Auch in diesem Jahr lieferte die Eventreihe STEUER-KONVENT – forum bfd digital Steuerprofis wieder zahlreiche Impulse für den Berufsalltag: 2019 mit der Idee gestartet, Steuerberater:innen und Wirtschaftsprüfer:innen eine Plattform für aktuelle Fragestellungen, Herausforderungen und Lösungsansätze zu bieten, konnten die Besucher:innen in diesem Jahr aus 15 Vorträgen wählen. Wenig überraschend überwogen dabei in diesem Jahr diejenigen, die Begriffe wie KI, Entwicklung oder Transformation im Titel trugen. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die spannenden Inhalte aus fünf ausgewählten Vorträgen.
Steuerberater:in – ein Berufsfeld mit Zukunft
Daniel Terwersche läutete seinen Vortrag zum Thema „Mit KI-Unterstützung die Steuerkanzlei für die Zukunft transformieren“ ein, indem er deutlich machte, wie zukunftsträchtig das Berufsbild des Steuerberaters bzw. der Steuerberaterin ist. Denn, so der Betriebswirt und Vorstand der newgen AG: Es gibt immer weniger Steuerprofis, gleichzeitig bleibt der Beratungsbedarf weiterhin hoch. Bei dieser vielversprechenden Prognose lohnt es sich also, so viel Zeit wie möglich dort einzusparen, wo es geht – beispielsweise bei Rechercheaufgaben oder beim Durchforsten von E-Mails. Allerdings sollte man sich nicht mit KI beschäftigen, weil man dem sog. „Shiny Object Syndrome“ erlegen ist, denn dann lande man in einem „Tal der Enttäuschungen“ (s. Grafik):
Abb.1: Daniel Terwersche: Der KI-Hype-Zyklus
Damit Kanzleien KI-Technologien wirklich gewinnbringend einsetzen können, hat Daniel Terwersche einige wichtige Erkenntnisse gesammelt:
- Akzeptanz für Neues im Team kann durch positive Formulierungen gefördert werden. Beispielsweise sollte nicht kommuniziert werden, dass durch KI Arbeitsplätze wegfallen – sondern stattdessen folgende Formulierung gewählt werden: „Ihr werdet immer wichtiger. Durch KI können wir Aufgaben abgeben und uns auf wichtigere Themen konzentrieren oder uns mehr Freizeit gönnen.“
- Sehr gute spezialisierte Mitarbeitende werden durch KI nicht in gleichem Maße besser wie die Low- und Mittelperformer. Damit sind nicht faule Mitarbeitende gemeint, sondern zum Beispiel solche, die noch in der Einarbeitung sind und die Prozesse noch nicht kennen. Für sie kann KI ein riesiger Hebel sein.
- Mitarbeitende müssen positive Erfahrungen mit KI machen, um weiter motiviert zu sein. Diese sammelt man nicht mit komplexen Anwendungen, sondern mit Tools, die direkt ein positives Erlebnis hervorrufen. Als Beispiele nannte er buchhalter.pro oder DATEV Automatisierungsservice Rechnungen. Weitere gute Tools für die ersten Schritte im Bereich Wissensrecherche seien auch: DATEV KI-Werkstatt, Taxy.io, toni.tax.
Wer seine Mitarbeitenden auf diese Weise an die Nutzung von KI heranführt und dadurch konservativ gerechnet etwa 30 Minuten Arbeitszeit pro Woche einspart, erreicht in der Summe bereits eine große Zeitersparnis.
Geschäftsmodell „Moderne Lohnbuchhaltung“
Steuerberater Peter Hoffarth zeigte in seinem Vortrag „Vom Lohnverwalter zum Lohngestalter“, dass die Lohnbuchhaltung vermutlich zu Unrecht zu den unliebsameren Fachbereichen in der Steuerberatung gehört. Denn richtig umgesetzt biete sie lohnenswerte Beratungsanlässe und viel Digitalisierungspotenzial. Die Lohnabrechnung sei, so Hoffarth, weniger ein technisches, als vielmehr ein Prozessthema, gleichzeitig aber der digitalste Prozess in der Steuerberatung, da anders als beispielsweise in der Finanzbuchhaltung nichts mehr über Papier abgewickelt würde.
Das Wichtigste aber sei es, den Bedarf der Mandantschaft in den Vordergrund zu stellen. Durch die Einführung eines ganzheitlichen Beratungsprozesses könnten Kanzleien ihr Geschäftsmodell gewinnbringend ergänzen und für Mandant:innen echte Mehrwerte sowie Einsparungen bei der Lohngestaltung erzielen. Ein Teil der Einsparung des Unternehmens, kann als Honorar an die Kanzlei fließen.
Besonders positive Erfahrungen habe Peter Hoffarth mit dem Einsatz des Lohnbuchhaltungstools TASSlink gemacht. Das Tool zeigt seine besondere Stärke in der Nettolohnoptimierung. „Auf dieses Tool habe ich immer gewartet“, so der Steuerberater. Denn dieses mache die Lohnbuchhaltung und die dazugehörige Beratung gleichermaßen für Kanzlei und Unternehmen einfach und nachvollziehbar.
Was können Steuerkanzleien von Start-ups lernen?
Melchior Neumann vermittelte in seinem Vortrag am Vormittag sieben spannende Erkenntnisse, wie Steuerkanzleien von der Arbeitsweise von Start-ups lernen können:
- Spezialisierung: Die Fokussierung auf eine zentrale Zielgruppe (z. B. Freiberufler:innen) führt zu besser standardisierten Prozessen, mehr Wissen, Erfahrung und Kosteneinsparungen.
- Zielgruppenanalyse: Probleme der ausgesuchten Zielgruppe können dann identifiziert und gezielt angegangen werden. Bei Kanzleien mit bereits bestehendem Kundenstamm ist es sinnvoll, nach außen zu kommunizieren, welche Mandate man künftig betreuen möchte und eine „Not-To-do-Liste“ mit Dienstleistungen zu erstellen, die man in Zukunft nicht mehr anbieten möchte.
- Angebotsgestaltung: Auch Dienstleistungen können als Produkte angeboten werden, mit festgelegten Prozessen, klaren Ergebnissen und transparenten Preismodellen.
- Automatisierung: Bei der Suche nach geeigneten Tools ist es sinnvoll, auch über den DATEV-Marktplatz hinaus zu schauen. Angebote, die nicht speziell für Steuerberater:innen entwickelt wurden, sind oft sogar günstiger.
- Kooperation: Es ist hilfreich, sich ein Kooperationsnetzwerk mit anderen Steuerberater:innen, Rechtsanwält:innen und Softwareanbietern zur gegenseitigen Empfehlung bei Mandant:innen aufzubauen.
- Aufgabenverteilung: Mitarbeiter:innen sollten sich jeweils nur auf bestimmte Aufgabenbereiche konzentrieren. So sinkt der fachliche Anspruch erheblich – das bietet mehr Möglichkeiten, auch Quereinsteiger:innen einzustellen.
- Kundenakquise: Für die Kundenakquise bietet es sich an, sogenanntes „Educational Marketing“ zu nutzen: Das heißt, Steuerrecht in der Praxis erklären, z. B. in Blogbeiträgen oder auf YouTube.
Podiumsdiskussion – der Zeitpunkt für Veränderung ist gekommen
Die erste Podiumsdiskussion „Tax Tech – Innovation in der Steuerberatung“ schickte sich an, die Zuhörenden mit viel Praxisnähe der Digitalisierung der eigenen Kanzlei ein Stück näher zu bringen. Dafür teilten die Expert:innen Melchior Neumann, Marion Ketteler, Christian Deák, Dr. Damian Klimke und Daniel Terwersche ihre eigenen Erfahrungen und gaben Tipps für den erfolgreichen Weg zur digitalen, modernen Kanzlei.
Christian Deák, der in seiner Kanzlei komplett papierlos arbeitet, gab den Steuerberater:innen drei Tipps mit auf den Weg:
- Nicht mit allem gleichzeitig anfangen.
- Nimm dich selbst nicht zu wichtig.
- Beginne in Teams zu denken, bevor du etwas beginnst.
Das digitale Arbeiten sei vor allem durch das das Umstellen von Gewohnheiten gekennzeichnet. Dabei gab es in Steuerkanzleien lange Zeit keine große Not, die eigenen Arbeitsweisen zu überdenken: Es herrschte ein kontinuierlicher Mandantenzulauf und es konnten niedrige Löhne gezahlt werden.
Gleichzeitig gab es vor dem Hintergrund von Grundsteuerreform und Co. wenig gedanklichen Raum, sich mit Innovation und Veränderung auseinanderzusetzen. Mittlerweile habe sich jedoch ein Fenster für Veränderung geöffnet.
„Wir sind alle Druckvermeider“, so Marion Ketteler. Sie betonte die Notwendigkeit, sowohl auf Kanzlei- als auch auf Mandantenseite zu ergründen, was hinter der Verweigerung von Digitalisierung steckt. Außerdem sei es hilfreich, ein „Sogziel“ zu definieren, also ein Ziel vor Augen zu haben, das alle erreichen möchten und das einen echten Vorteil verspricht.
Neue Beratungspotenziale für Steuerkanzleien nutzen
In seinem Vortrag „Das B in SteuerBerater: Das ungenutzte Potenzial der Zukunft heben" beleuchtete Michael Brhel die Notwendigkeit, das traditionelle Geschäftsmodell von Steuerkanzleien zu überdenken und anzupassen. Bisher lag der Fokus auf der Optimierung bestehender Strukturen und Prozesse, ohne das Geschäftsmodell grundsätzlich in Frage zu stellen. Angesichts der rasanten Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz und des damit einhergehenden Fachkräftemangels wird es jedoch immer notwendiger, Routinetätigkeiten zu automatisieren.
Steuerberater:innen sollten diesen Umbruch als Chance begreifen und ihren einzigartigen Einblick in die persönliche, finanzielle und steuerliche Situation ihrer Mandantschaft nutzen. Durch eine ganzheitliche Beratung können sie die unternehmerischen Ziele ihrer Mandanten und Mandantinnen unterstützen und so einen echten Mehrwert bieten.
Der zunehmende Einsatz von KI erfordert zudem ein verändertes Anforderungsprofil an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Anstelle von manuellen Buchhaltungsaufgaben rückt zunehmend betriebswirtschaftliches Beratungswissen in den Vordergrund. Die Mitarbeitenden der Zukunft sollten daher über fundierte betriebswirtschaftliche Beratungskenntnisse verfügen, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden und die Kundinnen und Kunden optimal zu unterstützen.
Fazit: Bereit für eine Transformation?
Der diesjährige Steuer-Konvent hat dazu beigetragen, das Bewusstsein für die bevorstehenden Veränderungen in der Steuerbranche zu schärfen – und warf gleichzeitig einen optimistischen Blick in die Zukunft: Denn wer es schafft, Potenziale zu erkennen und traditionelle Arbeitsweisen und Geschäftsmodelle zu überdenken, kann sich wirklich zukunftsfähig aufstellen. Und dann ist der Beruf des Steuerberaters oder der Steuerberaterin in Bezug auf Sicherheit und Zukunftsfähigkeit kaum zu übertreffen.