Customer Experience

Von Svenja Müller

Vorteile für alle Beteiligten

Was zunächst wie ein Nachteil klingt, nämlich durch Digitalisierung schnell austauschbar zu werden, muss unbedingt als Chance begriffen werden. Obwohl und gerade, weil der Mandant immer mehr in die Lage versetzt wird, schnell zu erkennen, ob seine individuellen Bedürfnisse zu seinen Wunschkonditionen erfüllt werden können, muss sich die Steuerberatungsbrache diesem Trend stellen und anpassen. Heißt auch: weg von generalisierter, unflexibler, standardisierter Abarbeitung hin zur erlebnisorientierten Beratung, die weit über das althergebrachte Steuerberaterportfolio hinausgeht.

Der Steuerberater wird zum Unternehmensberater, ja sogar zum Berater für sämtliche Lebenslagen eines Klientels, das längst nicht mehr so stark zwischen Beruf und Privatleben trennt wie es die Generationen vor ihm noch taten. Dann passiert, was wir aus dem Lifestyle-Bereich kennen:

Der Mandant fühlt sich verstanden, seine Bedürfnisse werden unmittelbar und ortsunabhängig erfüllt, er fühlt sich gut aufgehoben – und bleibt. Ergebnis einer gelungenen Customer Experience.

Customer Experience in Krisenzeiten

Niemals zuvor wurde die Notwendigkeit solcher Angebote – digitaler Dienstleistungen in Echtzeit in Verbindung mit individueller und persönlicher Beratung – deutlicher als heute. Wenn eine vernetzte, globale Welt in Zeiten des Coronavirus aus den Fugen gerät und die Wirtschaft zusammenbricht, müssen Steuerberater sich blitzschnell anpassen. Was will – eher: braucht – mein Mandant jetzt? Welche Mandanten muss ich ab sofort ansprechen, um als Kanzlei zukunftsfähig zu sein? Das sind strategische Fragen, die es im Vorfeld einer CX-Ausgestaltung zu beantworten gilt.

Was bringt’s dem Berater bzw. der Beraterin?

Der Berater profitiert bestenfalls

  1. von guten Bewertungen,
  2. von neuen Mandanten, die er durch seine positiven Referenzen gewinnt,
  3. von guten Mandantenbeziehungen und dauerhafter Bindung.

Selbstverständlich muss die Kanzlei zunächst der gesteigerten Erwartungshaltung der neuen Mandantengeneration standhalten – nicht selten steigt dadurch aber auch die Bereitschaft des Mandanten, für mehr Leistung und bessere Beratung auch höhere Honorare zu bezahlen.

Was steckt hinter dem Begriff Customer Experience?

Die Customer Experience (CX, Kundenerlebnis) umfasst das gesamte Erlebnis, das ein Kunde oder Mandant mit einer Marke hat. Sie beginnt beim ersten Touchpoint (Kontaktpunkt). Dieser kann etwa eine Website, eine Anzeige oder ein Flyer sein und endet bei der letzten Handlung zwischen Dienstleister und Kunden.

Die Touchpoints reihen sich entlang der Customer Journey (Kundenreise) auf und soll idealerweise gewährleisten, dass der Kunde an jedem Touchpoint eine positive CX erlebt. Im Zentrum eines jeden Touchpoints steht immer der Kunde, dessen Bedürfnisse nicht nur befriedigt, sondern am besten weit übertroffen werden sollen. Wichtig ist auch, dass in jedem Berührungspunkt die Marke ersichtlich ist, mit der der Kunde interagiert. So kann diese positiv besetzt werden und führt zur Etablierung einer dauerhaften Markentreue.

Gewusst wie: die richtige Umsetzung

  1. CX als strategisches Thema: Wie bereits erwähnt, muss die Customer Experience Bestandteil der Kanzleistrategie sein. Die Kanzleileitung gibt die CX vor, die von allen Teammitgliedern mitgetragen wird. Sämtliche Berührungspunkte, von der Webseite über den Erstkontakt mit Assistenz, Berater und Mitarbeiter bis hin zur Gestaltung von Prozessen zwischen Mandant und Kanzlei sind in sich stimmig auf den Mandanten ausgelegt.
  2. Identifizierung der Touchpoints: Touchpoints sind die Schnittstellen zwischen Mandanten und Steuerkanzlei. Welche Berührungspunkte entlang der Customer Journey gibt es eigentlich? Gehen diese konform mit der Kanzleistrategie, der Corporate Identity und dem Mandantenkreis? Umgekehrt: Passt der einzelne Mandant (noch) zur CX, die die Kanzlei anbieten kann und will? Hier kann die genaue Betrachtung und Anpassung von Touchpoints übrigens auch als Filter dienen.
  3. Individualität statt Standardisierung: CX unterscheidet sich vom Customer Relationship Management (CRM) auch darin, dass es bei letzterem eher darum geht, große Datenmengen zu verwalten und zu bearbeiten. So zeichnet sich eine gute CX beispielsweise dadurch aus, dass Mandanten individuell und nicht standardisiert per Massenmail angesprochen werden. Der Steuerberater muss zeigen, wie gut er seinen (potenziellen) Mandanten kennt, also auch, wann, wie und worüber dieser angesprochen werden möchte. Dazu gehört es auch, möglichst ohne Zeitverzug auf Anfragen zu reagieren und für Auskünfte zur Verfügung zu stellen. Dies kann unter Umständen auch ein guter Bot auf der Kanzleiwebsite übernehmen.

Bleibt also die Erkenntnis, dass ein positives Mandantenerlebnis im digitalen Zeitalter zur womöglich wichtigsten Währung für Steuerberater wird. Daher noch ein letzter Tipp: Nachhaltig erfolgreich wird, wer bei all dem einen kühlen Kopf bewahrt. Es bringt wenig, sich durch Aktionismus womöglich in Richtung unstimmiger Touchpoints zu entwickeln und die CX mitten in der Berater-Mandanten-Beziehung abbrechen zu lassen.

Erfolgsmessungen und daraus abgeleitete besonnene Reaktionen auf sich verändernde Mandantenbedürfnisse bilden das Fundament dafür, sich nicht zu verzetteln.

Wie Sie strategisch an die Digitalisierung Ihrer Kanzlei rangehen, lesen Sie auch in der Fachinfo-Broschüre
"Ihr Weg zur digitalen Steuerkanzlei"
Foto: Adobe Stock/© Urupong
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Svenja Müller ist Vorstand der DITAX Strategy Consulting AG. Zuvor war Müller mehrere Jahre lang in der Finanzabteilung eines internationalen Technologiekonzerns tätig. Svenja Müller hat einen Master in Finance & Accounting und absolvierte ein journalistisches Volontariat bei einer Zeitschrift.

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