
Der Berufsstand der Steuerberatung steht traditionell für Vertrauen, Kontinuität und Struktur. Doch die Anforderungen des digitalen Zeitalters fordern weitere Kompetenzen und vor allem ein Umdenken in der Kanzleiführung. Immer mehr Kanzleien setzen – nicht immer freiwillig – auf remote- oder hybride Arbeitsmodelle. Das schafft Flexibilität, bringt aber auch neue Herausforderungen mit sich: Wie gelingt es, Teamgeist über Distanz zu entwickeln und Teambuilding in virtuellen Strukturen umzusetzen? Wie kann eine Kanzleileitung auch virtuell nahbar bleiben ?
Digitale Teams erfordern neue Regeln der Zusammenarbeit. Strukturen, die früher durch physische Nähe und gemeinsame Rituale gebildet wurden, müssen heute bewusst gestaltet und digital übersetzt werden. Dabei treten Beziehungspflege, Rollenverständnis und gemeinsame Ziele in den Vordergrund. Führungskräfte sind gefordert, ein Umfeld zu schaffen, in dem sich Mitarbeitende auch virtuell gehört, gesehen und eingebunden fühlen.
Erfolgsfaktoren für digitales Teambuilding
1. Klare Kommunikation und transparente Prozesse
Kommunikation ist das Fundament jeder erfolgreichen Zusammenarbeit. In digitalen Teams kommt es besonders darauf an, klare Kommunikationskanäle zu definieren. Wer informiert wen, worüber, wann und auf welchem Weg? Fehlende Informationen oder unklare Zuständigkeiten führen schnell zu Missverständnissen und Frustration.
Durch regelmäßige Team-Meetings, klar strukturierte Protokolle und offene Feedbackrunden schaffen Sie Transparenz und Vertrauen. Auch ein digitales "Kanzlei- Wiki" oder ein gemeinsames Aufgabenboard helfen, Wissen zu teilen und Prozesse zu standardisieren.
Unterscheiden Sie dabei zwischen synchroner und asynchroner Kommunikation, denn nicht jedes Thema braucht ein Meeting. Orientierung kann dabei eine „Kommunikationslandkarte“ geben, in der Sie gemeinsam mit Ihrem Team festlegen, welche Tools für welche Zwecke genutzt werden (z. B. E-Mail für formale Kommunikation, MS Teams für operative Themen, Telefon bei dringenden Anliegen).
2. Vertrauen und Selbstverantwortung fördern
Virtuelle oder remote Teams können nur dann funktionieren, wenn Vertrauen die Basis bildet. Mikromanagement hat auch im Homeoffice keinen Platz und wirkt kontraproduktiv. Stärken Sie stattdessen die Mitarbeitenden durch klare Ziele in ihrer Selbstverantwortung. Mitarbeitende müssen wissen, was von ihnen erwartet wird, und wie ihr Beitrag zum Gesamterfolg aussieht.
Ihre Führungsaufgabe besteht darin, klare Ziele zu formulieren, Freiräume bei der Umsetzung zu gewähren und Ergebnisse gemeinsam zu reflektieren. So entsteht eine Vertrauenskultur, in der sich Ihrer Mitarbeitenden ernst genommen und motiviert fühlen. Zielvereinbarungen und Zielerreichungssystem wie OKRs (Objectives and Key Results) können helfen, Orientierung zu schaffen und Fortschritte messbar zu machen.
Wenn die Teammitglieder wissen, was von ihnen erwartet wird und wie ihr Beitrag zum Gesamterfolg aussieht, steigt das Engagement deutlich. Außerdem entwickeln Sie Vertrauen, das produktiv gearbeitet wird, auch wenn Sie Ihr Team nicht sehen.
Dabei ist eine wertschätzende, zielorientierte Kommunikation auf Augenhöhe entscheidend. Behandeln Sie in Gesprächen nicht nur Leistungsaspekte, sondern geben Sie auch Raum für persönliche Entwicklung und das Teilen von Herausforderungen. So entsteht Nähe – auch ohne physischen Kontakt.
3. Gemeinsame Werte und Kultur entwickeln
Teamkultur entsteht nicht von selbst – sie muss gestaltet werden. In virtuellen Teams ist es umso wichtiger, gemeinsame Werte sichtbar zu machen und zu leben. Machen Sie immer wieder bewusst: Was macht unsere Zusammenarbeit aus? Wie gehen wir mit Fehlern um? Welche Rituale pflegen wir?
Nehmen Sie hier als Führungskraft eine aktive Rolle ein, vermitteln Sie Werte und laden Sie das Team ein, diese mitzugestalten. So entsteht ein "Wir-Gefühl", das über Entfernungen hinweg verbindet.
Hilfreich ist es auch, die eigene Vision und Mission sichtbar zu machen. Wenn das Team weiß, „wofür wir das alles tun“, entsteht Sinnhaftigkeit. Regelmäßige Reflexionseinheiten – z. B. quartalsweise Teamreviews – helfen, die Teamkultur weiterzuentwickeln.
Praktische Tools und Methoden für virtuelles Teambuilding
1. Einsatz von digitalen Plattformen
Technik ist nicht alles, aber ohne Technik geht heutzutage nichts mehr. Digitale Plattformen wie Microsoft Teams, Slack oder miro sind heute unverzichtbar. Wichtig: Nutzen Sie diese Tools nicht nur für operative Aufgaben, sondern setzten Sie sie gezielt auch für den zwischenmenschlichen Austausch ein.
Ein eigener „Team-Channel" für informelle Kommunikation, kurze Status-Updates per Video oder das Feiern gemeinsamer Erfolge im digitalen Raum – all das fördert die soziale Bindung und reduziert das Gefühl der Isolation.
Kurze Check-ins, Umfragen oder auch der Austausch per Emoji lockern die Kommunikation auf.
Ebenso tragen Projektmanagement-Tools wie Trello, Asana oder ClickUp zur Übersichtlichkeit bei – besonders in verteilten Teams. Wenn alle jederzeit wissen, woran gearbeitet wird, steigt das Verantwortungsbewusstsein.
2. Virtuelle Teamevents und Rituale
Teambuilding lebt von gemeinsamen Erlebnissen. Auch virtuell lassen sich kreative Formate etablieren: ein digitales Escape-Game, ein Online-Kochkurs oder eine virtuelle Kaffeepause bringen Leichtigkeit in den Arbeitsalltag und schaffen positive Erinnerungen.
Regelmäßige Rituale wie der „Wochenabschluss" am Freitag oder der „Good News Monday" helfen, Struktur und Gemeinschaftsgefühl aufzubauen. Hier darf auch gelacht, gewürdigt und motiviert werden. Seien Sie kreativ!
Oder wie wäre es, wenn Sie als Kanzlei regelmäßig „digitale Spaziergänge“ organisieren, bei denen sich zwei Kolleg:innen telefonisch austauschen, während sie jeweils draußen unterwegs sind. Das verbindet und bringt Abwechslung in den Arbeitsalltag.
3. Feedback- und Fehlerkultur etablieren
Ein konstruktiver Umgang mit Feedback ist zentral für die Teamentwicklung. In digitalen Teams sollte dieser Aspekt nicht zu kurz kommen. Ob im 1:1-Gespräch, per anonymer Feedback-Umfrage oder im monatlichen Team-Rückblick: Der Austausch über Zusammenarbeit, Erwartungen und Verbesserungspotenzial schafft Vertrauen und Entwicklung.
Gehen Sie hier mit Offenheit und gutem Beispiel vorangehen und machen auch Sie eigene Fehler oder Unsicherheiten transparent. So entsteht eine Kultur, in der Lernen wichtiger ist als Recht zu behalten.
Gerade in der digitalen Zusammenarbeit schleichen sich schnell kleine Missverständnisse oder ineffiziente Routinen ein. Ein offener Umgang damit schafft kontinuierliche Verbesserung und stärkt das Team langfristig.
Praxisbeispiel zum Teambuilding
Ein gelungenes Beispiel für erfolgreiche virtuelle Teamentwicklung liefert eine Steuerkanzlei aus Baden-Württemberg. Bereits vor der Pandemie hatte sich das Team entschieden, flexible Arbeitsmodelle zu erproben. Heute arbeitet das Team hybrid – mit einem Mix aus Homeoffice, Coworking und Präsenzzeiten.
Entscheidend war, dass die Kanzleiführung von Anfang an auf Transparenz und Beteiligung setzte. Gemeinsam mit dem Team wurden Kommunikationsregeln definiert, ein Wertekompass entwickelt und wöchentliche digitale Coffee-Breaks eingeführt. Auch ein internes Mentoringprogramm für neue Mitarbeitende wurde etabliert – alles digital. Das Team berichtet von einer hohen Verbundenheit, klaren Rollen und einer positiven Arbeitsatmosphäre – trotz räumlicher Distanz. Die Produktivität ist nach Angaben des Inhabers sogar gestiegen.
Auch wenn es in diesem Beispiel Anfangsschwierigkeiten gab, zeigt es doch, dass mit der richtigen Haltung, Mut, Neues auszuprobieren und einer klaren Strategie sich auch virtuell eine starke Teamkultur aufbauen lässt.
Fazit: Der Mensch im Mittelpunkt der digitalen Transformation
Digitalisierung bedeutet mehr als neue Tools – sie erfordert einen Kulturwandel. Gerade in Steuerkanzleien, wo Vertrauen, Verbindlichkeit und Qualität zentrale Werte sind, braucht es eine bewusste Gestaltung von Teamkultur.
Digitale Teams können dann besonders erfolgreich sein, wenn sie durch klare Kommunikation, gegenseitiges Vertrauen und gemeinsame Werte verbunden sind. Führung bedeutet heute mehr denn je, den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen – auch und gerade in der digitalen Welt.
Denn am Ende gilt: Technologie schafft Möglichkeiten, aber Teamgeist schafft Erfolge.
Verbinden Sie das Beste aus beiden Welten und legen Sie damit das Fundament für eine resiliente, zukunftsfähige Kanzlei.
Marloes Göke ist Unternehmensberaterin für Steuerkanzleien. Sie unterstützt die Inhaber dabei, sich stärker zu professionalisieren — mit dem Ziel, ihre Kanzlei effektiv zu steuern und ein erfolgreiches Zeit- & Selbstmanagement zu implementieren. Ihr Buch „Selbstständigkeit ohne Selbstaufgabe“ ist im Haufe Verlag erschienen. Göke schreibt als Gastautorin für Branchen- und Fachmagazine und hält als Keynote Speakerin regelmäßig Vorträge u. a. beim Deutschen Steuerberaterkongress oder dem tax4talents-festival. Nähere Informationen finden Sie unter: Unternehmerberatung Göke.
- Marloes Gökehttps://tax-tech.de/autor/marloes-goeke/
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