25 Stunden Woche

Die Arbeitswelt neu denken, dieses Ziel hatte Steuerberater Erich Erichsen als er vor zwei Jahren in seiner Hamburger Kanzlei die 25-Stunden-Woche für alle einführte. Im Interview berichtet er, wie seine Kanzlei das Projekt mithilfe der Digitalisierung angegangen ist und was die Umstellung für seine Mitarbeitenden und den Kanzleierfolg bedeutet.

Herr Erichsen, Sie haben in Ihrer Kanzlei die 25-Stunden-Woche für alle eingeführt. Gelingt es Ihnen, in 25 Stunden dasselbe zu leisten wie vorher in 40 Stunden? Wenn ja, wie funktioniert das?

Wir führen die 25-Stunden-Woche seit mittlerweile zwei Jahren und fünf Monaten durch und haben schon im ersten Jahr die Arbeit in 25 Stunden geschafft, die wir vorher in 40 Stunden erledigt haben. Im Jahr 2021 haben wir sogar einen Umsatzwachstum von 20 Prozent mit der gleichen Mitarbeiteranzahl und gleichem Vollzeitgehalt sowie mehr Mandantinnen und Mandanten erreicht, und dabei haben wir keine Altlasten aufgeholt. Seit Jahren gehen wir mit maximal zehn Abschlüssen aus dem Vorjahr ins neue Jahr. Wir fokussieren uns sehr stark auf die Arbeit und haben unsere Zeitfresser stark reduziert, und das im privaten sowie im geschäftlichen Bereich.

Es gibt Studien, die von einer durchschnittlichen effektiven Arbeitszeit von 2,53 Stunden in 8 Stunden ausgehen. Wie Sie sehen, kann man daraus ableiten, dass es grundsätzlich auf die Effizienz und den Willen ankommt. Prozesse müssen sauber durchgeführt werden und man verliert sich nicht in ausufernden privaten Gesprächen.

Doch das sogenannte Socialising hat auch seinen Platz. Bei uns gibt es z. B. jeden Morgen ein arbeitgeberfinanziertes Frühstück: Wir treffen uns gegen 8 Uhr in der Kanzlei, bereiten alles vor und tauschen uns schon mal über betriebliche und private Dinge aus; um 9 Uhr geht es dann los. Dann sind alles gestärkt und motiviert für unsere fünf Stunden.

Welche Motivation steckte hinter diesem Vorhaben?

Ich möchte meinen Mitarbeitenden mehr Lebenszeit geben, Ihnen ermöglichen, nicht den ganzen Tag in der Kanzlei zu verbringen, Zeit für Familie, Freunde und Freizeit zu haben. Was sollen wir ineffektiv arbeiten, wenn wir dies durch gewisse Prozesse und moderne Arbeitstechniken optimieren können.

Ich persönlich habe mehrere, teilweise schwere Schicksalsschläge hinter mir, die meine Sicht auf das Leben und das, was wesentlich ist, stark verändert haben. Dadurch bin ich für alternative Formen der Arbeit empfänglich geworden. Inspiriert hat mich Lasse Rheingans der in 2017 als erster deutscher Unternehmer die 25-Stunden-Woche eingeführt hat. Sein Buch „Die 5-Stunden-Revolution“ war der Impulsgeber für mein Projekt in der Steuerbranche.

Zudem muss man ernsthaft darüber nachdenken, ob der heutige Ansatz unseres Arbeitszeitgesetz mit der vorherrschenden 40-Stunden-Woche noch in unsere Zeit passt. Die 40-Stunden-Woche wurde 1918 in das Gesetz geschrieben, die Berufswelt hat sich seitdem aber grundlegend geändert. Ich möchte einen Teil dazu beitragen, Arbeit neu zu denken.

Welche waren die größten Stellschrauben, um das Projekt „25-Stunden-Woche“ zum Erfolg zu führen?

Das Erkennen und Beseitigen der Zeitfresser, besonders im privaten Bereich, ist ein enormer Faktor, der Zeit einspart. Ebenso die Erkenntnis der Mitarbeitenden in den ersten Wochen, wie toll es ist, nach fünf Stunden Feierabend zu machen und ein völlig neues Freizeitgefühl zu erleben.

Die Mitarbeitenden selbst waren der größte  Erfolgsfaktor, da die Motivation dies zu schaffen, enorm war. Das darf man nicht unterschätzen; vor allem ist das Teamgefühl deutlich gestiegen.

Bei welchen Prozessen hat sich die Digitalisierung besonders ausgezahlt?

Im FiBu-Bereich ist die Digitalisierung und Automatisierung eine Macht, die man nicht unterschätzen sollte. Da haben wir unsere größten Effizienzgewinne geholt.

Gab bzw. gibt es Probleme, die Sie während des Veränderungsprozesses oder auch noch jetzt begleiten?

Probleme entstehen dann, wenn man nicht bereit ist, den Weg mit zu gehen. Mein Team hat voll mitgezogen. Ein Unsicherheitsfaktor ist der Zustand, wenn jemand für längere Zeit ausfällt und die fehlende Zeit abgefedert werden muss. Daher gelten die 25 Stunden in beide Richtungen. Ich gebe den Mitarbeitenden viel und verlange es in schweren Zeiten zurück. So wird die 25-Stunden-Woche in schweren Zeiten zum Allgemeinwohl ausgesetzt, um den fehlenden Mitarbeitenden zu ersetzen. Dieses Problem hatten wir im ersten Jahr  und haben die 25 Stunden für kurze Zeit ausgesetzt. In solchen Zeiten zeigt sich der Teamgeist!

Wie haben Sie Ihre Mandantinnen und Mandanten vom rein digitalen Arbeiten und der kürzeren Erreichbarkeit überzeugt?

Ich habe mit meinem Team alle Mandantinnen und Mandanten von den Vorteilen der Digitalisierung überzeugt und konnte relativ schnell einen hohen Grad der Digitalisierung erreichen. Bei Dingen, hinter denen ich stehe, kann ich sehr überzeugend sein. Ich habe mit allen Mandantinnen und Mandanten über das Thema 25-Stunden-Woche gesprochen, das Projekt erläutert und um Verständnis gebeten. Es kam so gut wie keine Kritik und alle waren sehr offen dafür. Ich gehe immer positiv und freudig an die Dinge ran und überzeuge dadurch auch mein Gegenüber.

Vielen Dank für das Interview, Herr Erichsen!

Foto: Kanzlei Erich Erichsen

Erich Erichsen ist ein echtes Nordlicht und wurde 2006 zum Steuerberater bestellt, 2007 folgte die Übernahme der väterlichen Kanzlei. 2017 war ein Jahr der Veränderung und sie wandelte sich zu einer digitalen Kanzlei, die die Basis der 25-Stunden-Woche bilden sollte.

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