fachkräfte

Von Sandra Völzke

Die Mandanten sind da, aber Fachkräfte fehlen – diese Situation ist in vielen Steuer- und Wirtschaftsprüfungskanzleien leider Realität. Aufgrund der Wirtschaftslage gewinnen Steuervorteile für Menschen und Unternehmen derzeit aber eine geradezu existenzielle Bedeutung. Umso gravierender ist es daher, dass zahlreichen Kanzleien qualifizierte Mitarbeitende fehlen.

„Oftmals blocken die Kanzleien das Thema Fachkräftemangel mit der Aussage ab, es sei nun einmal schwierig, Personal zu finden", sagt Sandra Völzke von Völzke Consulting. „Sinnhafte Konsequenzen im Recruiting bleiben jedoch aus." Anstatt die Lage zu beklagen, rät die Recruiting-Expertin Kanzleien dazu, ihre Konzepte zur Gewinnung und Bindung von Mitarbeitenden zu überdenken und sich digital besser aufzustellen.

Im Folgenden Beitrag verrät Sandra Völzke, mit welchen (digitalen) Maßnahmen Wirtschaftsprüfungs- und Steuerkanzleien effektiv gegen den Fachkräftemangel vorgehen können.

Neue Herausforderungen und Prioritäten treffen auf alte Probleme

Fachkräftemangel in der Steuerbranche ist nicht etwa ein plötzlich auftretendes Problem, sondern eines, dessen Ursachen gut erforscht und dokumentiert sind. So hat sich der Arbeitgebermarkt längst in einen Arbeitnehmermarkt gewandelt, während die Steuerbranche von immer weniger jungen Menschen als attraktiver Karrierepfad wahrgenommen wird.

Verschlimmert wird letzteres Problem dadurch, dass unter Schulabgängerinnen und Schulabgängern nach wie vor ein Studium oftmals die erste Wahl darstellt. Währenddessen können sich die Kanzleien immer weniger Fehler in Personalentscheidungen erlauben. Werden ungeeignete Bewerber:innen aufgenommen, nur um kurze Zeit später wieder zu kündigen, ist der Aufwand für deren Onboarding vergebens.

Umdenken und Glaubenssätze gezielt hinterfragen

Aufgrund dieser Faktoren ist es für Steuer- und Wirtschaftsprüfungskanzleien längst unerlässlich, in Sachen Personalgewinnung umzudenken. Es ist nicht länger möglich, Mitarbeitende passiv durch Stellenanzeigen anzuziehen. Stattdessen müssen Kanzleien selbst aktiv werden und potenziellen Bewerber:innen entgegenkommen. Gleichzeitig gilt es, bestehende Prozesse im Recruiting und Onboarding zu standardisieren und zu systematisieren.

Die Grundlage für diesen Wandel bildet eine zielgerichtete Reflexion über eigene Glaubenssätze und die Bedürfnisse der Zielgruppe. Inhaber:innen von Steuerkanzleien sollten nicht nur überlegen, was ihre Kanzlei bieten kann, sondern auch, welche festgefahrenen Denkweisen sie daran hindern, Mitarbeitende zu gewinnen. Zum Beispiel gilt es, mit mehr als dem Gehalt zu locken. Vielmehr sind Fachkräfte daran interessiert, im Beruf Wertschätzung zu erfahren und einen Arbeitgeber zu haben, der ihre Werte teilt. Dies müssen auch die gebotenen Benefits reflektieren.

Umgekehrt ist es erforderlich, Bewerber:innen im Vorfeld der Einstellung stärker zu qualifizieren. Zu diesem Zweck ist anzuraten, ein möglichst vollständiges Anforderungsprofil zu erstellen. Werden ungeeignete Bewerber:innen frühzeitig aussortiert, können die beschränkten Onboarding-Kapazitäten bestmöglich eingeteilt werden. Idealerweise sollte daher schon die Bewerberansprache möglichst präzise und darauf ausgelegt sein, nur diejenigen anzuziehen, die dem Anforderungsprofil gerecht werden.

Nicht auf Bewerber:innen warten, sondern sie selbst abholen

Um die Benefits der eigenen Kanzlei überzeugend zu präsentieren und an potenzielle Bewerber:innen heranzutragen, sind die  bestens geeignet. Kanzleien sollten daher auf Social Media sichtbar sein und authentische Einblicke in den Kanzleialltag bieten, während sie Fachkräfte durch bezahlte Anzeigen gezielt ansprechen.

Dabei gilt es immer, die Sprache der Zielgruppe zu sprechen. Diese hat bestimmte Wünsche und Bedürfnisse, die die Kanzlei in ihrem Branding reflektieren muss. Es ist daher für Personalverantwortliche äußerst ratsam, selbst die Kanäle zu frequentieren, auf denen sich Fachkräfte austauschen. So liefern Facebook-Gruppen und branchenspezifische Onlineforen wichtige Anreize, um herauszufinden, wie der gewünschten Klientel eine Stelle in der Kanzlei schmackhaft gemacht wird.

Anders als bei Headhuntern oder Personaldienstleistern sind auf diese Weise auch diejenigen Fachkräfte zu erreichen, die zwar einen Job haben, aber unter den richtigen Bedingungen den Arbeitgeber wechseln würden. Hinzu kommt, dass Social Media-Recruiting potenzielle Bewerber:innen in ihrer Freizeit anspricht - zu einem Zeitpunkt also, zu dem sie die Zeit haben, sich mit Jobangeboten auseinanderzusetzen.

Der erste Kontakt - so unkompliziert wie möglich, aber trotzdem informativ

Damit diese Vorteile optimal genutzt werden können, um Bewerbungen zu generieren, muss jedoch zusätzlich der Einstellungsprozess so gestaltet werden, dass möglichst wenige Interessierte abspringen. Da Social-Media-Recruiting primär auf spontane Bewerbungen abzielt, haben Bewerber:innen Unterlagen wie Zeugnisse, Lebensläufe oder Anschreiben oft nicht griffbereit. Setzt eine Kanzlei diese beim Erstkontakt voraus, brechen viele den Prozess ab.

Stattdessen sollte zunächst geklärt werden, ob die Bewerberin bzw. der Bewerber personell in die Kanzlei passt. Dies könnte zum Beispiel in Form eines kurzen Online-Fragebogens auf der Website der Kanzlei realisiert werden, der sich am Anforderungsprofil orientiert. Die Antworten helfen, die Kandidatin oder den Kandidaten bereits im Vorfeld einzuschätzen.

Gleichzeitig erfüllt dieses Vorgehen eine Filterfunktion, sodass ungeeignete Bewerber:innen automatisiert vom weiteren Ablauf ausgeschlossen werden können.

Lockeres Kennenlernen statt Kreuzverhör im Vorstellungsgespräch

Nach der Kontaktaufnahme sollten diejenigen Bewerber:innen, die es in die engere Auswahl geschafft haben, möglichst zeitnah einen Termin erhalten, um die Kanzlei persönlich kennenzulernen. Dieses erste persönliche Gespräch, das maximal eine Viertelstunde dauern sollte, dient der Personalabteilung dazu, erste Eckdaten wie die Gehaltsvorstellung des potenziellen Neuzugangs und sein mögliches Eintrittsdatum zu klären.

An dieser Stelle hat die Kanzlei die Bewerberin oder den Bewerber bereits am Haken, sodass die benötigten Unterlagen bedenkenlos angefordert werden können. Sobald geklärt ist, dass sowohl die formellen Qualifikationen als auch der erste Eindruck zur Stelle passen, sollte die Bewerbung alsbald an die Kanzleiinhaberin bzw. den Kanzleiinhaber oder einen im Ablaufplan definierten Personalverantwortlichen weitergeleitet werden. Dabei gilt es, keine Zeit zu verlieren - muss die Bewerberin zu lange warten, überlegt sie es sich womöglich anders.

Bewerber:innen auf Augenhöhe in die Kanzlei einführen

Den Abschluss des Bewerbungsvorgangs bildet ein ausführliches Vorstellungsgespräch beim Personalverantwortlichen der Kanzlei. Dieses entscheidet im Arbeitnehmermarkt darüber, ob sich die Bewerberin für oder gegen die Stelle entscheidet. Die verantwortliche Führungskraft sollte also nahbar auftreten und die Bewerberin stets als potenziellen Partner auf Augenhöhe behandeln.

Inhaltlich dient dieses Gespräch dazu, abschließende Fragen hinsichtlich der Qualifikationen und der Erwartungshaltung zu klären und die Person auf den zukünftigen Aufgabenbereich einzuschwören. Dies ist entscheidend für die weitere Zusammenarbeit; stellt sich im Vorstellungsgespräch heraus, dass die Erwartungen von Bewerber:in und Kanzlei zu weit auseinander liegen, verheißt dies nichts Gutes für die Zukunft.

Neuzugänge digital in den Kanzleialltag einführen und Überlastung vorbeugen

Auf diese Weise ermöglicht es ein effizienter, digital unterstützter Recruitingprozess, qualifizierte Bewerber:innen in die Kanzlei zu holen. Damit ist die Arbeit jedoch noch nicht getan: Neuzugänge müssen optimal in ihr Tätigkeitsfeld eingeführt werden, um ihr Potenzial zu entfalten und zufriedenstellende Ergebnisse zu erzielen.

In den meisten Kanzleien ist es jedoch nur schwer umsetzbar, Mitarbeitende langfristig für das Onboarding freizustellen - schließlich würden diese für Kernaufgaben fehlen. Abhilfe schaffen digitale Prozesse: Mithilfe einer Lernplattform wie Memberspot und eines internen Wikis können erfahrene Mitarbeitende der Kanzlei eine digitale Wissensbasis für Neuzugänge schaffen.

Diese Wissensbasis sollte möglichst vollständig sein und regelmäßig aktualisiert werden, sodass Informationen zu Verantwortlichen und Meldewegen stets auf dem neuesten Stand sind. Ferner sollten auch trivial erscheinende Details thematisiert werden. Immerhin sind es oft Kleinigkeiten, die zu den meisten Rückfragen führen und dadurch Abläufe zum Stocken bringen.

Digitalisierung als Wegbereiter im Arbeitnehmermarkt

Wenngleich der Übergang vom Arbeitgebermarkt zum Arbeitnehmermarkt vielen Kanzleien noch immer Schwierigkeiten bereitet, stellen digitale Mittel einen bedeutenden Wegbereiter dar. Nur wer sich gut sichtbar und aussagekräftig als Arbeitgeber vermarktet und Fachkräfte optimal einführt, kann auch in Zukunft bestehen.

Automatisierte Prozesse können bei dieser Transformation helfen, indem sie menschlichen Mitarbeitenden einen Teil der Bewerberauslese und des späteren Erklärungsaufwands abnehmen. Dadurch stehen nicht nur mehr Kapazitäten für Kernaufgaben der Kanzlei zur Verfügung – auch Bewerber:innen erhalten schneller Feedback. Darüber hinaus punkten Sie bei einer Vielzahl von Fachkräften, wenn Sie sich als moderne, digitale und zukunftsorientierte Kanzlei präsentieren.

Dennoch darf auch die menschliche Komponente im Recruiting nicht zu kurz kommen. So ist es wichtiger denn je, dass Fachkräfte sich bei ihrem Arbeitgeber wohlfühlen.

Mitarbeiter-Benefits und der allgemeine Umgang einer Kanzlei mit Bewerbern und Neuzugängen tragen ebenfalls dazu bei, Personal langfristig zu binden.

Weitere Beiträge

Sandra Völzke und Nadine Völzke sind die Gründerinnen von Völzke Consulting. Gemeinsam mit ihrem Team haben sie es sich zur Aufgabe gemacht, Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen dabei zu unterstützen, mit digitalen Methoden qualifizierte Bewerber:innen zu finden und für sich zu gewinnen. Mithilfe der sozialen Medien helfen die Recruiting-Expertinnen ihren Kund:innen dabei, den wichtigen und dringenden Schritt in die Digitalisierung zu gehen und eine attraktive Arbeitgebermarke aufzubauen.

Bild: Adobe Stock/©apinan

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