Arbeitsbelastung Steuerkanzleien

Von Marloes Göke

Die permanent (zu) hohe Arbeitsbelastung wird in immer mehr Steuerkanzleien zum Teufelskreis. Dauerstress führt zu Fehlern, Unlust, Nachwuchsmangel – und damit zu noch mehr Arbeitsbelastung. Dabei könnte der Job richtig viel Spaß machen! Wäre da nur mehr Zeit … für die Mandant:innen, für produktive Arbeitsphasen und für entspannte Erholung außerhalb der Kanzlei. Was hilft, um die ausufernde Arbeitsbelastung in Steuerkanzleien einzudämmen?

Klassisches Zeitmanagement greift zu kurz

Angesichts einer hohen Arbeitsbelastung ist der erste Gedanke oft: Ein besseres Zeitmanagement muss her! Tatsächlich gibt es zahlreiche Techniken, um all die anstehenden Aufgaben zu sammeln, zu sortieren und dann abzuarbeiten.

Doch was nützt das, wenn Gesetzgeber und Finanzverwaltung ständig neue Anforderungen an Steuerkanzleien richten? Oder kurzfristige Anfragen von Mandant:innen schon früh morgens den gesamten Tagesplan sprengen? Klassische Zeitmanagementmethoden sind zu reaktiv, um in der schnelllebigen, von ständigen Veränderungen und Unterbrechungen geprägten modernen Arbeitswelt viel bewirken zu können.

Was können Sie stattdessen tun?

Die fünf entscheidenden Komponenten des Zeitmanagements

Um die Arbeitsbelastung effektiv und nachhaltig zu senken, brauchen Sie ein individuelles, an Ihre Bedürfnisse angepasstes System. Dieses geht über das reine Zeitmanagement hinaus. Zusätzlich beinhaltet es Aufgaben, Projekte, Teamentwicklung und Energie.

Zu so einem proaktiven Zeitmanagement- und Aufgabensteuerungssystem gehören fünf wesentliche Komponenten:

  1. Ein strukturgebendes System ➔ Kalender
  2. Ein Mittel gegen Dauerreichbarkeit ➔ störungsfreies Arbeiten
  3. Ein Steuerungssystem für komplexe Aufgaben ➔ Projektmanagement
  4. Eine vernünftige Arbeitsteilung ➔ Delegieren
  5. Ein effektives Energiemanagement ➔ Regeneration

Gehen wir die fünf Komponenten im Einzelnen durch. Sie werden schnell sehen, wie Sie damit in Ihrer Steuerkanzlei zu hohe Arbeitsbelastungen effektiv reduzieren – oder noch besser: vermeiden.

1. Zeit planen: die Kalenderstruktur

Ein Kalender hat einen großen Vorteil: Er ist übersichtlich und beinhaltet eine zeitliche Planung. So behalten Sie und Ihr Team einen guten Überblick über alles, was ansteht. Insbesondere digitale, cloudbasierte Kalendersysteme sind praktisch, weil sie über diverse Geräte hinweg synchronisiert werden können. So sind automatisch alle auf demselben aktuellen Stand und können jederzeit und von überall etwas ergänzen, ohne es übertragen zu müssen. Deshalb sollte ein digitaler Kalender das Kernstück Ihres Zeitmanagement- und Aufgabensteuerungs-systems sein.

Dabei ist es wichtig, den Kalender nicht nur mit Terminen zu füllen, wie es üblicherweise getan wird. Tragen Sie alles, was ansteht in Ihren Kalender ein. Fassen Sie dazu ähnliche Tätigkeiten in Zeitblöcken zusammen. Dies kann beispielsweise ein Zeitblock für organisatorische Themen sein, z. B. für Rückrufe, Rechnungen prüfen, E-Mails durchsehen oder kurze Recherchen. Ein Block für die Erstellung oder Prüfung von Jahresabschlüssen und Steuererklärungen. Ein Block für Rückfragen aus dem Team. Ein Block für strategische Themen, in dem Sie an der Weiterentwicklung Ihrer Kanzlei arbeiten. Und natürlich auch Ihre Mandantentermine.

Berücksichtigen Sie dabei, dass fast jeder eingetragene Termin eine Vor- und Nachbereitungszeit erfordert. Aus den meisten Terminen gehen Folgeaufgaben hervor. Machen Sie es sich also zur Gewohnheit, direkt bei Terminvergabe, eine Nachbereitungszeit einzutragen. Das spart enorm Zeit, weil Sie dann noch frisch im Thema sind.

Des Weiteren gehören zum normalen Arbeitsalltag Pausen, Wegezeiten, kreative und weitere operative Tätigkeiten, wiederkehrende und außergewöhnliche Aufgaben sowie übergeordnete Projekte. Ein strukturiertes Kalendersystem bildet auch diese Elemente und ihre Bezüge zueinander ab. Erst dann bekommen Sie einen wirklich realistischen Überblick über den Zeitbedarf und -verbrauch in Ihrer Kanzlei.

Berücksichtigen Sie jedoch: Egal, wie sorgfältig Sie Ihre Abläufe planen, etwas Unvorhergesehenes wird immer dazwischenkommen. Das ist in unserer modernen Arbeitswelt die Regel. Machen Sie sich deswegen klar: Umplanungen sind ein integraler Bestandteil eines funktionierenden Kalendersystems und bedeutet nicht, dass der Plan nicht funktioniert!

2. Ablenkung abschalten: störungsfreie Zeiten

Gerade Steuerkanzleien kämpfen oft mit dem Problem der Dauererreichbarkeit. Mandant:innen melden sich, wann immer es ihnen gerade gut passt und erwarten eine sofortige Lösung. Das geht zu Lasten der Konzentration und Erholung.

Dagegen helfen klare Regeln und transparente Kommunikation. Legen Sie Zeiten fest, wann Sie für Ihre Mandantschaft und Ihr Team verfügbar sind – und wann nicht. Erklären Sie, warum diese Regelung für alle Nutzen bringt. Und halten Sie sich daran. Dieser letzte Satz ist nicht zu unterschätzen. Denn selber konsequent zu bleiben, ist mit das Schwierigste daran.

Das gilt auch für die andere Art von Ablenkung, mit der wir in der modernen Arbeitswelt minütlich konfrontiert sind: elektronische Medien. Geschickt locken sie uns mit optischen und akustischen Signalen in die Zeitfalle. Aus Neugier und Angst, etwas zu verpassen, schauen wir immer wieder auf das Smartphone oder in die Inbox. Das kann regelrecht süchtig machen. Und einmal abgelenkt, verbringen wir viel zu viel Zeit mit E-Mails oder anderen Dingen, die eigentlich gerade weder anstehen noch wichtig sind. Das wirkt zwar wie Arbeiten, ist aber vollkommen unproduktiv.

Das beste Mittel dagegen ist: alle Kommunikationsmittel abschalten, wenigstens episodisch, damit störungsfreie Zeitblöcke entstehen, um fokussiertes und effizientes Arbeiten möglich zu machen. Das spart am Ende des Tages eine Menge Zeit!

3. Große Projekte stückeln: das Projektmanagement

Allzu große Aufgaben wirken oft unüberwindbar, geradezu bedrohlich, denn eigentlich ist dafür nie die nötige Zeit und Ruhe da. Das führt zu „Aufschieberitis” und bringt uns am Ende in Bedrängnis. Denn erledigt werden müssen diese Dinge trotzdem – gerade, weil die beschwerlichsten Aufgaben häufig auch die wichtigsten sind und die Kanzlei voranbringen. Darin liegt allerdings auch ein Lichtblick: Es sind solche Projekte, die uns einem gesteckten Ziel ein gutes Stück näher bringen. Sich diese Zielvision lebendig auszumalen, kann ein Motivations-Booster sein.

Und auch der Weg muss nicht steinig und anstrengend sein, wenn Sie ihn in kleine, gut zu erreichende Schritte einteilen. Und jedes Mal, wenn ein Teilschritt geschafft ist, wächst die Motivation. Deshalb ist es sinnvoll, Mammutprojekte in bewältigbare Teilaufgaben zu gliedern. Dafür reservieren Sie Zeiten in Ihrer Kalenderstruktur (s. o.), damit das Projekt nicht (wieder) im Tagesgeschäft untergeht. Je nach persönlicher Vorliebe können das viele kleine Zeitblöcke oder auch halbe oder ganze Tage sein.

Ebenfalls hilfreich: Bevor Sie die Arbeit an einem Projektabschnitt beenden, halten Sie den nächsten, jetzt folgenden Schritt fest. So kommen Sie deutlich schneller wieder ins Thema und sparen viel Zeit.

Exkurs: Welche Tools helfen beim Projektmanagement?

Bei komplexen Projekten mit ineinandergreifenden Aufgaben und mehreren Beteiligten kann ein Projektmanagement-Tool die Übergaben und den Überblick erleichtern. Doch welches Tool ist das beste?

Darauf gibt es keine allgemeingültige Antwort. Es gibt sehr viele digitale Projektmanagement-Tools mit unzähligen Funktionen, wie Asana, Trello, Monday, MS Project, Factro oder Meistertask. Was für Ihre Kanzlei taugt, hängt von diversen Faktoren wie Ihren individuellen Arbeitsweisen, persönlichen Präferenzen und Zielen ab. Sie werden also nicht umhin kommen, sich ein paar dieser Tools anzusehen und zu vergleichen.

Eines sollte Ihnen dabei klar sein: Kein Tool wird Ihnen die Projektplanung und -gestaltung abnehmen. Jedes wird eine Eingewöhnungsphase und ggf. Schulungen brauchen. Und die Datenpflege im Tool erfordert Zeit und Konsequenz von allen Beteiligten. Sonst funktioniert es nicht. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann ein Projektmanagement-Tool durchaus sinnvoll sein.

Es gibt aber auch noch andere digitale Hilfsmittel, die mit weniger Aufwand Zeit sparen helfen: Muster, Vorlagen, Checklisten und einfache Automationen. Überlegen Sie, welche Prozesse in Ihrer Kanzlei regelmäßig wiederkehren und standardisieren Sie diese. Das kann ein Handbuch fürs Onboarding neuer Steuerfachangestellter sein, ein Leitfaden für Erstgespräche mit neuen Mandant:innen oder ein vorformuliertes Anschreiben, das Sie als E-Mail-Signatur abspeichern und dann mit nur einem Klick einfügen.

4. Delegieren: das eigenverantwortliche Team

Selbstständige fühlen sich selbst ständig für alles verantwortlich. Schließlich ist das Unternehmen ihr Baby, ihr Wunschtraum, ihre Vision. Da fällt es manchmal schwer, andere machen zu lassen. Nicht selten mündet das in Mikromanagement, Kontrollwahn und Burn-out.

Dabei könnten die Ideen, Fähigkeiten und Initiative der Mitarbeitenden die Kanzlei oft voranbringen. Wenn Sie es schaffen, neben Aufgaben auch die Verantwortung zu delegieren. Dabei hilft es, die gewünschten Ergebnisse klar zu definieren und abgesteckte Grenzen zu setzen. Geben Sie Ihrem Team Leitplanken in Form von Regeln, zeitlichen Vorgaben und Werten vor: Dazwischen können sie nach eigenem Ermessen agieren, solange sie damit das gewünschte Ergebnis erreichen.

Geben Sie hingegen immer selbst Lösungen vor, erziehen Sie Ihr Team dazu, das eigenständige Denken einzustellen und Sie bei jeder Kleinigkeit zu fragen. Lassen Sie Ihre Mitarbeitenden also öfter mal eigene Wege finden. So können sie Eigenverantwortung entwickeln und Sie endlich wirksam entlasten.

5. Pause machen: die Regeneration

Wer ohne Pausen durcharbeitet, brennt aus. Irgendwann ist es so weit, dass gar nichts mehr geht. Doch auch vorher kann Dauerstress bereits so unproduktiv machen, dass wir im Grunde rückwärts arbeiten. Die Lehre daraus: Pausen sind nicht verhandelbar.

Nutzen Sie Pausen zum Auftanken. Dabei muss eine Pause nicht zwangsläufig zusätzliche Zeit „kosten“. Für einen kleinen Moment der inneren Ruhe reicht manchmal schon ein Gang zum Drucker oder in die Teeküche, bei dem Sie den Blick kurz nach innen richten und Ihre Gedanken auf Pause setzen. Das bedeutet, Sie denken nicht daran, was heute noch alles noch vor Ihnen liegt oder ärgern sich über das, was heute schon wieder alles schiefgelaufen ist, sondern bleiben mit Ihrer Aufmerksamkeit einfach im Hier und Jetzt. Eine Untersuchung hat gezeigt, dass fünf bis sechs solcher Mikropausen reichen, um erholter in den Feierabend zu gehen und insgesamt leitungsfähiger zu bleiben.

Und wenn Sie die obigen Punkte in Ihrer Steuerkanzlei umsetzen, werden Sie bald auch mehr Zeit für richtige Pausen und echte Freizeit haben.

Fazit: Planen Sie, sonst werden Sie verplant!

Auch bei konstant hoher Arbeitsbelastung haben Sie Gestaltungsspielräume. Nutzen Sie diese. Beschränken Sie sich nicht aufs Reagieren, indem Sie versuchen, das Zeitmanagement zu optimieren. Steuern Sie proaktiv und systematisch, wer wann und wie welche Aufgaben erledigt.

Wenn Sie nicht planen, werden Sie verplant. Also: Planen Sie!

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Marloes Göke ist Unternehmensberaterin für Steuerkanzleien. Sie unterstützt die Inhaber dabei, sich stärker zu professionalisieren — mit dem Ziel, ihre Kanzlei effektiv zu steuern und ein erfolgreiches Zeit- & Selbstmanagement zu implementieren. Ihr Buch „Selbstständigkeit ohne Selbstaufgabe“ ist im Haufe Verlag erschienen. Göke schreibt als Gastautorin für Branchen- und Fachmagazine und hält als Keynote Speakerin regelmäßig Vorträge u. a. beim Deutschen Steuerberaterkongress oder dem tax4talents-festival. Nähere Informationen finden Sie unter: Unternehmerberatung Göke.

Bild: Adobe Stock/©yellow_man

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