Sind Sie schon auf den Geschmack von ChatGPT gekommen und haben erste Erfahrungen in der digitalen Welt der KI gesammelt? Dann gibt es spannende Neuigkeiten: Mit ChatGPT 4 und den darauf aufbauenden MyGPTs eröffnen sich noch spezifischere und flexiblere Möglichkeiten, die Technologie im Kanzleialltag zu nutzen. Stellen Sie sich MyGPT als eine Art individuell zugeschnittenen Chatbot vor, der darauf abgestimmt ist, Ihre täglichen Herausforderungen mit maßgeschneiderten Lösungen zu bewältigen.
Bevor wir in die Welt der GPTs einsteigen:
Auf welchem ChatGPT-Level befinden Sie sich gerade?
1. GPT-Entdecker
Sie steigen gerade erst in die Welt von GPT ein und haben noch keine oder kaum Erfahrungen mit der KI-basierten Kommunikation und Automatisierung. Dann finden Sie in diesem Grundlagenwerk die wichtigsten Infos und Einsatztipps: ChatGPT für Steuerkanzleien – das Grundlagenwerk
Schaffen Sie erst die Basis, bevor Sie Ihre eigenen GPTs erstellen. Vielleicht macht Sie dieser Artikel ja neugierig, sich jetzt mit dem Thema auseinanderzusetzen.
2. GPT-Navigator
Sie haben bereits grundlegende Erfahrungen mit GPT gesammelt und beginnen nun, Ihren Weg durch komplexere Anwendungen zu navigieren. Fortbildungsangebote wie der Tax Prompt Engineer von Jens Henke bieten an dieser Stelle für KI-interessierte Steuerberaterinnen und Steuerberater hervorragendes Anwenderwissen, um die Einsatzmöglichkeiten der KI für die Kanzlei nutzbar zu machen.
In diesem Artikel finden Sie eine konkrete Anleitung, wie Sie mit GPTs die Mandantenkommunikation und Alltagsaufgaben automatisiert bewältigen.
3. GPT-Virtuose
Sie gehören zu den Expertinnen und Experten, die die GPT-Technologie nicht nur beherrschen, sondern auch kreativ und innovativ einsetzen. Sie verstehen es, die Fähigkeiten von GPT voll auszuschöpfen und maßgeschneiderte, hochkomplexe Lösungen zu entwickeln.
Dann freue ich mich auf Ihr Feedback zu meinen GPTs und Ideen, wie GPTs bereits von Kanzleien genutzt werden können.
1. Was sind MyGPTs?
Innerhalb von ChatGPT Version 4* – das ist die kostenpflichtige Version für 20 Dollar pro Monat – können Sie ChatGPT für einen bestimmten Zweck anpassen. D. h. Sie formulieren eine konkrete Aufgabe, füttern die KI mit Informationen, wie diese Aufgabe gelöst werden soll, und können dann bei Bedarf jederzeit darauf zugreifen.
Für DATEV-Kanzleien: In der DATEV-KI-Werkstatt finden Sie den Jobinator, den Einspruchs-Generator und den Social-Media-Assistenten als konkrete Beispiele für GPTs.
*Diese Funktionalität finden Sie auch im Microsoft Copiloten unter dem Begriff „GPT-Builder“. In diesem Beitrag beziehe ich mich mit meinen Beispielen auf ChatGPT 4.
2. Custom Instructions – schneller zum besseren Ergebnis durch Grundinformationen
Unabhängig von der Erstellung eigener GPTs ist es sinnvoll und hilfreich, ein paar Grundangaben zu machen, auf deren Basis ChatGPT dann die Antworten erstellt.
Diese Einstellung finden Sie links unten in ChatGPT, wenn Sie auf Ihren Namen klicken und danach auf den Menüpunkt „ChatGPT anpassen“. Sie haben jeweils 1.500 Zeichen zur Verfügung.
Sie bekommen auch direkt Denkanstöße dazu geliefert.
Ein Beispiel für eine Kanzlei könnte folgendermaßen lauten (diese Kanzleiangaben sind frei erfunden, falls Sie sich in irgendeiner Form erkennen, ist das Zufall😉):
Benutzerdefinierte Anweisungen
Wir sind eine Steuerberatungskanzlei in Heidelberg mit zwei Kanzleipartnern und 22 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wir betreuen Steuerpflichtige und Unternehmermandanten, 50 Prozent sind aus der Region im Umkreis von 50 km, weitere 50 Prozent sind überregional in Deutschland verteilt. Ein Branchenschwerpunkt sind Gesundheitsberufe, insbesondere betreuen wir viele MVZs und Pflegeheime. Wir sind Rundum-Dienstleister, von der Existenzgründung bis zur Nachfolge und bieten Buchführung, Lohn, Jahresabschluss, betriebliche und private Steuererklärungen. Unser Augenmerk liegt dabei auf der Beratung, d. h. wir schauen vor und hinter die Zahlen und geben aktiv Tipps, zur Steuer- und Erfolgsoptimierung. Wir verstehen uns als Dolmetscher des komplizierten Steuerrechts für unsere Mandantschaft und haben immer deren Nutzen im Blick. Wir arbeiten ausschließlich digital und denken ressourcenschonend und nachhaltig. Deshalb nutzen wir alle technischen Möglichkeiten und Tools und unterstützen unsere Mandantschaft auch dabei, selbst digital zu werden. Kanzleipartner Anton ist Fachberater Gesundheitswesen. Kanzleipartnerin Bianca ist Fachberater für Immobilienbesteuerung.
Wie soll ChatGPT reagieren?
Unser Kommunikationsstil ist locker und informativ. Wir sind Optimisten und sehen immer die gute Seite zuerst. Uns selbst kannst Du mit Du ansprechen. Sprich die Leserinnen und Leser in der Sie-Form an. Als Dolmetscher versuchen wir immer die Sachverhalte in der Sprache der Mandantschaft zu formulieren. Verwende bei Erklärungen bitte immer wo es geht Sprachbilder. Bereichere die Inhalte um konkrete Tipps und schließe mit einer Handlungsaufforderung, wenn es sinnvoll ist. Verwende aktive Ansprache statt „man“, vermeide Konjunktive. Wenn Du Dich auf Informationen zum Steuerrecht beziehst, nenne immer die Quelle zum Schluss, nicht innerhalb des Textes. Beziehe alle zur Verfügung stehenden Gesetztestexte aus dem Steuerrecht und BFH-Urteile und Kommentare mit ein.
Wenn Sie Ihre Custom Instructions für neue Chats aktivieren, greift ChatGPT bei der Formulierung sämtlicher Anfragen darauf zurück und gibt die Antwort entsprechend individualisiert. Sie können diese Anpassungen jederzeit wieder aufrufen und ergänzen oder überarbeiten.
Gleichzeitig dienen diese Anpassungen auch als Grundlage für Ihre eigenen GPTs, so dass Sie nicht jedes Mal angeben müssen, wer Sie und Ihre Zielgruppe sind und in welchem Ton die Antwort formuliert sein soll.
3. Ihr eigenes GPT: So legen Sie los
Bereit loszulegen? Mein Tipp: Öffnen Sie ChatGPT, während Sie diesen Beitrag lesen und machen Sie einfach mit. So sehen Sie sofort, wie es funktioniert und können dann weiter damit „spielen“ und eigene GPTs erstellen. Ich gehe an dieser Stelle nicht auf das Thema „Idealen Prompt formulieren“ ein. Es sei nur so viel gesagt: Je besser Ihr Prompt (also die Eingabe), desto besser das Ergebnis. Im Grundlagenwerk finden Sie dazu die passenden Tipps.
ChatGPT für Steuerkanzleien - das Grundlagenwerk
Potenziale, Prompts und Praxistipps
Das Besondere an MyGPT: Sie können eigene Dateien hochladen, z. B. Ihr Kanzlei-Handbuch, Seminarunterlagen oder Programmbeschreibungen, sodass GPT bei der Antwort darauf zugreift. In diesem Fall sind natürlich Datenschutz und urheberrechtliche Bestimmungen zu beachten. Und wenn es um steuerrechtliche Themen geht, verlassen Sie sich nicht auf die hundertprozentige Richtigkeit der Antworten. Ihr steuerlicher Sachverstand bleibt gefragt. In Sachen Steuerrecht sind genau deshalb KI-Lösungen am Markt, z. B. Otto Schmidt Answers und taxy.io.
Welche Anwendungsfälle gibt es für eigene GPTs? Hier ein paar Beispiele:
- Steuerliche Informationen verständlich für die Mandantschaft aufbereiten
- Zusammenfassung von Fortbildungsskripten
- Orientierung für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Onboarding
- Vorlagen für die Kanzleikorrespondenz vereinheitlichen
- Quiz für die Ausbildung
- Unterstützung bei Recherchen und Analysen
- FAQs für die Website
Bevor Sie sich die Arbeit für Ihre eigenes GPT machen, schauen Sie, ob es nicht schon etwas Passendes gibt. Beispielsweise hat Steuerberater Jens Henke zwei GPTs öffentlich zur Verfügung gestellt, die jeweils schon über 10.000 mal genutzt wurden.
Und wenn Sie ins Suchfeld einfach „Steuer“ eingeben, werden Sie überrascht sein, wie viele Experten-GPTs sich da schon tummeln. Wobei die Nutzerzahlen zeigen, dass das Steuerthema zumindest für ChatGPT noch keine große Rolle spielt.
Für Ihr eigenes GPT klicken Sie links in der Menüleiste auf „GPTs erkunden“ und dann rechts oben auf den Button „Erstellen Sie eine GPT“.
Mein erster Versuch im Januar 2024 war übrigens ein Generator für Stellenanzeigen, den ich GPT Steuerjobs Anzeigenmeister mit Bildgenerator genannt habe und der öffentlich verfügbar ist.
Drei weitere habe ich in der Zwischenzeit erstellt und einen davon habe ich hier als Praxisbeispiel ausgewählt:
Der Kennzahlen-Fuchs: Erklärt betriebswirtschaftliche Kennzahlen einfach und gibt Tipps zur Verbesserung.
Um zu diesem Ergebnis zu kommen, starten Sie mit einer leeren Vorlage, nachdem Sie den Button „Erstellen Sie eine GPT“ geklickt haben.
In diesem Bereich spricht GPT leider nur englisch. Sie können Ihre Eingaben jedoch auf Deutsch machen und werden verstanden.
Im Bereich „Create“ geben Sie jetzt an, welche konkrete Funktion dieses GPT erfüllen soll. Meine erste Angabe hier lautete „Du bist Experte für betriebswirtschaftliche Kennzahlen und berühmt dafür, diese Kennzahlen Unternehmern verständlich zu erklären“.
Das genügt für den Anfang, GPT schlägt sofort einen Titel vor, den man übernehmen oder noch abwandeln kann. Wenn der Titel passt, erstellt GPT das Profilbild dazu. Auch das können Sie noch variieren. Bei mir war das erste Profilbild ein Fuchs in Anzug und Krawatte, ich habe um ein legeres Kleidungsstück gebeten.
GPT führt Sie in diesem Prozess Stück für Stück weiter, so dass sich die Konfiguration dann automatisch ergibt. Im Bereich „Configure“ können Sie dann auch die Startfragen anpassen oder komplett weglassen, wenn einfach nur das Eingabefeld erscheinen soll. Hier laden Sie Ihre Dokumente hoch und bestimmen, ob GPT aufs Web zugreift und DALL-E als Bildgenerator nutzt.
Über die Preview können Sie die Ergebnisse immer testen und anpassen. Beim Kennzahlen-Fuchs sieht die Konfiguration nach drei Feedback-Schleifen jetzt so aus:
Als Kennzahlen-Fuchs ist deine Hauptaufgabe, betriebswirtschaftliche Kennzahlen für Unternehmerinnen und Unternehmer verständlich zu erklären. Dein Kommunikationsstil ist locker, freundlich und optimistisch. Du erklärst Kennzahlen unter Einbeziehung von Benchmark-Werten und Bankrichtlinien und bietest praktische Tipps zur Beeinflussung und Verbesserung dieser Zahlen. Wenn Nutzerinnen und Nutzer nach weiterführenden Informationen fragen, erwähne explizit, dass der Steuerberater oder die Steuerberaterin hervorragende Sparringspartner für die Verbesserung der Kennzahlen sind. Bei deiner ersten Antwort auf eine Anfrage beginnst du mit einer einfachen Erklärung und fragst nach, ob weitere Informationen gewünscht werden. Du fragst den Nutzer nach seiner Branche, um deine Analogien und Beispiele branchenspezifisch anzupassen. Unangebrachte Anfragen und politische Kommentare meidest du und konzentrierst dich darauf, Finanzkonzepte für ein breites Publikum zugänglich zu machen.
Beim Speichern haben Sie dann die Auswahl, ob dieses GPT nur für Sie, Personen mit einem Link oder öffentlich verfügbar sein soll. Das ist praktisch, wenn Sie ein Kanzlei-GPT erstellen, auf das sonst niemand Zugriff haben soll.
Probieren Sie den Kennzahlen-Fuchs einfach mal aus – und wenn Sie selbst nebenher Ihren eigenen Kennzahlen-Fuchs (natürlich mit anderem Namen) erstellt haben, dann vergleichen Sie doch mal die Ergebnisse.
Durch meine persönlichen Custom Instructions werden meine Ergebnisse vermutlich von Ihren abweichen. Doch genau das zeigt, wie individuell abgestimmt die KI agieren kann.
Falls Sie auch meine zwei weiteren GPTs testen wollen, bitte schön:
Der Steuerfreund: Formuliert Steuerinformationen in einer freundlichen, optimistischen Art und Weise mit Beispielen, die das Verständnis erleichtern.
Einsprüche-Assistent: Hilft bei der Formulierung von Einsprüchen gegen Einkommensteuerbescheide.
Fazit: Mit MyGPT zu maßgeschneiderter Effizienzsteigerung
MyGPTs sind eine gute Unterstützung für den Kanzleialltag. Durch die konkreten Aufgabenstellungen und individuellen Vorgaben eröffnet es neue Horizonte in der Personalisierung und Effizienzsteigerung. Es dient als leistungsstarkes Werkzeug zur Vereinfachung von Routineaufgaben, zur Verbesserung der internen und externen Kommunikation und zur Bereicherung der Aus- und Weiterbildung. Und wenn Sie Ihr erstes GPT erstellt haben, werden Sie weitere Anwendungsmöglichkeiten finden und können sich nach und nach Ihr eigenes GPT-Paket zusammenstellen.
Als Kanzleioptimistin, Positionierungs-Profi, Referentin und Autorin unterstützt Angela Hamatschek die Steuerberatungsbranche auf dem Weg in die digitale Zukunft. Sie ist seit über 20 Jahren als Beraterin unterwegs und begleitet mit ihrer Kollegin Cordula Schneider rund 100 Kanzleien bundesweit im delfi-net Steuerberater-Netzwerk bei der Kanzleientwicklung. Als Trendscout, Branchenkennerin und begeisterte Managementbuch-Leserin gibt sie ihr Wissen in Webinaren und Workshops bei den Kanzleioptimisten und im Podcast der Leseoptimistin weiter.
