Kryptowährungen Besteuerung

Von Dr. Maximilian Freyenfeld Dr. Stefan Gradl

Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum haben in den letzten Jahren stetig an Bedeutung gewonnen. Allein diese beiden Währungen weisen im ersten Quartal 2023 eine Marktkapitalisierung von rund 650 Milliarden US-Dollar auf. Kein DAX-Konzern hatte im selben Zeitraum eine auch nur halb so hohe Marktkapitalisierung. Laut einer Studie von Statista aus dem Jahr 2021 nutzen inzwischen immerhin 10 Prozent der 18- bis 64-Jährigen in Deutschland Kryptowährungen.

Während die Blockchain-Technologie hinter diesen digitalen Währungen in vielen Branchen Einzug hält, bleibt die Frage, wie diese virtuellen Assets steuerlich behandelt werden sollen, aktuell. Denn obwohl Kryptowährungen bereits seit einiger Zeit existieren, herrscht in Deutschland bei vielen Aspekten noch Unsicherheit und Unklarheit.

1. Bisherige Rechtsprechung in Deutschland

Bislang existiert noch keine umfassende Rechtsprechung zur Besteuerung von Kryptowährungen. Der BFH hat mit Urteil vom 14.02.2023 (IX R 3/22) erstmals zur ertragssteuerrechtlichen Behandlung von Kryptoassets entschieden und sich dem unten gelisteten Urteil der Vorinstanz angeschlossen. Zuvor gab es seitens des BFH nur eine kurze Erwähnung in BFH, Urt. v. 02.02.2022 – I R 22/20, Rn. 40. Die weiteren Urteile im Zusammenhang mit Kryptowährungen sind schnell aufgezählt:

► EuGH, Urt. v. 22.10.2015 – C-264/14 – Hedqvist: Der Umtausch von konventionellen Währungen in virtuelle Währungen ist eine sonstige Leistung, die nach Art. 135 Abs. 1 MwSt-SystRL steuerfrei ist.

► FG Nürnberg, Beschl. v. 08.04.2020 – 3 V 1239/19: Feststellungslast der Finanzbehörde, da die Einordnung von Erträgen aus Kryptowährungen „eine tatsächlich und rechtlich komplexe Beurteilung“ erfordert.

► FG Baden-Württemberg, Urt. v. 11.06.2021 – 5 K 1996/19: Kryptowährungen sind andere Wirtschaftsgüter i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 EstG.

► FG Köln, Urt. v. 25.11.2021 – 14 K 1178/20: Gewinne aus der Veräußerung von Kryptowährungen (hier: Bitcoin, Ethereum und Monero) einschließlich des Tausches sind nach §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG steuerpflichtig, Revision zurückgewiesen (BFH, Urt. v. 14.02.2023 – IX R 3/22)

2. Ausführungen des Bundesministeriums der Finanzen

Auch die Finanzverwaltung hat sich bereits mit Kryptowährungen aus steuerrechtlicher Sicht befasst und dazu bereits mehrere BMF-Schreiben vorgelegt:

► BMF-Schreiben vom 27.02.2018: Umsatzsteuerliche Behandlung von Bitcoin und anderen sog. virtuellen Währungen; EuGH-Urteil vom 22.10.2015, C-264/14, Hedqvist

► Entwurf eines BMF-Schreibens vom 17.06.2021

► BMF-Schreiben vom 10.05.2022: Einzelfragen zur ertragssteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von Token

► Entwurf eines BMF-Schreibens vom 18.07.2022 zu Mitwirkungspflichten bei virtuellen Währungen

3. Besteuerung von Kryptowährungen in Deutschland

Doch was gilt nun auf Basis dieser Rechtsquellen? Wie lassen sich Kryptowährungen (oder auch „virtuelle Währungen“, wie das BMF sie nennt) überhaupt definieren? Das BMF nimmt folgende Definition vor, die inzwischen als herrschende Meinung angesehen werden dürfte:

Virtuelle Währungen sind „digital dargestellte Werteinheiten, die von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert oder garantiert werden und damit nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld besitzen, aber von natürlichen oder juristischen Personen als Tauschmittel akzeptiert werden und auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden können.“

Wirtschaftlicher Eigentümer ist dabei, wer Transaktionen initiieren und damit über die Zuordnung der Einheiten verfügen kann.

Weitere zentrale Fragen betreffen die steuerrechtliche Qualifikation, die Einordnung von Erträgen aus Kryptowährungen sowie die Bewertung von unternehmerischen Aktivitäten in diesem Kontext. Die nachfolgende Übersicht stellt nach Wahrnehmung der Autoren die herrschende Sichtweise dar:

  • Kryptowährungen wie Bitcoin, Ethereum, Tether, BNB etc. sind nach h. M. andere Wirtschaftsgüter i. S. d. 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG.
  • Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften sind – vorbehaltlich der gesetzlichen Fristen – steuerpflichtig.
  • Laufende Erträge können nach 22 Nr. 3 EStG steuerpflichtig sein.
  • Tätigkeiten im Zusammenhang mit Kryptowährungen können gewerblich sein und Einkünfte nach 15 EStG darstellen.

Gerade in Bezug auf die Einordnung als anderes Wirtschaftsgut darf die Entscheidung des BFH in der Rechtssache IX R 3/22 jedoch mit Spannung beobachtet werden.

Weitere Fragen betreffen die Bestimmung des Anschaffungskurses und eines möglichen Veräußerungsgewinnes. Nach Auffassung des BMF ist hierbei Folgendes zu beachten:

  • Anschaffung: Marktkurs (Börsenkurs) im Zeitpunkt der Anschaffung ist maßgeblich. Fehlt ein Börsenkurs, kann der Kurs einer Handelsplattform (Kraken, Coinbase, Bitpanda etc. oder webbasierten Liste wie coinmarketcap etc.) genutzt werden.
  • Grundsatz der walletbezogenen Einzelbetrachtung: Nur wenn die mit Blick auf die Jahresfristen erforderliche exakte Zuordnung nicht möglich ist, gelten die Durchschnittsmethode oder das First-in-First-out (FiFo)-Prinzip (BMF-Schreiben vom 09.05.2022, Rn. 61 f.)

4. Herausforderungen bei der Besteuerung von Kryptowährungen

Während die vorliegenden BMF-Schreiben in vielen Punkten zu mehr Klarheit geführt haben, bleiben weiterhin zentrale Fragen ungeklärt.

Zum einen ist unsicher, ob die Auffassung des BMF vom Bundesfinanzhof tatsächlich geteilt wird. Dies soll folgendes Beispiel verdeutlichen:

  • Fragestellung: Gilt für virtuelle Währungen, die für Staking (Festgeldanlage auf der Blockchain) verwendet wurden und dadurch Staking-Rewards (Zinsen) generiert haben, die Jahresfrist oder die 10-Jahresfrist?
  • Gesetz (§ 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 4 EStG): 10-Jahresfrist bei „Nutzung als Einkunftsquelle zumindest in einem Kalenderjahr“. Wenn Staking die Nutzung als Einkunftsquelle darstellt, gilt nach dem Gesetz die 10-Jahresfrist. Ob dies der Fall ist, wird durch klassische Auslegung (Wortlaut, Sinn und Zweck etc.) bestimmt.
  • BMF-Entwurf vom 17.06.2021: Zur Erzielung von Staking-Einnahmen verwendete virtuelle Währungen unterliegen im Privatvermögen der 10-Jahresfrist (§ 23 Abs. 1 Nr. 2 S. 4 EStG). Als Staking-Vergütung erhaltene virtuelle Währungen unterliegen jedoch der Einahresfrist gem. § 23 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 EStG, solange diese nicht wieder „gestaked“ werden.
  • BMF-Schreiben vom 10.05.2022: „Bei virtuellen Währungen kommt die Verlängerung der Veräußerungsfrist nach § 23 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Satz 4 EStG nicht zur Anwendung"

Indem sich das BMF mithin umentschieden hat und nun vertritt, dass die 10-Jahresfrist nie zur Anwendung kommt, ergibt sich ein Widerspruch zum Gesetz:

  • Problem 1: Bei Staking wird ein Staking-Reward für die Leistung (temporärer Verzicht auf die Nutzung der Einheiten einer virtuellen Währung) bezahlt.
    • Gesetzeswortlaut: Einkunftsquelle ist begrifflich sehr weit gefasst. Jedes Gut, welches zur Erzielung von Einkünften verwendet werden kann. Eine Nutzung, also das Gebrauchmachen von einer bestehenden Möglichkeit, ist dem Wortlaut nach ebenfalls naheliegend.
    • Sinn und Zweck: Deutet ebenfalls auf ein weites Verständnis hin.
  • Problem 2: Keine Begründung des BMF. Für Rspr. ohnehin unerheblich.
  • Problem 3: „Nichtanwendung“ außerhalb der Kompetenz des BMF.

Bei diesem Problem können sich Steuerpflichtige zumindest auf die für sie positive Sichtweise des BMF stützen. Bei anderen Themen besteht die Herausforderung darin, dass überhaupt keine entsprechenden Aussagen von BMF, BFH und Co. vorliegen. Dies trifft zum einen viele Bereiche der Umsatzsteuer, die in 2018 nur sehr oberflächlich behandelt wurde (vgl. Freyenfeld/Bacherler in NWB 6/2023).

Zum anderen sind in vielen Themenfeldern elementare Grundfragen ungeklärt:

  • NFTs (Non-Fungible Token): Token werden im BMF-Schreiben zwar gelistet, zahlreiche praktische Fragen wie etwa zur Verknüpfung von NFTs mit realen Werten sind noch nicht beantwortet.
  • DAOs (Dezentrale Autonome Organisationen): Zusammenschluss vieler Individuen, die Entscheidungen in dezentralen Wahlen herbeiführen können, ohne Führung oder Exekutive. Fraglich ist hierbei insbesondere der rechtliche Charakter von internationalen Entwicklergruppen.
  • Kryptogaming: In scheinbar einfachen „Spielen“ können Nutzer erhebliche Gewinne erzielen, deren Beurteilung Probleme bereitet.

5. Hilfe durch Softwareanwendungen

Steuerpflichtige stehen vor der Herausforderung, ihre Steuererklärungen fristgerecht abzugeben und damit implizit viele der aufgeworfenen steuerrechtlichen Fragen beantworten zu müssen. Für einfach gelagerte Fälle gibt es hierfür immer mehr Anbieter, die teilweise die sog. „Anlage SO“ für die abzugebende Einkommensteuererklärung teilautomatisiert erstellen. Dies klappt oft gut, gerade bei größeren Transaktionsmengen schleichen sich jedoch oft Fehler ein, die eine manuelle Überprüfung notwendig machen.

Vor großen Herausforderungen stehen insbesondere bilanzierungspflichtige Unternehmen mit Kryptoassets, da sich hier die zusätzliche Hürde der korrekten Buchung dieser Transaktionen stellt.

Grundsätzlich muss sowohl im privaten als auch im gesellschaftlichen Umfeld zunächst eine genaue Auflistung aller Transaktionen über einen Jahreszeitraum erstellt werden – mit der Schwierigkeit, dass meistens über mehrere Blockchains und (dezentrale) Börsen hinweg eine Vielzahl an verschiedenen Kryptoassets (Basis-Coins sowie fungible und non-fungible Token) gehalten, getauscht, oder angelegt (gestaked) wurden. Meistens kommen hier Smart Contracts zum Einsatz, also komplexe Softwarekonstrukte auf der Blockchain, die in verschiedensten Programmiersprachen entworfen sind und eine Vielzahl an nicht-trivialen Transaktionsdaten hinterlassen. Diese Transaktionsdaten müssen für jede Blockchain unterschiedlich interpretiert werden, es gibt hier keinen Standard. Die Nachverfolgung und Auflistung ist daher mitunter sehr komplex. Die bestehenden Tools unterstützen nur eine sehr beschränkte Menge an Blockchains. Es existiert keine All-in-one-Lösung, die umfassend funktioniert, sodass mehrere Insellösungen und manuelle Berichtssysteme verwendet werden müssen.

Wie oben erwähnt, können diese Tools zumindest bis zu einem gewissen Grad eine akzeptable Übersicht generieren, die für Privatpersonen die Anlage SO ausfüllbar macht, sofern nicht übermäßige viele Transaktionen vorliegen oder exotische Blockchains genutzt wurden. Gerade aber im Unternehmensbereich ist eine automatisierte Weiterverarbeitung in anerkannte Buchungsprogramme noch nicht (umfassend) möglich.

An einer Lösung dieses Problems arbeitet beispielsweise die Cryptolight GmbH. Hier wird ein Programm entwickelt, dass die Exportlisten der oben genannten Tools nutzt, diese Daten ergänzt und eine umfassende Liste an EUR-konvertierten Buchungssätzen erstellt, die in bestehende Buchungsprogramme wie das DATEV-System importiert werden können – um dort die lückenlose Buchführung und Bewertung zu ermöglichen.

Eine der größeren (technischen) Herausforderungen dabei ist, dass diese klassischen Buchungsprogramme nicht auf die Anforderungen von Kryptoassets ausgelegt sind. Beispielsweise werden viele Token auf der Ethereum-Blockchain mit bis zu 18 Nachkommastellen und beliebig vielen Namenszeichen dargestellt und verarbeitet, eine solche Genauigkeit im Zahlensystem, in der Arithmetik und Symbolik ist in manchen EUR-basierten Buchungsprogrammen nicht vorgesehen. Weiterhin ist es teilweise nicht mehr nachvollziehbar oder gar anfänglich schon fragwürdig, über welche Börsen die Wechselkurse für Token/NFTs berechnet werden sollen, die nicht auf einem Fiat-Geld-basierten Marktplatz gehandelt werden oder deren Kurs sehr stark schwankt. Hinzu kommt die aus den BMF-Schreiben abgeleitete Anforderung des Wallet-Trackings einzelner Coins. Wenn diese über mehrere Blockchains (Cross-Chain) und/oder Börsen übertragen werden, wird die Nachvollziehbarkeit der Dokumentation sowohl für den Ersteller als auch den Prüfenden zu einem nicht mehr sinnvoll bearbeitbaren Problem. Ob die Entscheidung des BFH vom 14.02.2023 (IX R 3/22) dahingehend auszulegen ist, dass eine strenge Einzelbetrachtung stets erforderlich ist, bleibt abzuwarten.

Dr. Maximilian Freyenfeld LL.M. ist Rechtsanwalt & Fachanwalt für Steuerrecht mit Schwerpunkt auf der Besteuerung von Kryptoassets und digitalen Geschäftsmodellen. Er ist zudem Mitglied im Beirat der Cryptolight GmbH.

Dr. Stefan Gradl ist Geschäftsführer der Cryptolight GmbH, eine im Rahmen des EXIST-Programms durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und den Europäischen Sozialfonds geförderte Ausgründung aus der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU).

Bild: Adobe Stock/©Vadym

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