ChatGPT Steuerberatung

Von Dr. Roger Gothmann

ChatGPT sorgt weiter für Wirbel. Viele sehen im Einsatz von Künstlicher Intelligenz einen Gamechanger für den Arbeitsalltag. Auch für Steuerkanzleien bieten sich zahlreiche Möglichkeiten, mithilfe von KI das Tagesgeschäft von Kanzleiteams zu erleichtern.

Seit dem Start von ChatGPT im November 2022 experimentieren zunehmend mehr Unternehmen mit dem KI-gesteuerten Chatbot. Es scheint, dass ChatGPT mit den richtigen Prompts zu jedem Thema sprachfähig ist. Das Potenzial dieser Technologie erscheint enorm. Eine Vielzahl an Informations- und Kommunikationsprozessen können mithilfe des Chatbots vereinfacht und Mitarbeitende im Arbeitsalltag von Routineaufgaben entlastet werden.

Das gilt auch für die Steuerberatung. Hier gibt es einige Aufgaben, die eine KI übernehmen kann. Beispielsweise kann sie:

  • Kanzleimitarbeiter und -mitarbeiterinnen bei der Informationsbeschaffung entlasten,
  • lange und komplizierte Texte zusammenfassen,
  • Präsentationen und Vorträge vorbereiten,
  • Fach- und Schulungsinformationen erstellen,
  • anonymisierte E-Mails oder Mandantenschreiben verfassen.

So weit, so gut. Doch eine KI hat ihre Grenzen. Sie gibt Antworten auf Basis des erlernten Wissens. Das heißt aber auch: Sie gibt nur das wieder, was sie gelernt hat. Im Gegensatz dazu ist der Mensch in der Lage, Informationen zu interpretieren oder zu hinterfragen und in einen anderen Kontext zu stellen.

GPT-4 lässt Steuerfachwelt staunen

Die zentrale Frage, die die Steuerwelt nun umtreibt: Kann KI einen Steuerexperten in der Kanzlei ersetzen? Dazu müsste sie neben dem bloßen Sammeln und Verdichten von Informationen in der Lage sein, steuerliche Rechtsfragen unter bestehende Gesetzestexte zu subsumieren, also abstrakte Rechtsnormen auf einen konkreten Sachverhalt anzuwenden.

Mit der Präsentation von ChatGPT-4 Mitte März ließ OpenAI die Steuerfachwelt definitiv aufhorchen. Was war passiert? Die Experten und Expertinnen fütterten die Eingabemaske des Chatbots mit Gesetzestexten aus dem US-amerikanischen Steuerrecht, einem steuerlichen Sachverhalt und einer konkreten Frage zum Sachverhalt. Wenig später spuckte ChatGPT die Antwort auf die Frage zum Sachverhalt aus: Innerhalb weniger Sekunden lieferte die KI das richtige steuerliche Ergebnis.

Doch damit nicht genug: Die KI zitierte die ausschlaggebenden Stellen im Gesetzestext und zeigte im Detail, wie die Steuer berechnet wurde. Das Ergebnis: ChatGPT-4 wendet die gesetzlichen Grundlagen auf einen konkreten Fall an - die KI von Open AI kann subsumieren.

Sorgfältige Prüfung notwendig

Aber Achtung: Bei der Einbindung von KI in die steuerliche Beurteilung ist Vorsicht geboten! Denn Steuerberater und Steuerberaterinnen haben eine besondere Sorgfaltspflicht. Und diese müssen sie natürlich auch beim Einsatz von KI anwenden.

Das bedeutet: Wenn ChatGPT für die steuerliche Bewertung zum Einsatz kommt, müssen die Ergebnisse sorgfältig überprüft werden. Und zwar von einer Person, die über ausreichende Fachkenntnis verfügt, um die Qualität der Ergebnisse zu beurteilen. Gerade angesichts der Komplexität des deutschen Steuerrechts sollte man sich nicht ungeprüft auf die Informationen der KI verlassen.

Hier kommen wir zu einem sehr wichtigen Aspekt: dem Training der KI. Das Problem: Niemand weiß, mit welchen Informationen ChatGPT trainiert wird - außer OpenAI selbst. Man kann davon ausgehen, dass der Chatbot mit öffentlich zugänglichen Informationen und den Anfragen seiner Nutzer und Nutzerinnen permanent weiterentwickelt wird. Dabei ist es jedoch möglich, dass das Modell mit unvollständigen oder falschen Informationen trainiert wird.

Das bedeutet: Ein KI-basiertes Modell wie ChatGPT lernt zwar ständig dazu, kann aber dennoch Fehler produzieren oder gar falsche Informationen „hinzudichten”. Auch deshalb ist eine sorgfältige Prüfung des steuerlichen Ergebnisses sehr wichtig. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Nutzende die Ergebnisse der KI nicht sachgemäß verwenden können.

Aber nicht nur die Prüfung der Ergebnisse ist wichtig. Bei der Präsentation von ChatGPT-4 kopierten die Experten für die Berechnung der Steuer den entsprechenden Gesetzestext in die Eingabemaske. Dafür muss ein Anwender natürlich wissen, welcher Gesetzestext für die Fragestellung relevant ist. Ohne Eingabe der passenden Rechtsgrundlage dürfte die steuerliche Bewertung des Sachverhalts nicht so gut funktionieren.

Das Niveau wird weiter steigen

Die Entwicklung der KI schreitet rasch voran. In den kommenden Jahren dürften die Anwendungen wesentlich leistungsfähiger und präziser werden. In den USA hat ChatGPT bereits MBA- und Medizinprüfungen bestanden.

Das deutsche Steuerrecht ist bekanntlich komplex - und auch für jede KI eine harte Nuss. Doch hier gibt es Fortschritte: In einem Experiment konnte GPT-4 Prüfungsaufgaben einer Steuerfachangestelltenprüfung lösen. Auf Basis der Musteraufgaben hätte die KI die gesamte Prüfung sogar knapp bestanden.

Zukünftige KI-Modelle sollten in der Lage sein, auch komplexere Aufgaben aus dem deutschen Steuerrecht zu lösen. Man kann davon ausgehen, dass die Technologie immer besser wird, die Antworten immer präziser - auch im Bereich des Steuerwissens.

Fazit: Die große Chance liegt im Zusammenspiel

Kann KI die Qualität steuerlicher Beratung beeinflussen? Die Antwort lautet: Ja! Zweifellos bieten ChatGPT & Co. viele Anwendungsmöglichkeiten. Mit ihrer Hilfe lassen sich schon heute Arbeitsabläufe in der Steuerberatung optimieren. Dadurch gewinnen die Steuerexperten und -expertinnen in den Kanzleien Freiräume, um sich stärker auf die eigentliche Beratung zu konzentrieren.

Ein KI-basiertes Modell wie ChatGPT lernt ständig dazu, macht aber auch Fehler. Doch ist das nicht auch menschlich?!

Gerade bei Steuerfragen ist es wichtig, die Ergebnisse stets auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. Ohne eine fachliche Prüfung durch einen fachkundigen Anwender - im Kanzleialltag ohnehin üblich - geht es auch beim Einsatz von KI nicht.

Klar ist aber auch: Wir stehen erst am Anfang der Entwicklung. KI wird die Arbeitswelt immer stärker beeinflussen. Umso wichtiger ist es, die Chancen für die Steuerberatung zu nutzen - auch mit Blick auf den Fachkräftemangel. Für die Steuerberatung können KI-Anwendungen zu wichtigen Helfern werden - indem sie die Arbeit unterstützen und beschleunigen. Dies gilt umso mehr, je intensiver sie für steuerspezifische Einsatzzwecke trainiert werden.

Den menschlichen Steuersachverstand können KI-Anwendungen aber keinesfalls ersetzen. Denn das Sammeln und Komprimieren von Informationen ist das eine, Fachkompetenz und langjährige Erfahrung eines Steuerexperten das andere. Letztlich kommt es auf das Zusammenspiel von Mensch und KI an. In dieser Kombination liegt eine große Chance - auch für die Steuerberatung.

 

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Dr. Roger Gothmann ist Co-Founder und CEO von Taxdoo. Taxdoo ist das Financial Operating System für den E-Commerce, welches u.a. Umsatzsteuer und Finanzbuchhaltung für Onlinehändler und deren Steuerberater abbildet. Roger hat viele Jahre für die Bundes- und Landesfinanzverwaltung im Bereich Umsatzsteuer gearbeitet und zuletzt die Steuerabteilung einer internationalen Forschungseinrichtung geleitet.

Bild: Adobe Stock/©

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