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Ob die dynamische Routenführung von Google Maps oder das neue Lied in der Spotify-Playlist: Überall steckt KI drin. Microsoft nennt seine KI-Lösung den Copiloten. Der Begriff zeigt gut, wie Unternehmen oder deren Mitarbeitende Künstliche Intelligenz für sich nutzen können: Als Unterstützung oder als Werkzeug für unliebsame Routinetätigkeiten. Derzeit durchdringen KI-gestützte Lösungen somit auch sämtliche Facetten der Steuerberatung. Die Einsatzmöglichkeiten erweisen sich dabei als vielfältig. Schließlich fordern heutige Unternehmen mit Blick auf sich schnell verändernde Rahmenbedingungen mehr als nur traditionelle Steuerberatungsmethoden, um der Konkurrenz voraus zu sein.

Doch trotz der vielen angestrebten Vorteile werden auch Bedenken laut: Wie vertretbar ist es ethisch, wenn Arbeitsplätze massenhaft entfallen – oder sich jedenfalls so grundlegend verändern, dass Menschen auf der Strecke bleiben? Welche möglichen Risiken ergeben sich aus der steigenden Abhängigkeit von Technologie? Im Angesicht der radikalen Entwicklungen gilt es, die richtige Balance zwischen Innovation und Verantwortung zu finden, um das volle Potenzial der KI in der Steuerberatung auszuschöpfen und gleichzeitig andere Entwicklungen in der Branche nicht zu vernachlässigen. Mehr als 40 Prozent der Steuerberaterinnen und Steuerberater haben ihre Kanzleien noch nicht digitalisiert. Selbst wenn diese Gruppe die Chancen von KI bereits erkannt hat, kann sie aufgrund der fehlenden Digitalisierung nur einen geringen Nutzen aus der KI ziehen.

Potenzielle Stolperfallen frühzeitig identifizieren

Mit KI-gestützten Systemen lassen sich repetitive Aufgaben automatisieren, beispielsweise können Belege als unstrukturierte Daten aus heterogenen Quellen verarbeitet werden. Dies spart Zeit und reduziert die Fehleranfälligkeit. Bereits jetzt erzielen Buchungsautomaten mit KI-Unterstützung bessere Ergebnisse als die zuvor eingesetzten rein regelbasierten Systeme. Auch im Rahmen der Erstellung von Einkommensteuererklärungen eröffnet die Belegvorerkennung und -zuordnung den Raum, um die Früchte der neuen Technologie zu ernten. Dies entlastet Steuerberaterinnen und Steuerberater von monotonen Tätigkeiten und ermöglicht ihnen, sich auf komplexere und – um noch mehr dem Namen des Berufes gerecht zu werden – beratungsintensivere Aufgaben zu konzentrieren.

KI-Technologien ermöglichen die Verarbeitung großer Datenmengen und liefern wertvolle Einblicke und Prognosen. Das umfasst beispielsweise Risikobewertungen, bei denen Künstliche Intelligenz potenzielle Fallstricke in Steuerangelegenheiten identifizieren kann, indem sie sowohl historische Daten als auch aktuelle Trends analysiert – besonders für Betriebsprüfungen ein Gamechanger. Durch die Analyse von Finanzdaten kann KI auch direkt steuerliche Optimierungen vorschlagen, welche die Steuerlast eines Unternehmens in einem legalen Rahmen minimieren kann.

Auch der Blick in die Zukunft lässt sich nun automatisiert gestalten: So können KI-gestützte Prognosen zukünftige Steuerverpflichtungen abschätzen und damit eine bessere finanzielle Planung ermöglichen. Zudem lässt sich die Einhaltung von Steuervorschriften verbessern, indem Fehler in Steuererklärungen und -meldungen auf die Schnelle erkannt und Korrekturmöglichkeiten vorgeschlagen werden, was im besten Fall das Risiko von Nachforderungen durch die Finanzbehörden signifikant verringert. Im Rausch dieser enormen Vorteile sollte sich allerdings auch jeder vor Augen führen, dass die Nutzung von KI in der Steuerberatung den Umgang mit sensiblen Daten erfordert. Strenge Datenschutzmaßnahmen erweisen sich als notwendig, um die Vertraulichkeit und Sicherheit von Mandanteninformationen zu gewährleisten.

Grenzenlose Potenziale, viele neue Lösungen

Neben den Werkzeugen der etablierten Anbieter wie DATEV, Lexware Office und sevDesk existieren bereits viele kreative Lösungen für die Vorverarbeitung von Rechnungen, wie die des österreichischen Anbieters Finmatics und des deutschen Anbieters buchhalter.pro. Letztere Lösung überlässt die Behandlung von Fehlern, die unweigerlich bei Echtzeitverarbeitung und Nutzung lediglich eines einzigen KI-Systems entstehen, nicht den Steuerkanzleien, sondern nimmt diese in einem ausgelagerten Prozess, unter Einsatz verschiedener KI-Technologien und menschlicher Eingriffe, vor.

Auf diese Weise können Steuerkanzleien von dem vielfältigen Nutzen bereits vorhandener KI-Technologien profitieren, ohne selbst umfassendes Bediener-Knowhow zu besitzen. Andere vollständig KI-gestützte Plattformen analysieren die Finanzdaten von Unternehmen und schlagen automatisiert Steueroptimierungsstrategien vor. Solche Lösungen bleiben stets auf dem neuesten Stand der Steuergesetzgebung und helfen dem nutzenden Berater oder der nutzenden Beraterin, legale Steuervorteile auszumachen und für seine Mandanten und Mandantinnen zu nutzen.

Erste Prototypen existieren bei DATEV, Haufe oder Otto Schmidt, auch wenn sie noch keinen Kontext zu individuellen Finanzdaten haben und somit bisher nur sehr limitiert einsetzbar sind. Viele Verlage arbeiten an eigenen Lösungen, während kleinere Start-ups Chatbots entwickeln, die auf individueller Datenbasis von einzelnen Steuerberatern und Steuerberaterinnen genutzt werden können. KI-Systeme zeigen sich außerdem in der Lage, kontinuierlich die Finanztransaktionen eines Unternehmens zu überwachen und Unregelmäßigkeiten oder potenziell problematische Transaktionen zu melden, was die Compliance erhöht und das Risiko von Strafen reduziert.

Hinzu kommt eine Vereinfachung der alltäglichsten Büroarbeiten: Was sich aktuell noch nach Science-Fiction anhört, wird in wenigen Jahren absoluter Standard sein. Chatbots nutzen neuronale Netze, erkennen Muster in Daten und treffen darauf basierend Vorhersagen. Dies ermöglicht es ihnen, komplexe menschliche Sprache zu verstehen und sogar nachzuahmen. Systeme wie ChatGPT und Microsoft Copilot revolutionieren die Art und Weise, wie Menschen mit Technologie interagieren und Aufgaben erledigen. Microsoft Copilot, eine KI-gestützte Technologie, die in Microsoft 365 integriert ist, bietet verschiedene Einsatzgebiete und Anwendungsfälle. In Outlook kann Copilot helfen, E-Mail-Vorlagen zu erstellen oder automatisierte Antworten auf häufig gestellte Fragen zu generieren.

Präzise Analysen als Fundament

Da es sich bei der Mehrzahl der KI-Produkte um Massenanwendungen handelt, erfordert die Integration von KI in die alltäglichen Workflows bedauerlicherweise eine sorgfältige Konzeption sowie die Bereitschaft der Mitarbeitenden, sich an diese neuen Technologien anzupassen. Die Hersteller orientieren sich insoweit weiterhin an traditionellen Produktdefinitionen.

Steuerkanzleien sollten ihre IT-Infrastruktur zuallererst prüfen und sicherstellen, dass sie die neuen KI-Potenziale überhaupt ausschöpfen können. Zudem sollten Entscheiderinnen und Entscheider überlegen, welche neuen Geschäftsfelder sich durch Künstliche Intelligenz eröffnen und wie sie diese optimal nutzen lassen. Software-Dienstleister spielen dabei eine entscheidende Rolle, weil ihre Service-Teams Optimierungspotenziale identifizieren, Automatisierungsmöglichkeiten nach Bedarf schaffen und KI-Technologien nahtlos in ihre Programme integrieren.

Ein passendes Beispiel für eine erfolgreiche Integration bietet die automatisierte Rechnungseingangsverarbeitung. Unsere mittelständische Kanzlei (80 Mitarbeitende) implementierte bereits vor Jahren eine KI-gestützte Lösung von buchhalter.pro. Dies reduzierte den Zeitaufwand für die Bearbeitung von Rechnungen um mehr als 70 Prozent und erhöhte gleichzeitig die Genauigkeit der Datenverarbeitung. Die Weitergabe nach DATEV sowie die dortige Verarbeitung erfolgen ebenfalls weitestgehend automatisiert.

Ausgewogenes Verhältnis von Respekt und Bescheidenheit

KI stellt die größte Disruption innerhalb der Steuerberatungsbranche dar. Sie bietet erhebliche Vorteile in Bezug auf Effizienz, Genauigkeit und Compliance. Für die Intensität an betriebswirtschaftlicher Beratung kann sich der Wegfall von Routineaufgaben als enormer Segen herausstellen. Gleichzeitig müssen Verantwortliche jedoch die Herausforderungen, insbesondere im Bereich des Datenschutzes, aber auch mit Blick auf ethische Bedenken, ernst nehmen und sorgfältig adressieren.

Doch Vorsicht: Bei aller Eile, die momentan geboten ist, um den Anschluss in der Steuerberatungsbranche nicht zu verlieren, sollten Entscheiderinnen und Entscheider die Einführung von KI sorgfältig planen. Ist all dies gegeben, wird KI sich nicht als Bedrohung, sondern als Chance erweisen, um Prozesse zu optimieren oder gar neu zu denken und zukunftssicher zu gestalten.

Die neue Spezialausgabe des KI-in-Kanzleien-Magazins zeigt wie KI-gestützte Chatbots die steuerrechtliche Recherche effizienter und nutzerfreundlicher gestalten oder die Erstellung eines Grundgerüsts für Marketingtexte oder Stellenanzeigen übernehmen können.

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Benjamin Bhatti ist Gründer und Geschäftsführer der bhatti.pro Steuerberatungsgesellschaft mbH. Sein Lebensweg führte ihn von einem jungen Multiunternehmer zu einem leidenschaftlichen Steuerberater. Sein Portfolio umfasst dabei vielfältige Engagements in der Geschäftswelt, darunter Investitionen in die Steuerberatung, Immobilienwirtschaft, Telemarketing, die IT-Branche (Komplettlösungen) und Softwareforschung sowie -entwicklung. Diese breite Erfahrung ermöglicht es ihm, Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und innovative Lösungen zu finden.

Bild: Adobe Stock/Urupong

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