vier-tage-woche steuerkanzlei

Von Jan Happich

Das Streben nach einer ausgewogenen Work-Life-Balance und die Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit sind Themen, die in Zeiten des Fachkräftemangels auch für Steuerkanzleien an Bedeutung gewinnen. Ein Lösungsansatz, der zunehmend Beachtung findet, ist die Einführung der Vier-Tage-Woche. Die Kanzlei co-tax hat diesen Schritt gewagt. Im Interview steht Steuerberater Jan Happich Rede und Antwort, wie es zu der Idee kam, welche Herausforderungen zu bewältigen waren und welche positiven Veränderungen die Vier-Tage-Woche für die Kanzlei und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit sich gebracht hat.

Herr Happich, wie ist in Ihrer Kanzlei der Impuls entstanden, sich mit der Vier-Tage-Woche auseinanderzusetzen und diese auch einzuführen?

Jan Happich: Ich habe aus familiären Gründen selbst mit der Vier-Tage-Woche begonnen und die Vorteile, insbesondere auch für mich als Führungskraft, sehr zu schätzen gelernt.

Persönlich begonnen habe ich mit der Vier-Tage-Woche Anfang 2021. Der größte Vorteil für mich war, dass ich einen Tag in der Woche allein meiner Frau widmen konnte, so dass ich mich in der verbleibenden Zeit fokussierter um die Kanzlei und am Wochenende um meine Familie, einschließlich meiner drei Kinder, kümmern konnte.

Ferner wollten wir natürlich als Arbeitgeber deutlich attraktiver werden und unsere langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch die Verkürzung der Arbeitszeiten bei vollem Lohnausgleich besser vergüten.

Ein sehr wichtiger, wenn nicht der wichtigste Grund ist jedoch, unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die stetig mehr Aufgaben und Belastungen zu bewältigen haben, durch einen zusätzlichen Tag mehr Zeit für Erholung, Hobbys und natürlich für die Familie zu geben und somit auch unsere Wertschätzung zu zeigen.

Welche Rahmenbedingungen mussten vor der Einführung geschaffen werden, z. B. im Hinblick auf die Möglichkeiten der Digitalisierung und um eine reibungslose Kommunikation im Team zu gewährleisten?

Wir sind mit der Digitalisierung schon seit Jahren sehr weit in unserer Kanzlei. Dies war neben einheitlichen Prozessen und Abläufen auch die Grundvoraussetzung, sonst wäre eine Vier-Tage-Woche nicht denkbar.

Ferner haben wir bisher unsere Fristen und Termine sehr gut eingehalten. Die in der Steuerberaterbranche allgemein vorherrschende „Fristenproblematik“ war bei uns bisher kein Thema.

Wichtig ist jedoch auch, dass wir unsere Prozesse ständig hinterfragen und versuchen sie zu verbessern.

Wie setzen Sie das Konzept konkret um?

Bei uns ist der Freitag tatsächlich frei. Wir arbeiten alle von Montag bis Donnerstag, auch wir als Berufsträger.

Freitags sind wir bis auf wenige Ausnahmen nicht erreichbar. So wird es auch den Mandanten kommuniziert und dies läuft sehr gut.

Konnten Sie bereits feststellen, dass die Einführung der verkürzten Wochenarbeitszeit zu einer höheren Mitarbeiterzufriedenheit und einem größeren Interesse an Ihrer Kanzlei als Arbeitgeber geführt hat?

Ja, wir verzeichnen können  eine höhere Mitarbeiterzufriedenheit – auch wenn sich einige Mitarbeiterinnen erst daran gewöhnen mussten –, weniger Krankheitstage und ein größeres Interesse an unserer Kanzlei, auch wenn wir nicht mit Bewerbungen übersäht werden.

Welche Tipps würden Sie Kanzleien geben, die darüber nachdenken, die Vier-Tage-Woche einzuführen?

  1. Es geht unseres Erachtens nur mit einer guten Vorbereitung und einer gewissen „Vorlaufzeit“. So haben wir bereits im Sommer letzten Jahres mit den Vorbereitungen begonnen und ab dem 1. Januar 2023 die Vier-Tage-Woche eingeführt.
  2. Mit einem Coach zusammenarbeiten. Wir haben uns von einem Coach begleiten lassen, der sowohl mit uns als Kanzleileitung, als auch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gearbeitet hat. Wir haben zum Beispiel Persönlichkeitstests gemacht, um uns noch besser kennen zu lernen und haben gemeinsam Prozesse und Abläufe untersucht.
  3. Sich mit anderen Kanzleien austauschen, die ein solches Modell bereits umgesetzt bzw. eingeführt haben.

Dann einfach loslegen und ggf. nach ein paar Wochen Anpassungen vornehmen.

Wichtig:
Man findet nie den richtigen Zeitpunkt zu beginnen und auch nie die perfekte Umsetzung. Mut haben, mit dem Team besprechen und loslegen, sobald man davon überzeugt ist.

Herr Happich, vielen Dank für das Interview.

Jan Happich ist Steuerberater, verfügt über 30 Jahre Erfahrung im Steuerrecht und ist seit 2012 Geschäftsführer und Gesellschafter der co-tax Wirtschafts- und StB mbH. Aktuell übernimmt er die Betreuung und aktive Beratung von mittelständischen Unternehmen und vermögenden Privatpersonen.

Bild: Adobe Stock/©Vadym

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