Digitalisierung KI

Von Philipp Rettler

Wie nahezu überall ist die Digitalisierung auch im Rechnungswesen mittlerweile nicht mehr aufzuhalten. Der digitale Transfer von Belegen sowie die digitale Verarbeitung und Verbuchung sind in der Buchhaltung bereits gang und gäbe. Smartphone-Apps, Cloud-Software und vor allem künstliche Intelligenz werden in vielen Steuerberatungen schon tagtäglich für die Arbeit innerhalb der Kanzlei sowie für die Zusammenarbeit mit der Mandantschaft genutzt. 

In Deutschland gibt es ca. 3,5 Millionen Unternehmen1. Ca. 60 Prozent dieser Unternehmen sind Einzelunternehmen2 mit verschiedensten Digitalisierungsgraden. Darunter finden sich EPUs, Kunstschaffende, Handwerksbetriebe, verschiedenste Dienstleister und viele weitere Unternehmen. Diese bringen höchst unterschiedliche Anforderungen an eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit. Junge Unternehmen sind oft sehr stark digitalisiert, während es bei anderen Berufsgruppen nicht notwendig oder praktisch ist, auf digitale Systeme umzusteigen. Für Steuerkanzleien ist dies häufig ein Hindernis, das einer kompletten Digitalisierung und Automatisierung im Weg steht. Wie dieses Hindernis überwunden werden kann und wie Sie starten, lesen Sie im folgenden Beitrag.

Jede Mandantschaft ihren Bedürfnissen entsprechend abholen 

Mit digitalen Tools ist es möglich, den Arbeitsaufwand in der Kanzlei so gering wie möglich zu halten und effizient und zeitsparend zu arbeiten. Gemeinsam mit der Mandantschaft werden einheitliche Arbeitsprozesse geschaffen. Das Vereinen der unterschiedlichen digitalen, sowie analogen Anforderungen der Mandantschaft mit einem digitalen internen Prozess ist dennoch eine große Herausforderung für Steuerkanzleien. Vor allem Papierbelege und Schuhkarton-Buchhaltungen, die es ebenso effizient zu verarbeiten gilt, werden Steuerberatungen noch länger beschäftigen.

Mit flexiblen Tools und künstlicher Intelligenz ist es möglich, diese Herausforderung digital und automatisiert zu lösen. Zielführend ist es daher, es der Mandantschaft zu ermöglichen, die bisherigen Prozesse beizubehalten, während die KI die Digitalisierung und Automatisierung von Belegtransfer und Belegverarbeitung selbstständig im Hintergrund übernimmt.

Künstliche Intelligenz im Rechnungswesen

Die Fähigkeit von Maschinen, intelligentes menschliches Verhalten nachzuahmen, wird oft als düstere Zukunftsvision missverstanden. Eine allgemeine KI, die menschliches Verhalten in allen Bereichen anwenden kann, ist mit heutigen Mitteln jedoch unmöglich. Vielmehr sprechen wir von angewandter KI, die menschliches Handeln für bestimmte Teilgebiete erlernen und nachahmen kann.

In der Buchhaltung und Steuerberatung ist vor allem die Belegverarbeitung geprägt von repetitiven und zeitaufwändigen Arbeiten wie Scannen oder Abtippen von Belegen. Künstliche Intelligenz ist für diese Bereiche ein echter Game-Changer, da sich die intelligenten Algorithmen mit jeder Interaktion automatisch besser an die jeweiligen Buchungsvorfälle und Rechnungslayouts anpassen. Die KI wird also für jede Steuerberatung und für alle Mandant:innen individuell und automatisch angelernt: Durch jede Interaktion mit der intelligenten Software, z. B. durch neue Daten und Korrekturen, vollzieht die künstliche Intelligenz einen selbstständigen Lernprozess. So kann die künstliche Intelligenz auch von bereits Gelerntem selbstständig auf neue Sachverhalte schließen und diese korrekt ausführen.

KI-Algorithmen eignen sich im Vergleich zu klassischer Programmierung besonders gut für den Einsatz im Rechnungswesen. Nicht jede Steuerberatung ist gleich und es ist wichtig, individuelle Sachverhalte und Buchungsvorfälle individuell zu verarbeiten. Durch viele Möglichkeiten, die Algorithmen anzupassen, ist eine vollständige und zuverlässige Automatisierung von Abläufen unkomplizierter möglich als bei klassischer Software.

Wie funktioniert KI-gestützte Automatisierung in der Praxis?

Mit KI-gestützten Anwendungen kann in Steuerkanzleien der Belegeingang und die Belegverarbeitung automatisiert werden. So können Belege direkt von Lieferanten über eigens konfigurierte E-Mail-Weiterleitungen beispielsweise an eine mobile App zur inhaltlichen Prüfung und Freigabe geleitet werden. Anschließend gehen die Belege automatisch und direkt an die Steuerkanzlei. Auch beim Scannen von Papierbelegen kann KI helfen: Die Algorithmen werden mit Millionen Belegdaten trainiert und erkennen dann selbstständig unterschiedliche Belegseiten. Im Stapel gescannte oder im PDF gesammelt übermittelte Dokumente werden von der künstlichen Intelligenz automatisch in einzelne Belege aufgetrennt.

Auch das Auslesen von Rechnungsinformationen ist ein Paradebeispiel für die Leistung von intelligenten Algorithmen. Anhand von verschiedenen Modellen lernt die angewandte KI verschiedene Rechnungslayouts und liest automatisch die relevanten Daten aus.

Wie könnte eine flexible Kanzlei aussehen?

Um Anforderungen zu erkennen, kann es für Kanzleien hilfreich sein, die eigene Mandantschaft in Bezug auf gewohnte Prozesse zu analysieren. So können die passenden Tools für Belegeingang und -verarbeitung ausgewählt und bestmöglich eingesetzt werden und auch mögliche Hindernisse identifiziert werden. Wie anfangs erwähnt, spielt die Zufriedenheit und Bereitschaft für Neues in der Mandantschaft auch für den Digitalisierungserfolg von Kanzleien eine wesentliche Rolle.

Tools für die Zusammenarbeit mit kleinen und mittelgroßen Unternehmen

Bei kleinen selbstständigen Unternehmen mit nur wenigen Belegen kann beispielsweise auf mobile Apps zurückgegriffen werden, sodass Belege einfach mit dem Smartphone abfotografiert und so direkt an die Kanzlei übermittelt werden. Oder auch KI-gestütztes Scannen von analogen Belegen kann beidseitige Zufriedenheit schaffen. Bei mittelgroßen Unternehmen können selbstlernende Tools eine optimale Ergänzung zu „DATEV Unternehmen Online“ bieten, sowie inhaltliche und formale Rechnungsfreigabe-Workflows vereinfachen. Kleinere Unternehmenskunden können eine E-Mail-Weiterleitung nutzen, um Rechnungen direkt an die Kanzlei zur digitalen Verarbeitung übermitteln zu können.

Start in der eigenen Kanzlei

Um künstliche Intelligenz nun in der eigenen Kanzlei einzuführen, ist es zuallererst wichtig, ein geeignetes Tool zu finden, welches den Anforderungen gerecht wird und eine Verbesserung bieten kann. Um eine Effizienzsteigerung zu erreichen, ist, wie oben erwähnt, ein Verständnis für die individuellen Mandant:innen und ihre Bedürfnisse eine weitere Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Einführung, da eine reine Umstellung auf digitale Prozesse meist nicht automatisch eine Verbesserung herbeiführt.

Die Einführung von KI-Tools wird üblicherweise als kleines Projekt gestartet. Mit Betreuung und Begleitung von Expert:innen werden so die optimalen Bedingungen für einen erfolgreichen Start, meistens mit einigen ausgewählten Mandant:innen, geschaffen. Dies bildet eine Grundlage für eine schnelle Implementierung und die Chance, den Einsatz der KI in kurzer Zeit auch auf die gesamte Kanzlei auszuweiten.

[1] Statista.com, 2019
[2] Destatis Statistisches Bundesamt, 2019 
Foto: Adobe Stock/magele-picture
Philipp Rettler

Philipp Rettler ist seit über zehn Jahren in der Steuerberatungsbrache tätig. Während seiner beruflichen Laufbahn war er unter anderem Manager beim internationalen Informationsdienstleister LexisNexis, wie auch als Berater für Vertriebsprozesse tätig. Seit August 2020 leitet er als Chief Sales Officer den Vertriebs- und Kundenbereich bei der Finmatics GmbH. Finmatics ist spezialisiert auf die Optimierung der Belegverarbeitung mittels modernster Tools wie künstlicher Intelligenz und smarten Freigabeprozessen.

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