

Vielleicht hast du durch den großen Börsencrash im Februar schon von DeepSeek gehört – oder es sogar selbst durch die finanziellen Einbrüche an der Börse selbst gespürt.
Das neue KI-Modell aus China sorgt derzeit für Aufsehen, da es als ernstzunehmender Konkurrent zu ChatGPT gilt.
Doch was steckt wirklich dahinter?
In der Steuerberatung fallen täglich umfangreiche Textarbeiten und komplexe Fragestellungen an – von Einspruchsschreiben für die Mandantschaft über Werbetexte und Social-Media-Beiträge bis hin zur Recherche nach neuen Steuergesetzen. KI-gestützte Assistenten wie ChatGPT versprechen hier eine erhebliche Entlastung.
Allerdings gibt es oft Datenschutzbedenken, da sensible Mandantendaten in externe Clouds – meist auf US-Server – übertragen werden könnten bzw. übertragen werden.
Hier kommt DeepSeek ins Spiel: Eine Open Source KI, die ähnliche Funktionen wie ChatGPT bietet, jedoch auch lokal betrieben werden kann. In der Theorie bedeutet das, dass du die KI direkt auf deinem Rechner laufen lassen kannst, ohne dass personenbezogene Daten in die USA oder China abfließen. DeepSeek verspricht somit in der Theorie eine datenschutzfreundlichere Alternative, die Steuerkanzleien ermöglicht Künstliche Intelligenz zu nutzen, ohne sich um den Schutz sensibler Mandantendaten sorgen zu müssen.
Doch hält das Modell wirklich, was es verspricht? Oder gibt es hier nicht doch einen versteckten Haken?
In diesem Artikel nehmen wir DeepSeek genauer unter die Lupe und vergleichen es mit ChatGPT – damit du entscheiden kannst, welche KI-Lösung für deine Steuerkanzlei die bessere Wahl ist.
Bevor wir uns die neue KI-Alternative anschauen, lohnt sich ein kurzer Blick auf das derzeitige Maß der Dinge: ChatGPT vom Unternehmen OpenAI.
Seit seiner Veröffentlichung hat sich das Modell rasant weiterentwickelt und wird mittlerweile weltweit von Millionen Nutzerinnen und Nutzern eingesetzt – darunter auch von vielen Steuerberaterinnen und Steuerberatern sowie deren Mitarbeitenden in Kanzleien.
ChatGPT überzeugt vor allem durch seine Vielseitigkeit und Benutzerfreundlichkeit. Die KI kann nicht nur Texte generieren, sondern auch Fragen beantworten,
Zusammenfassungen liefern und beim Schreiben von Fachartikeln, E-Mails oder Social-Media-Posts unterstützen. Sogar Bildgenerierung ist möglich – ideal, um Mandanten-Newsletter ansprechender zu gestalten.
Doch während ChatGPT lange Zeit „nur“ ein intelligenter Chatbot war, hat OpenAI in den letzten Monaten bzw. inzwischen Jahren kräftig nachgelegt.
Neue Funktionen machen es nun möglich, ChatGPT als echtes Kanzlei-Tool zu nutzen – individuell anpassbar, effizient und strukturiert. Besonders spannend für Steuerkanzleien sind dabei drei neue Features: Projects, ChatGPT Tasks und die Memory-Funktion.
Mit Projects kannst du thematisch zusammengehörige Chats gruppieren. So lässt sich beispielsweise ein Projekt „Mandant A“ erstellen (hier nicht den echten Namen des Mandanten teilen) in dem du alle relevanten Chat-Konversationen zu diesem Mandanten sammelst. Du kannst hier sogar für diese Chats geltende Hinweise und Dokumente hinzufügen. Dadurch bleibt der Kontext erhalten und du hast alle wichtigen Infos an einem Ort.
Die Memory-Funktion erlaubt es ChatGPT, sich bestimmte Details dauerhaft zu merken – etwa, dass du Steuerberater oder Steuerberaterin für Arztpraxen bist, deine Schreiben stets direkt und fachlich korrekt formulierst und dich besonders für die steuerlichen Besonderheiten in der Ärztebranche interessierst. So musst du diese Informationen nicht in jedem neuen Chat erneut eingeben.
Mit Tasks kannst du wiederkehrende Aufgaben automatisieren, beispielsweise dir jeden Morgen ein Update zu steuerlichen Gesetzesänderungen per E-Mail zusenden lassen. Solche kleinen Automatisierungen sparen Zeit und stellen sicher, dass keine wichtigen Neuigkeiten übersehen werden.
Ein Feature, das eigentlich schon lange existiert, aber immer noch wenig genutzt wird, sind die CustomGPTs.
In meinen ChatGPT-Schulungen erlebe ich oft, dass es nicht nur ungenutzt bleibt, sondern vielen sogar gänzlich unbekannt ist.
Dabei sind die CustomGPTs extrem nützlich im Kanzleialltag. Mit diesen kannst du eigene KI-Instanzen erstellen, die speziell auf deine Kanzlei zugeschnitten sind.
Beispielsweise kannst du in nur 15 Minuten ein CustomGPT bauen, das gezielt Fragen zur E-Rechnung oder zu steuerlichen Aufbewahrungsfristen beantwortet – quasi als digitaler Assistent für deine Kanzlei. Diese CustomGPTs lassen sich sogar problemlos mit deiner Mandantschaft teilen – vorausgesetzt, sie besitzen zumindest einen kostenlosen ChatGPT-Account.
So kann ein Mandant sich, statt dich mit den Fragen zu kontaktieren, an das CustomGPTs wenden – sozusagen als seinen eigenen 24/7 verfügbaren kleinen Assistenten.
Klingt nach einem echten Allrounder-Paket, oder? Doch was kann DeepSeek im Vergleich dazu?
Was ist DeepSeek?
DeepSeek ist ein 2023 gegründetes chinesisches Start-up, das sich auf die Entwicklung offener Sprachmodelle (Large Language Models, LLMs) spezialisiert hat. Anders als ChatGPT ist DeepSeek ein „Open-Source-Modell“ – das bedeutet, du kannst die Sprachdateien herunterladen und DeepSeek sogar lokal auf deinem Rechner betreiben.
Doch warum stehen da Anführungszeichen?
DeepSeek ist kein klassisches Open-Source-Modell, denn das Unternehmen hat nicht transparent gemacht, auf welchen Trainingsdaten es basiert. Es ist also unklar, wie viel deutsches Steuerwissen tatsächlich in der KI steckt. Allerdings ist das bei ChatGPT nicht anders.
Technisch gesehen erreicht DeepSeek ein beeindruckendes Niveau. Das kürzlich veröffentlichte Reasoning-Modell DeepSeek-R1, das erst denkt und dann antwortet, liefert Ergebnisse, die mit ChatGPT und anderen vergleichbaren LLMs mithalten können – insbesondere bei logischem Schließen und komplexen mathematischen Aufgaben.
Überraschend dabei ist, dass DeepSeek dieses Leistungsniveau mit vergleichsweise geringen Ressourcen erreicht hat. Die Entwicklungskosten sollen nur etwa fünf bis sechs Millionen US-Dollar betragen haben, während für OpenAIs GPT-4 geschätzt rund 100 Millionen US-Dollar investiert wurden.
DeepSeek in der Praxis
DeepSeek kann über die Web-Oberfläche unter www.deepseek.com genutzt werden, genauso wie ChatGPT einfach über www.chatgpt.com aufgerufen werden kann.
Die Anmeldung ist einfach und erfordert lediglich eine E-Mail-Adresse oder ein Google-Konto. Eine Telefonnummer ist nicht notwendig.
Ein wichtiger Punkt, den es zu beachten gilt:
DeepSeek verwendet die eingegebenen Daten für das Training, was ausdrücklich in den AGBs festgehalten ist!
Das bedeutet, dass sämtliche Eingaben potenziell zur Weiterentwicklung des Modells genutzt werden!
Im Vergleich dazu bietet ChatGPT eine Option in den „Datenkontrollen“, mit der die Speicherung eigener Daten deaktiviert werden kann. Allerdings sollte man sich darauf nicht uneingeschränkt verlassen, da nicht garantiert ist, dass alle eingegebenen Informationen vollständig vor einer Verarbeitung geschützt sind.
Besonders im professionellen Umfeld gilt daher größte Vorsicht: Ohne ein Enterprise- Abo sollten sensible Daten, insbesondere Mandantendaten oder personenbezogene Informationen, grundsätzlich nicht in ChatGPT eingegeben werden.
Diese Einstellungsmöglichkeit gibt es bei DeepSeek nicht. Wer die Web-Oberfläche nutzt, kann das Training mit seinen Eingaben nicht deaktivieren.
DeepSeek lokal betreiben – eine echte Alternative?
Theoretisch könnte DeepSeek in der Open-Source-Version lokal betrieben werden, um Datenschutzrisiken zu umgehen. In der Praxis gibt es jedoch eine große Hürde: die Hardware-Anforderungen.
DeepSeek erreicht seine beeindruckende Leistung nur mit enormer Rechenpower im Hintergrund. Um DeepSeek lokal in einer Steuerkanzlei zu betreiben und eine vergleichbare Performance zur Web-Oberfläche zu erzielen, wären sehr leistungsfähige Server notwendig.
Mindestens 300.000 Euro Investitionskosten wären erforderlich, um eine entsprechende Infrastruktur mit Hochleistungs-GPUs und mehreren hundert Gigabyte Arbeitsspeicher aufzubauen. Dazu kämen laufende Wartungskosten, die für die meisten Steuerkanzleien nicht tragbar wären.
DeepSeek ist zwar kostenlos in der Web-Version verfügbar, doch eine datenschutzkonforme, lokal betriebene Variante wäre für die meisten Kanzleien nicht praktikabel.
ChatGPT überzeugt durch einfache Zugänglichkeit, ständig weiterentwickelte Features wie Projects, Memory, Tasks und CustomGPTs sowie vergleichsweise geringe laufende Kosten. DeepSeek beeindruckt technisch, ist jedoch ohne massive Investitionen nicht lokal nutzbar und in der Web-Oberfläche aus Datenschutzgründen problematisch.
Datenschutz ist in der Steuerberatung ein zentrales Thema. Auf den ersten Blick könnte man denken, dass DeepSeek als Open-Source-Modell hier im Vorteil ist, doch ein genauerer Blick zeigt, dass es nicht ganz so einfach ist. Zwar ist DeepSeek als Open-Source-Modell verfügbar, doch die Trainingsdaten sind nicht vollständig offengelegt. Es bleibt also unklar, mit welchen Daten das Modell trainiert wurde und wie viel Wissen es tatsächlich über das deutsche Steuerrecht enthält.
Ein weiteres Argument für DeepSeek ist der mögliche Datenschutzvorteil bei einer lokalen Nutzung, da keine externen Server involviert wären. In der Praxis scheitert dieses Modell jedoch an den extremen Hardware-Anforderungen. Die meisten Nutzerinnen und Nutzer greifen daher auf die Web-Version oder eine API zurück und geben damit ihre Daten genauso preis wie bei ChatGPT. Der vermeintlich bessere Datenschutz ist also kein automatischer Vorteil von DeepSeek, sondern hängt stark von der jeweiligen Nutzung ab.
Auch bei ChatGPT gibt es mittlerweile einige Einstellungen, um sicherer zu arbeiten. OpenAI bietet beispielsweise einen sog. „Temporären Chat“ an, in dem Eingaben nicht zur Modellverbesserung verwendet und nach 30 Tagen gelöscht werden.
Dennoch sollten grundsätzlich keine Mandantendaten oder vertraulichen Informationen eingegeben werden. Für Unternehmen gibt es die Enterprise-Version, bei der vertraglich zugesichert wird, dass Daten vertraulich bleiben.
Ab dem 2. Februar 2025 gelten zudem in der EU neue KI-Regelungen. Unternehmen sind dann verpflichtet, ihre Mitarbeitenden im Umgang mit Künstlicher Intelligenz zu schulen. Wer ChatGPT nutzt, muss sein Team in der sicheren Anwendung sensibilisieren. Wer hingegen DeepSeek lokal betreibt, wird selbst zum Betreiber eines KI-Systems mit zusätzlichen regulatorischen Pflichten wie Konformitätsprüfungen und Dokumentationen. Steuerkanzleien sollten daher eher auf etablierte Anbieter setzen, die die Hauptverantwortung für die KI tragen.
In diesen Bereichen punktet ChatGPT.
In der Praxis bietet ChatGPT eine Vielzahl an Einsatzmöglichkeiten für Steuerkanzleien. Eine der effizientesten Anwendungen ist die Nutzung von CustomGPTs als interner Wissensspeicher. Damit kann ChatGPT speziell für die Kanzlei konfiguriert werden, indem beispielsweise interne Leitfäden, Prozesse und FAQs hochgeladen werden. Mitarbeitende können diese Instanz dann als Nachschlagewerk nutzen und gezielt Fragen zu internen Abläufen oder benötigten Unterlagen stellen. Das spart Zeit und erleichtert z. B. das Onboarding neuer Kolleginnen und Kollegen.
Ein weiteres Beispiel für die Unterstützung im Kanzleialltag ist das Fristenmanagement.
Mit ChatGPT Tasks können Erinnerungen und regelmäßige Updates automatisiert werden, beispielsweise eine monatliche Erinnerung an die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldung oder eine wöchentliche Zusammenfassung neuer BFH- Urteile. So wird man nicht nur an die regelmäßige Recherche erinnert, man kriegt die fertige Recherche auch fertig aufbereitet ins E-Mail Postfach geliefert!
Neben der reinen Informationsverarbeitung kann ChatGPT auch dabei helfen, den Arbeitsalltag effizienter zu strukturieren. Durch die Kombination aus Projects und Memory lassen sich thematisch zusammenhängende Informationen bündeln, sodass der Kontext erhalten bleibt und wiederholte Rückfragen seitens ChatGPT entfallen.
Kurzes Fazit: ChatGPT oder DeepSeek?
Sowohl DeepSeek als auch ChatGPT sind leistungsstarke KI-Modelle, doch für den Kanzleialltag zählt vor allem eine einfache, effiziente und sichere Anwendung.
DeepSeek ist technisch beeindruckend, aber ohne massive Investitionen nicht datenschutzkonform lokal nutzbar. Wer stattdessen die Web-Version nutzt, gibt seine Daten ähnlich preis wie bei ChatGPT, ohne dessen weiterentwickelte Features und Datenschutzoptionen zu haben.
ChatGPT bietet derzeit eine praktikablere Lösung, da es direkt einsetzbar ist, laufend neue Funktionen erhält und mit den richtigen Einstellungen sicher genutzt werden kann.
Wer KI gewinnbringend in der Steuerberatung einsetzen möchte, wird mit ChatGPT schneller Ergebnisse erzielen und aktuell weniger Hürden haben.
Martha Kiehl ist Diplom-Finanzwirtin und plant dieses Jahr die Prüfung zur Steuerberaterin zu absolvieren. Seitdem ChatGPT auf den Markt gekommen ist, beschäftigt sie sich intensiv mit künstlicher Intelligenz und ihrer Anwendung im Bereich Steuern. Ursprünglich aus der Finanzverwaltung kommend, schult sie Steuerberaterkanzleien darin, wie diese KI erfolgreich in ihre Kanzlei etablieren können – und das Beste für sie daran ist, dass sie hier dabei wunderbare, innovative Menschen kennenlernt!
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Homepage: https://www.youraitrainer.de/
- Martha Kiehlhttps://tax-tech.de/autor/martha-kiehl/