virtuelle-assistenz

Von Nadine Schön

In Zeiten des Fachkräftemangels kommt es in Steuerkanzleien immer häufiger zu personellen Engpässen. Doch was ist zu tun, wenn eine offene Stelle nicht sofort besetzt werden kann oder kurzfristig mehr Unterstützung bei der Erstellung der Jahresabschlüsse benötigt wird? Eine Möglichkeit, personelle Engpässe zu überbrücken, ist die Zusammenarbeit mit virtuellen Steuerfachangestellten bzw. virtuellen Assistenzen. Nadine Schön ist Steuerfachangestellte und bietet als virtuelle Assistentin Dienstleistungen im Bereich Buchhaltung und Backoffice an. Im Interview berichtet sie, welche Vorteile die Arbeit mit einer virtuellen Assistenz hat und wie die Einarbeitung für gewöhnlich abläuft.

Frau Schön, viele Steuerkanzleien haben derzeit Personalmangel oder kurzfristige Engpässe. Welche Vorteile bietet die Zusammenarbeit mit externen Steuerfachangestellten aus Ihrer Sicht?

Nadine Schön: Vorab: Diese Engpässe kann ich nur bestätigen, auch wenn ich selbst nicht mehr in einer Steuerkanzlei tätig bin. Viele meiner Kund:innen berichten von solchen Rückmeldungen aus Kanzleien, da sie selbst auf Wartelisten für freie Beratungstermine gesetzt werden.

Grundsätzlich liegt der Vorteil darin, dass externe Steuerfachangestellte vor allem auch kleinere Steuerkanzleien sehr gut unterstützen können, ohne die sonst üblichen Personalkosten zu verursachen.

Auch Steuerberater:innen, die nach bestandener Prüfung gern eine eigene Kanzlei eröffnen möchten, können so auf externes Fachpersonal zurückgreifen, wodurch die Wahl der Räumlichkeiten ggf. variabler erfolgen kann und vor allem Kosten eingespart werden können.

Ein Vorteil auf Seiten der Steuerfachangestellten ist, dass sie nach Pausen wie etwa der Elternzeit gute Chancen erhalten, sich wieder auf dem Markt zu präsentieren. Einige Fortbildungen sind gekoppelt an den Nachweis der Anstellung in einer Steuerkanzlei. Durch die Zusammenarbeit können sich Steuerfachangestellte während oder nach der Elternzeit weiterhin fortbilden und so als externe Mitarbeiter:innen bzw. durch freie Mitarbeit in vollem Umfang einbringen. Im Gegenzug können die Kanzleien auf Steuerfachangestellte zurückgreifen, die als Arbeitskräfte vor Ort nicht zur Verfügung stehen würden, weil sie Familie und Beruf durch die Arbeit von zu Hause vereinen möchten.

Als externes Buchhaltungs- und Backofficebüro bieten sie vor allem auch Unternehmen Ihre Dienstleistungen an. Welche Vorteile bieten sich für Unternehmen?

Auch aus Sicht meiner Kund:innen sehe ich hier klare Vorteile. Vor allem selbstständige Mütter schätzen den Austausch auf Augenhöhe, d. h. den informellen Austausch ohne Fachbegriffe, den ich im Rahmen meiner Selbstständigkeit biete. Gerne führe ich dann im Auftrag meiner Kund:innen die Gespräche mit den Kanzleien, schaffe Verbindung zwischen "Mompreneur" bzw. "Solopreneur" und der Steuerkanzlei.

Da ich selbst die vorbereitende Buchführung für einige Solopreneure übernehme und die Auswertungen bzw. die aufbereitete Buchführung dann von meinen Kund:innen an Steuerkanzleien gesendet wird, sehe ich einen absoluten Vorteil in der direkten Zusammenarbeit zwischen Steuerkanzleien und externen Steuerfachangestellten, da Abläufe noch reibungsloser durchgeführt werden könnten.

Sollten Steuerkanzleien bei personellen Engpässen immer unbedingt auf Assistenzen aus der Steuerbranche zurückgreifen?

Schon vor meiner Ausbildung zur Steuerfachangestellten konnte ich in den Schulferien regelmäßig in einer Düsseldorfer Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungskanzlei aushelfen. Diese Engpässe, vor allem zu den Jahresabschlussarbeiten und vor den Steuerterminen können durch die Zusammenarbeit mit externen Assistenzen minimiert werden.

Wie läuft die Zusammenarbeit konkret ab und welche Aufgaben kann eine virtuelle Assistenz typischerweise übernehmen?

Die Zusammenarbeit zwischen einer Steuerkanzlei und externen Steuerfachangestellten wird sicherlich von Kanzlei zu Kanzlei individuell gehandhabt. Hierbei spielen vor allem Faktoren wie der Arbeitsumfang und die Dauer des Tätigkeitseinsatzes, die vorhandene Räumlichkeiten, die Kommunikation zwischen Kanzlei und Mandantschaft sowie der Wissensstand und die Berufserfahrung der externen Steuerfachangestellten eine Rolle.

Beginnen kann eine Zusammenarbeit beispielsweise mit einer konkreten „Bewerbung“ externer Steuerfachangestellten bei der jeweiligen Kanzlei. Immer häufiger werden Kontakte auch über Social Media geknüpft, der Erstkontakt hergestellt und eine rein virtuelle Absprache mit Vereinbarungen getroffen.

Nach getroffenen Vereinbarungen kann dann beispielsweise ein passender Zugang für das Buchhaltungsprogramm, den E-Mail-Verkehr und ggf. auch Interna eingerichtet werden. So können externe Steuerfachangestellte mit einem eigenen Account, der namentlich an die Kanzlei angelehnt ist, auf die passenden Daten zugreifen und die Buchführung ortsunabhängig in gleicher Weise erledigen, als würde diese in der Kanzlei erstellt werden. Unterlagen können in Cloud-Lösungen zur Verfügung gestellt und beispielsweise vorkontiert oder anderweitig aufbereitet werden. Auch die klassische analoge Buchführung könnte extern übernommen werden, indem Belege auf dem Postweg, per Kurier oder ggf. durch Übergabe ausgetauscht und dann bearbeitet werden.

Abhängig vom Wissen der Steuerfachangestellten und der internen Einbindung in eine Kanzlei können Arbeiten von der Vorbereitung einer Buchführung bis hin zum Jahresabschluss und den Steuererklärungen an externe Steuerfachangestellte (virtuelle Assistenzen) übertragen werden.

Weitere klassische Aufgaben sind natürlich die Korrespondenz mit den Mandant:innen, mit dem Finanzamt oder anderen Ämtern und Behörden, die Terminkoordination und die Bestellung von Büromaterial. Auch können die Erstellung von Newslettern und die Betreuung der Social Media-Kanäle der Kanzleien wunderbar ausgelagert werden. Die Erstellung von Blogbeiträgen, Texten für Fachzeitschriften oder auch Protokollen kann ebenfalls durch virtuelle Assistenzen mit dem Background Steuerfach wunderbar erledigt werden.

Ist die Zusammenarbeit eher darauf ausgelegt, dass eine virtuelle Assistenz bei kurzfristigen Ausfällen durch erkrankte Mitarbeitende einspringt – oder arbeiten Sie häufig langfristig mit Unternehmen und Kanzleien zusammen?

Grundsätzlich würde ich dazu tendieren, die Zusammenarbeit langfristig auszulegen. Warum? Sofern externe Steuerfachangestellte Zugriff auf die Daten im Buchhaltungsprogramm erhalten (sollen), entsteht für die Kanzlei ein entsprechender Aufwand für die Einrichtung des Zugangs etc. Dieser sollte natürlich im passenden Rahmen mit der geplanten Zusammenarbeit stehen. Natürlich kann auch ein namensfreier Zugang eingerichtet werden, sodass immer wieder sporadisch bei Bedarf der Zugriff freigegeben werden könnte.

Wobei „langfristig“ aus meiner Sicht nicht bedeuten muss, dass von mehreren Jahren die Rede ist. Langfristig könnte beispielsweise auch ein Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten sein. Eine andere Variante der langfristigen Zusammenarbeit wäre es, in den kommenden zwei bis drei Jahren immer wieder regelmäßig bei bestimmten Projekten oder während Engpässen zusammenzuarbeiten, z. B. immer in den Schulferien. In diesem Falle wäre die Zusammenarbeit langfristig ausgelegt, aber die Arbeitsperiode selbst könnte sich nur auf ein paar Wochen beschränken.

Kurzfristige Ausfälle können natürlich auch aufgefangen werden. Hier kommt es auf die Flexibilität beider Seiten an, sowie die Kommunikation und die Einarbeitung bzw. die Art der durchzuführenden Tätigkeit. Manche Aufgaben benötigen eine Einarbeitung, Hintergrundwissen zum Mandanten und dessen geschäftlicher Tätigkeit, wohingegen andere Aufgaben direkt 1:1 übernommen werden können.

Was mich persönlich betrifft, so habe ich mich tatsächlich darauf eingestellt, auch kurzfristig Aufgaben zu übernehmen, tendiere jedoch zu einer planbaren Zusammenarbeit.

Wie viel Zeit müssen Kanzleien für die „Einarbeitung“ einer virtuellen Steuerfachangestellten einplanen?

Eine gute und berechtigte Frage, die sich jedoch leider auch nicht ganz pauschal beantworten lässt. Übernehmen externe Steuerfachangestellte für die Kanzlei Aufgaben, die „selbsterklärend“ sind und kein weiteres Hintergrundwissen erfordern, so kann die Einarbeitung innerhalb weniger Stunden abgeschlossen sein.

Möchte man im Rahmen der Zusammenarbeit erreichen, dass die externen Steuerfachangestellten mit den Kanzleiabläufen vertraut sind, sich zugehörig fühlen und zusätzliches Wissen zur Mandantschaft etc. benötigen, sollte man ein paar Tage für die Einarbeitung einplanen.

Erfahrungsgemäß würde ich von einem bis fünf Tagen ausgehen. Dann sollte die Einarbeitung abgeschlossen sein, da die Basis in allen Kanzleien in etwa gleich ist und nur interne Abläufe abweichen oder ggf. ein anderes Buchhaltungsprogramm genutzt wird und dieses „kennengelernt“ werden muss. Doch selbst im Kanzleialltag wird kontinuierlich eingearbeitet und hinzugelernt.

Sie arbeiten virtuell. Wie digital müssen die Kanzleien, die mit Ihnen zusammenarbeiten wollen, selbst arbeiten, damit die Zusammenarbeit problemlos funktioniert?

Je digitaler eine Kanzlei aufgestellt ist, desto einfacher ist eine virtuelle Zusammenarbeit.

Mit Beginn meiner virtuellen Tätigkeit im August 2014 betreute ich Solopreneure, die digital sehr gut aufgestellt waren, die Auswertungen aus den Programmen dann aber der Steuerkanzlei ausgedruckt zukommen lassen mussten, da diese noch keine digitalen Verknüpfungen „in die Außenwelt“ hatten.

Viele Steuerkanzleien arbeiteten vor zehn Jahren zwar mit einer bekannten Buchhaltungssoftware, auf die die Mandant:innen mit einer Schnittstelle zugreifen konnten, waren aber nicht weiter über Cloudfunktionen oder ähnliches digital aufgestellt. Das war mit einem großen Mehraufwand verbunden und die Rückmeldungen der Steuerkanzleien waren daher seinerzeit leider noch skeptisch, was die Zusammenarbeit mit virtuellen Assistenzen betraf.

Inzwischen tut sich auf dem Gebiet einiges. Ein Grundgerüst an digitaler Struktur muss vorhanden sein, damit die Zusammenarbeit problemlos funktioniert. Der Zugriff auf Zahlenwerte, Dateien, Notizen und Korrespondenz sollte  ortsunabhängig abrufbar sein, damit die virtuelle Zusammenarbeit gewährleistet wird – was nicht bedeutet, dass die Kanzleien die neueste Technik haben müssen.

Leider gilt die Thematik Buchhaltung und damit auch die Steuerkanzlei als altmodisch und verstaubt. Ich persönlich mag alte analoge Akten und das Aktenarchiv, sie sind so „typisch Büro“. Ich wünsche mir jedoch, dass in Steuerkanzleien noch digitaler gearbeitet wird, auch mehr Online-Auftritte gewagt werden und die Zusammenarbeit mit uns virtuellen Assistenzen ausgebaut wird, um der Branche einen Aufschwung und ein modernes Gesicht zu geben. Digital ist heutzutage einfach ein Muss.

Frau Schön, vielen Dank für Ihre Zeit und Ihre Antworten!

Nadine Schön ist Inhaberin von time&paper, Steuerfachangestellte und zertifizierter Lexoffice Coach. Seit 2014 unterstützt sie Solopreneure und Existenzgründer:innen als virtuelle Assistentin im Backoffice. Zudem begleitet sie als Mentorin Selbstständige dabei, Routine in der Buchhaltung zu finden.

Bild: Adobe stock/©tanyabosyk

Immer up-to-date in Sachen Tax Tech

mit dem Tax Tech-Newsletter!

Abonnieren Sie jetzt unseren monatlichen

Newsletter und erhalten Sie alle Magazinausgaben und die

neusten Beiträge des Blogs direkt in Ihr Postfach: