschten Qualifikationen, Fähigkeiten und Erfahrungen zu identifizieren und sucht Ihnen auf Wunsch nach geeigneten Sourcing-Kanälen.

Wirklich spannend wird es dann bei der Ansprache dieser Talente. Der Chatbot unterstützt bei der Formulierung von ansprechenden und individuellen Ansprachen und ermöglicht eine Automatisierung von Follow-up-Nachrichten sowie der Planung von Interviews oder weiteren Schritten im Rekrutierungsprozess.

Dafür werden keine zusätzliche Softwareprogramme oder Tools benötigt. Es gilt aber, wie bei jeder Interaktion mit ChatGPT: „It’s all in the prompt“. Mit der Erfahrung und den richtigen Informationen kann man ChatGPT instruieren, eine sinnvolle Replik zu erzeugen, die auch für die Zielgruppe ansprechend ist. Die besten Lösungen entstehen meist dann, wenn man mit ChatGPT in die Interaktion geht - sich also vorstellt, man würde ein Gespräch führen.

#Personalmarketing

Wie wichtig das Personalmarketing für Kanzleien ist, bete ich bereits seit Jahren rauf und runter. Sich als attraktive Arbeitgeberkanzlei im heiß umkämpften Arbeitsmarkt gut zu positionieren, ist die Königsdisziplin im Recruiting. Verständlich allerdings auch, dass es vielen Kanzleien an den nötigen Ressourcen fehlt, um handeln zu können.

ChatGPT erstellt mit den richtigen Informationen hervorragenden Content

Das Erstellen der Texte für Karriereseiten, Content für Social Media, die richtige Wortfindung bei der Veröffentlichung Ihrer Kanzleibotschaften sind Aufgaben, die bisher viel Mühe und Zeit erfordert haben. ChatGPT erstellt mit den richtigen Informationen hervorragenden Content für all diese Bereiche.

Fachkräftemangel ChatGPT Prompt

Auch für weitere Posts kann man das System nutzen und die Posts direkt übernehmen, mit der KI kommunizieren und Fehler ausmerzen oder die Posts einfach als Anregung sehen, um den ersten Teil der Reise zu beginnen.

#Interviewleitfäden

Gespräche mit passenden Kandidaten und Kandidatinnen stehen an. Welche Fragen ergeben Sinn? Wie stelle ich als Kanzleileitung sicher, dass ich mich für die richtigen entscheide? Mithilfe des Chatbots lassen sich sehr brauchbare Interviewleitfäden entwickeln, die professionelle, vor allem aber informative Gespräche möglich machen.

ChatGPT Fachkräftemangel Vorstellungsgespräch

#Bewerberauswahl

CV-/Lebenslauf-Screening. Aus meiner Sicht ein sehr heikles Thema. Der Vollständigkeit halber möchte ich aber kurz auf diesen Punkt eingehen, denn ChatGPT bietet die Möglichkeit, ein Screening dahingehend durchzuführen, den (anonymisierten) CV mit dem Anforderungsprofil abzugleichen oder auch Motivationsschreiben zu analysieren. Mir persönlich reicht es nicht aus, Bewerber und Bewerberinnen ausschließlich nach ihren fachlichen Qualifikationen einzuordnen. Um eine erste Vorauswahl zu treffen, eignet sich das Screening allerdings in jedem Fall.

Fazit: Die richtige Anwendung von ChatGPT im Recruiting ist eine smarte Wahl

Meiner Meinung nach wird die KI das Recruiting in Kanzleien – und auch anderswo – revolutionieren.

Die Möglichkeiten, die diese Art der KI uns bietet, sind beeindruckend. Insgesamt ist ChatGPT ein sehr wertvolles Werkzeug, das viele Arbeitsabläufe optimiert und vereinfacht. Die Betonung liegt hier aber bewusst auf „Werkzeug“. Kandidaten und Kandidatinnen zu screenen, zu tracken und sie in verschiede Score-Schubladen zu stecken, ist bereits ohne Probleme möglich. Rückfragen in einem Dialogformat können automatisiert beantwortet werden. Die KI kann das Suchen nach dem idealen Prozess, das Erstellung eines Gesprächsleitfaden oder die Formulierung von Stellenanzeigen erleichtern und mit erstaunlich guten ersten Gerüsten und Texten den Aufwand für diese immer wichtiger werdende Säule in der Steuerberatung reduzieren.

Sofern Sie sich für den Einsatz von KI im Recruiting entscheiden, gibt es aber auch Grenzen. Aktuelle Arbeitsmarktinformationen wird Ihnen ChatGPT nicht liefern können, da die Daten nur bis September 2021 aktuell sind. Weiter möchte ich darauf hinweisen, dass im Recruiting menschliche Fähigkeiten wie Kommunikation, Verhandlungsgeschick und eine große Portion Empathie gefragt sind und in den Recruiting-Prozess auch rechtliche und ethische Überlegungen einfließen müssen. Vertrauen Sie daher den Antworten der KI niemals blind und prüfen Sie die entsprechenden Aussagen genau.

Weiter bitte ich Sie beim Einsatz von KI darauf zu achten, dass die persönliche Note Ihrer Kanzlei und den Menschen dahinter erhalten bleibt.

Man stelle sich vor, bei zukünftigen Bewerbungen um einen neuen Arbeitsplatz durch Künstliche Intelligenz bewertet, ausgewählt oder abgelehnt zu werden. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, ich finde diese Vorstellung etwas gruselig.

Denn letztlich bleibt ChatGPT das, was es ist: Eine Maschine, die Menschen lediglich anhand von fachlichen Qualifikationen misst. Soft Skills, Emotionen, Empathie, all das nämlich, was unser Geschäft spannend und letztlich auch erfolgreich macht, kann ChatGPT eben nicht bewerten. Oder doch?

 

Tax Tech-Magazin Spezial:
Einsatzmöglichkeiten in der Kanzlei

Was ChatGPT zu bieten hat und welche möglichen Auswirkungen
die KI auf die Steuerbranche hat, erfahren Sie in diesem Magazin.

Susanne Pannenbäcker
Weitere Beiträge

Susanne Pannenbäcker, Leitung Recruiting bei der Jost AG, ist spezialisiert auf die besonderen Anforderungen der Personalberatung in Kanzleien. Nach dem Studium der Betriebswirtschaft sowie des Personalmanagement widmet sie seit 13 Jahren ihre Expertise der Beratung von Kanzleien in allen Fragen rund um das Thema Personal.

jost-ag.com

Bild: Adobe Stock/©Maryna

Immer up-to-date in Sachen Tax Tech

mit dem Tax Tech-Newsletter!

Abonnieren Sie jetzt unseren monatlichen

Newsletter und erhalten Sie alle Magazinausgaben und die

neusten Beiträge des Blogs direkt in Ihr Postfach: